Industrie: Konjunktureller Wetterumschwung   

erstellt am
21. 10. 11

IV-GS Neumayer: Zunehmende konjunkturelle Störfaktoren fordern ihren Tribut - Erneuter konjunktureller Fadenriss jedoch unwahrscheinlich
Wien (pdi) - Erwartungsgemäß hat sich der Aufschwung in der österreichischen Industrie im dritten Quartal deutlich abgeschwächt. Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, halbiert sich von +35 Punkten im Vorquartal auf nunmehr +17 Punkte. "Einerseits reflektiert das Ergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage die Normalisierung des Geschäftsganges in dem Moment, da die Produktionseinbußen der Jahre 2008 und 2009 nahezu wettgemacht sind, andererseits fordern die seit Jahresbeginn erheblich an Zahl und Gewicht zunehmenden konjunkturellen Störfaktoren ihren Tribut", fasst der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, das Hauptergebnis der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung zum 3. Quartal 2011 zusammen.

In den vergangenen Wochen trug die vor dem Hintergrund der US-amerikanischen und europäischen Staatsschuldenkrise erneut aufflammende Risikoaversion auf den Finanzmärkten zusätzlich zur erheblichen Eintrübung der Konjunkturerwartungen bei. "Auf der Grundlage des aktuellen Datenkranzes erscheint ein erneuter konjunktureller Fadenriss jedoch unwahrscheinlich. Sieht man von meteorologischen und institutionellen Unwägbarkeiten ab, wird der Aufschwung in den kommenden beiden Quartalen voraussichtlich eher pausieren als in eine neuerliche Rezession münden", so Neumayer.

Die Ergebnisse im Detail
Angefangen von den hohen Notierungen bei Rohöl und Industriemetallen über die Erdbebenkatastrophe in Japan und ihre Folgen, die damit nur zum Teil in Zusammenhang stehende Abschwächung des Welthandels bis zum Wiedereintritt in eine Phase geldpolitischer Straffung infolge höherer Inflationsraten war der konjunkturelle Gegenwind in den vergangenen Monaten beträchtlich. Dennoch berichtet rund die Hälfte der Unternehmen, exakt 53 %, von einem noch guten Geschäftsverlauf im zurückliegenden dritten Quartal. Mit einem schlechten Geschäftsgang waren hingegen nur 3 % der Unternehmen konfrontiert, sodass sich die Einschätzung der derzeitigen Geschäftslage in der Industrie mit +50 Punkten lediglich um zwei Punkte gegenüber der Sommererhebung zurückgebildet hat.

In scharfem Kontrast hiezu fällt die Erwartungskomponente mit Sechs-Monats-Horizont von +18 Punkten zuvor weit in negatives Territorium auf einen Wert von -16 Punkten und damit auf das Niveau des ersten Quartals 2009 ab. "Wenngleich die kommenden Quartale zumindest nach europäischer Definition kein Abgleiten in die Rezession erwarten lassen, reflektiert dieser Einbruch nicht mehr nur eine Abschwächung des konjunkturellen Expansionstempos. Vielmehr steht ein scharfer Tempoverlust mit einer anschließenden konjunkturellen Schwächephase von mindestens zwei Quartalen Dauer bevor", so IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein.

Erstmals seit zehn Quartalen ist bei den Auftragsbeständen wieder ein Rückgang im Vergleich zum Vorquartal (+46 Punkte nach zuvor +56 Punkten) zu verzeichnen. Zugleich hat sich der Anteil der Unternehmen mit einem unzureichenden Auftragsbestand von 3 % auf 6 % erhöht. Die Auftragsreichweite nimmt insbesondere bei den Auslandsaufträgen rasch ab - die Unsicherheit im internationalen Umfeld schlägt auf die Auftragsbestände aus dem Ausland durch (Saldo +35 nach +56 im Vorquartal), während die Investitionskonjunktur im Inland noch deutlich abgeschwächt anhält.

Die einerseits noch solide doch schwächere Auftragslage und die andererseits erheblich eingetrübten Konjunkturerwartungen führen auf Sicht des vierten Quartals zu einem Nullsaldo bei den Produktionserwartungen. Bestehende Aufträge werden abgearbeitet, für Produktionsausweitungen fehlen die Auftragsperspektiven, zumal sich der in den Büchern stehende Auftragsbestand als korrekturanfällig erweisen könnte.

In Übereinstimmung mit den statischen Produktionsaussichten kommt der Beschäftigungsaufbau in der Industrie zum Stillstand. Während die Einstellungsneigung angesichts des Fachkräftemangels kaum zurückgegangen ist - 20 % der Unternehmen trachten weiterhin nach einer Ausweitung ihres Beschäftigtenstandes - rechnet mit 19 % ein nahezu ebenso großer Anteil der Unternehmen mit Stellenstreichungen. Wie es sich schon während der Großen Rezession in den Jahren 2008 und 2009 andeutete, wird die Beschäftigung in der Industrie dennoch trotz einer Wachstumsrate weit unterhalb der bisher üblichen Beschäftigungsschwellen voraussichtlich insgesamt weitgehend gehalten werden.

Aufgrund der im dritten Quartal noch hohen Kapazitätsauslastung bewegte sich die Ertragslage in der Industrie trotz anhaltend hohen Kostendrucks im vergangenen Quartal bei einem Wert von +31 Punkten (nach zuvor +36 Punkten) auf konjunkturellem Normalniveau, vergleichbar dem Niveau des ersten Halbjahres 2006, während in Hochkonjunkturphasen typischerweise Salden in Höhe von +50 Punkten erreicht werden.

Auf der Erlösseite wird es den Unternehmen vor dem Hintergrund der Wachstumsabschwächung in den kommenden Monaten im Durchschnitt kaum möglich sein, über steigende Verkaufspreise (Saldo +3 nach +1) Kostenüberwälzungen oder Ertragsverbesserungen zu erreichen.

Auf Sicht von sechs Monaten bilden sich die Ertragserwartungen der Unternehmen dementsprechend nicht nur zum dritten Mal in Folge zurück, sondern unisono mit der Erwartungskorrektur bei dem zukünftigen Geschäftsverlauf dreht der Saldo von +11 Punkten auf -8 Punkte. Aus den sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen erwächst zugleich das singulär größte Risiko für den mittelfristigen Konjunkturverlauf: eine geringere Selbstfinanzierungskraft in Verbindung mit sich verschlechternden Finanzierungsbedingungen, sowohl hinsichtlich der Kreditverfügbarkeit als auch der Konditionen, droht als Investitionsbremse zu wirken und damit das Potenzialwachstum der österreichischen Wirtschaft nachhaltig zu schwächen.

Zwtl.: Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 427 Unternehmen mit rund 331.300 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
     
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