NR-Sondersitzung zum Thema "Direkte Demokratie"  

erstellt am
13. 10. 11

 Faymann: Direkte Demokratie braucht eine sachliche und konstruktive Diskussion
Sondersitzung des Nationalrats zum verstärkten Einsatz von Mitteln der direkten Demokratie
Wien (bpd) - "Die Instrumente der direkten Demokratie können in einem Land bei Grundsatzentscheidungen eine wesentliche Rolle spielen. Ob und wann ihr Einsatz sinnvoll ist, wird von der jeweiligen Fragestellung abhängen", betonte Bundeskanzler Werner Faymann am 12.10. in der Sondersitzung des Nationalrates. Auf Antrag einer Oppositionspartei diskutieren die Abgeordneten über den verstärkten Einsatz von Mitteln der direkten Demokratie.

Die Instrumente der direkten Demokratie seien kein Ersatz für Maßnahmen der Regierung und Beschlüsse des Parlaments. "Volksbefragungen, Volksabstimmungen und Volksbegehren bieten uns die Möglichkeit, die Bevölkerung zusätzlich in den Entscheidungsprozess einzubinden. Das ist bei Fragen wie einer möglichen Abschaffung der Wehrpflicht oder einer wesentlichen Änderung des EU-Vertrages durchaus richtig. Auch auf europäischer Ebene können Volksbegehren zusätzlichen öffentlichen Druck erzeugen, zum Beispiel bei der Forderung nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder der Ablehnung von Kernenergie", so Faymann.

Der Vorschlag einer Oppositionspartei, über eine sogenannte "europäische Transferunion" abzustimmen, sei aber nicht sinnvoll: "Wenn man unter einer Transferunion den bestehenden Euro-Schutzschirm versteht, dann würde ein negativer Volksentscheid den Austritt unseres Landes aus dem gemeinsamen Rettungsfonds und damit aus der Union bedeuten. Und ein Austritt hätte unabsehbare negative Konsequenzen für das Wirtschaftswachstum und die Arbeitplätze in Österreich. Diese Folgewirkungen dürfen den Bürgerinnen und Bürgern doch nicht verheimlicht werden", sagte der Kanzler.

"Bei der Gründung der Eurozone wurden noch keine Instrumente geschaffen, um in der Wirtschafts-, Steuer- und Haushaltspolitik geeinter vorzugehen. Deshalb müssen die Mitgliedstaaten jetzt die richtigen Entscheidungen treffen", sagte Faymann. Jede Einigung unter 44 Koalitionsparteien in den Regierungen von 17 Eurozonen-Staaten sei aber ein schwieriger Prozess. "Wir stehen in Österreich und Europa vor einschneidenden Reformen, die wir mit viel Energie und Ausdauer angehen müssen. Unser Land ist dabei besser aufgestellt als viele andere. Das verdanken wir den Leistungen unserer Unternehmen und Arbeitnehmer sowie den Rahmenbedingungen, die die Regierung geschaffen hat", so der Bundeskanzler.

Faymann betonte, dass direkte Demokratie eines hohen Maßes an Sachlichkeit, inhaltlicher Klarstellung sowie einer offenen und konstruktiven Diskussion bedürfe. "Ich begrüße eine ernsthafte politische Diskussion über notwendige Reformen, die wir im Hohen Haus und in der Regierung vorantreiben wollen, um den hohen Standard in Österreich abzusichern. Ich begrüße auch eine Diskussion über den Einsatz direkter Demokratie. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass damit nicht politisches Kleingeld gemacht werden soll, sondern wir uns ernsthaft über die optimale Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungsprozesse Gedanken machen. Das Ziel dabei muss das Wohl unseres Landes und seiner Menschen sein", so der Bundeskanzler abschließend. Die Themen in der heutigen Anfrage seien aber Beispiele dafür, wie der Anspruch auf Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit nicht erfüllt werde.

 

Kopf: FPÖ und BZÖ arbeiten konsequent am Vertrauensverlust
ÖVP-Klubobmann: FPÖ zeigt mit dem Finger auf andere und steckt selbst mitten drin
Wien (övp-pk) - Starke Zweifel hegt ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf angesichts des Dringlichen FPÖ-Antrages daran, "ob FPÖ-Obmann Strache und Generalsekretär Kickl schon einmal einen Blick in die österreichische Bundesverfassung geworfen haben. "Diese Verfassung sieht nämlich klar vor, dass das Volk bei Wahlen sein Recht wahrnimmt, 183 Abgeordneten für das Parlament zu bestimmen, die im Hohen Haus Entscheidungen im Namen des Volkes zu treffen haben. Die FPÖ muss das demokratische Prinzip akzeptieren, dass in einer Demokratie eine Mehrheit legitimiert ist, Entscheidungen zu treffen. Dazu sind wir von der österreichischen Bevölkerung beauftragt. Reden wir aber darüber, den Parlamentarismus zu stärken - etwa über eine stärkere Personalisierung des Wahlrechts."

"Ja, wir haben in Österreich derzeit ein Problem mit Anstand", zitierte Kopf aus der Abschiedsrede von Josef Pröll und bezog sich damit auf die aktuellen Korruptionsvorwürfe. In diesem Sinne sei auch der Vertrauensverlust in Politik und Wirtschaft nicht verwunderlich. "Aber FPÖ und BZÖ befinden sich mitten in diesen Bereichen und arbeiten konsequent am Vertrauensverlust mit, wenn sie mit dem Finger auf andere zeigen und selbst betroffen sind. Diese unehrliche Vorgangsweise schreit zum Himmel."

Nichts anfangen kann Kopf mit dem Vorwurf der Opposition des Stillstandes. "Ja, es könnte und müsste vielleicht auf europäischer Ebene manches schneller weitergehen. Aber dieses Parlament kommt seiner Aufgabe nach, diese Regierung funktioniert und arbeitet", verwies der ÖVP-Klubobmann beispielhaft auf die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten, auf die Einführung der Ganztagskinderbetreuung , auf die Energiestrategie, die thermische Sanierung, die Einrichtung eines Integrationsstaatssekretariates, auf den Pflegefonds und vieles mehr, das in dieser Regierungsperiode bereits beschlossen wurde. "Bei vielen Beschlüssen hat die FPÖ sogar mitgewirkt. Warum also muss sie jetzt alle schlechtreden?"

Einige Maßnahmen harren auch einer Lösung. Ob aber die Forderung nach einem Mehrheitswahlrecht von SPÖ-Rudas die richtige Lösung sei, "wage ich zu bezweifeln." Ein Mehrheitswahlrecht würde etwa bedeuten, dass in der Besetzung des Nationalrats keine Abbildung des Wählerwillens vorgenommen werden könnte. "Das wäre weniger Demokratie und wollen wir daher in dieser Form nicht", betonte Kopf.

 

Strache: SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ stimmen gegen direkte Demokratie
Haben Nagelprobe nicht bestanden - Schäbiges Abstimmungsverhalten ist Schande für diese Parteien
Wien (fpd) - "SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ haben die Nagelprobe, wie sie es mit der direkten Demokratie halten, heute im Nationalrat nicht bestanden. Alle diese Parteien haben unseren Antrag, mit dem wir die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild stärken wollten, abgelehnt", so FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache. "Offenbar fürchten sie sich vor dem Mitspracherecht der Bürgerinnen und Bürger. In Wahrheit ist dieses schäbige Abstimmungsverhalten eine Schande für Rot, Schwarz, Grün und Orange." Für direkte Demokratie würden diese Parteien nur eintreten, wenn es ihnen selber in den Kram passe. Am liebsten würden sie das Volk wahrscheinlich für unmündig erklären.

Im Vergleich zur Schweiz ist in Österreich eine fakultative Volksabstimmung nur möglich, wenn diese der Nationalrat beschließt oder die Mehrheit seiner Mitglieder verlangt (bei einfachen Bundesgesetzen) oder wenn ein Drittel seiner Mitglieder eine solche verlangt (bei einer Teiländerung der Bundesverfassung). "Direktdemokratischer wäre es daher, wenn ein solches Verlangen auch direkt von Wahlberechtigten gestellt werden könnte", erläuterte Strache den abgelehnten freiheitlichen Antrag.

Ebenso fremd ist der österreichischen Verfassung das Rechtsinstitut der Volksinitiative. Diese hat den Vorteil, dass im Falle einer direktdemokratischen Gesetzesinitiative letztlich das Volk entscheidet, ob der Vorschlag Gesetz werden soll oder nicht. Beim österreichischen Volksbegehren entscheidet letztlich immer der Nationalrat. "Daher", so Strache, "sollte das Volk zur Frage, ob die Limits für die direkte Demokratie in Österreich nach Schweizer Vorbild ausgestaltet werden sollen, im Wege einer Volksbefragung befragt werden."

SPÖ, ÖVP, Grüne und BZÖ hätten heute einen verheerenden antidemokratischen Offenbarungseid geleistet. Damit zeige sich, dass die FPÖ auch in der Frage der direkten Demokratie als einzige Partei auf Seiten der Österreicherinnen und Österreicher stehe, so Strache.

 

Bucher: Mehr Demokratie, mehr Volk und damit mehr Zukunft für Österreich
Seit drei Jahren gibt es die Krise, seit drei Jahren warten die Österreicher auf klare Entscheidungen.
Wien (bzö) - "Wir brauchen mehr Demokratie, mehr Volk und damit mehr Zukunft für Österreich", so BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher bei seiner Rede anlässlich der Sondersitzung des Nationalrates. Das BZÖ stehe für mehr Demokratie und beantrage im Parlament sowohl die Einrichtung eines Internet Volksbegehrens, wie auch die Abhaltung einer Volksabstimmung, wenn sich die EU-Verträge ändern. Bucher warnte vor einer drohenden EU-Diktatur in Form eines Zentralstaates; es werde die Entmündigung Österreichs vorbereitet und die Regierung Faymann liefere beim Rettungsschirm das Land aus.

Scharfe Kritik übte Bucher an den Grünen, die sowohl eine Volksabstimmung über den Rettungsschirm verhindern und sich generell von der direkten Demokratie abgewendet haben; dabei seien die Grünen doch "aus einer Bürgerinitiative entstanden. Jetzt reihen sich die Grünen ein in den politischen Mainstream von SPÖ und ÖVP, die sich fürchten, das Volk zu befragen. Mit dieser Strategie werden sie als Partei nicht in die Geschichte eingehen, sondern eingehen", so Bucher in Richtung der grünen Vorsitzenden Glawischnig.

Generell erwarte sich die Bevölkerung nicht Fragen wie sie Bundeskanzler Faymann aufgeworfen habe, sondern endlich klare Antworten: "Wenn Sie einmal denn Mut haben, dem Volk in einer Volksabstimmung eine Frage zu stellen, dann werden Sie eine klare Antwort erhalten, Herr Bundeskanzler. Aber Sie verstecken sich und treffen einfach keine Entscheidungen. Seit drei Jahren gibt es die Krise, seit drei Jahren warten die Österreicher auf klare Entscheidungen. Jetzt stehen wir vor der nächsten Wirtschaftskrise. Sie sollten den Mut haben, einmal das Volk zu befragen und nicht nur eine Zeitung". Bucher kritisierte massiv, dass gerade beim Rettungsschirm, wo es um 29 Milliarden Euro gehe, Parlament und Volk ausgespart würden. "Die Regierung verpfändet derzeit Österreichs Zukunft. Wenn Sie die Menschen nicht in politische Entscheidungen einbinden, dann werden die Menschen künftig Politik auf der Straße machen. Dann wird nicht nur der Euro einen Schutzschirm brauchen, sondern auch Sie und das kann keiner wollen, Herr Bundeskanzler". Der BZÖ-Chef forderte eine Volksabstimmung über den Rettungsschirm: "Mit dem Rettungsschirm kommt ein finanzieller Riesentsunami auf Österreich zu und leider ist die Regierung hier völlig unvorbereitet. Wir als BZÖ sagen ganz klar: Österreich hat "Genug gezahlt!".

 

Glawischnig vermutet ein Ablenkungsmanöver
Wien (pk) - Die Grüne Klubvorsitzende Eva Glawischnig-Piesczek meinte, es sei verwunderlich, wenn gerade die FPÖ, die sich bisher nie durch Überlegungen zu Volksabstimmungen und Volksbefragungen ausgezeichnet habe, das Thema zum Anlass einer Sondersitzung mache. Sie vermutete daher ein Ablenkungsmanöver vom "größten Korruptionssumpf der Zweiten Republik", an dem die FPÖ einen wesentlichen Anteil habe.

Bedauerlicherweise werde der Untersuchungsausschuss nicht bereits diese Woche eingerichtet, sagte Glawischnig und forderte schärfere Antikorruptionsgesetze. Die Grünen verhielten sich bei der Offenlegung der Parteifinanzen vorbildlich, sagte sie und forderte das BZÖ auf, es ihnen gleich zu tun. Der Forderungen im Antrag der Freiheitlichen beurteilte sie als gänzlich unbrauchbar. Ein Zerfall der Eurozone, auf den die Vorstellungen der Freiheitlichen hinausliefen, würde nur ein Land nach dem anderen den Spekulanten der Finanzmärkte ausliefern. Zum Thema Mindestsicherung versuche die FPÖ nur in gewohnter Manier, die sozial Schwachen gegeneinander auszuspielen. Auch die Vorstellungen von direkter Demokratie seien als Beitrag zur Debatte untauglich. (Quelle: Parlamentskorrespondenz)
     

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