Getreidemärkte im Zeichen von Schwarzmeerexporten und Weltwirtschaft   

erstellt am
31. 10. 11

Rauer Wind vom Schwarzen Meer weht europäischen und US-Exporteuren ins Gesicht
Wien (bmlfuw/aiz) - Die internationalen Getreidemärkte stehen zurzeit im Zeichen reger und billiger Exporte aus den Schwarzmeerländern, großer Ernten und ebensolchen Verbrauchs sowie der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft. Dies trifft sowohl auf die Terminmärkte zu, hier stellt sich die Frage, wie es nach dem Euro- und Griechenland-Rettungspaket der EU mit den Finanzmärkten und der Risikolust von Investoren weitergeht, sowie auf die physischen Märkte, wo die Frage lautet, wie eine Rezession oder doch ein weiterer Wirtschaftsaufschwung die Rohstoffmärkte und die Nachfrage nach Getreide und Ölsaaten im Speziellen beeinflussen werden. So konnte sich der November-Weizenfutures an der Pariser Euronext zuletzt bei sehr geringen Schwankungen von seinem Mehrmonats-Tief Anfang Oktober langsam und leicht auf knapp unter der Marke von EUR 190,- pro t befestigen. Ein neuerliches Problem für den EU-Weizen im Export könnte die Wiedererstarkung des Euro darstellen, der zuletzt wieder mehr als USD 1,40 wert war.

An den internationalen Terminbörsen ging im letzten Monat der ehemaligen Kurslokomotive Mais etwas der Dampf aus, doch erholte auch er sich im Oktober von dem durch plötzlich aufgetauchte Lagerbestände und prognostizierten Verbrauchseinbrüchen Ende September erlittenen Absturz. Heftige Maisimporte Chinas sowie ständig nach unten revidierte Erntezahlen in den USA sowie zuletzt dort kolportierte Gerüchte, die Verbilligung verhelfe dem Mais bei den US-Ethanolblendern zu doch größerem Verbrauch als angenommen und verenge die ohnehin dramatische Stock to Use-Ratio der Vereinigten Staaten auf eine Größenordnung um nur mehr 5%, halfen den Maisnotierungen trotz einer global zu erwarteten Rekordernte 2011/12 jüngst fundamental. Die Rede ist von bis zu 4 Mio. t weniger Ernte und 2,5 Mio. t mehr Versprittung.

Der Ölsaatensektor erhielt Unterstützung durch eine gegenüber dem Vorjahr kleinere Ernte, insbesondere an Soja in den USA, sowie solider Nachfrage aus Asien mit China an der Spitze. Dem Weizen hilft ein überdurchschnittlich starker Nachfrage- und Verbrauchszuwachs für die menschliche Ernährung, nicht zuletzt wegen der massenhaft billigen Angebote aus den Schwarzmeerländern, und angesichts einer global komfortablen Versorgungsbilanz ein im höherwertigen Segment doch sehr enges Angebot bei reichlicher Versorgung mit Futter- und einfachen Brotweizen. Etwas gebremster wird zurzeit der Nachfragezuwachs beim Weizen für Verfütterung und industrielle Verwertung gesehen.

Rauer Wind vom Schwarzen Meer weht europäischen und US-Exporteuren ins Gesicht
Den rauen Wind vom Schwarzen Meer weht vor allem den Exporteuren aus der EU und den USA ins Gesicht. Die staatliche Getreideaufkaufsagentur GASC des global gesehen größten Weizenimporteurs der Welt, Ägypten, mit jährlich rund 10 Mio. t Einfuhrbedarf, öffnete ihre Ausschreibungen zwar jüngst auch für Weizen aus der Ukraine, doch kommt weiterhin ausschließlich Russland als Lieferant zum Zug. Mit der Zulassung der Ukraine als Bieter setzte GASC offensichtlich bewusst ein noch schärferes Wettrennen der Anbieter um den besten Preis in Gang. Die jüngsten noch aggressiveren Preisgebote der Russen scheinen diese Taktik aufgehen zu lassen. Den Europäern gaben die Ägypter ebenfalls zu verstehen, sie müssten mit ihrem Weizen noch deutlich billiger werden, um im Land am Nil ein Leibchen reißen zu können. Zur Wettbewerbsverzerrung tragen nicht zuletzt auch mehr oder minder versteckte Subventionen der Schwarzmeerländer für ihren Getreideexport bei. So verhelfen Russland und Kasachstan den Exporteuren mit der Subvention des Bahntransports zu den Exporthäfen mit dazu, derart billig anbieten zu können.

So erreichen nach Berichten der EU-Kommission im Verwaltungsausschuss in Brüssel am Donnerstag die Weizenexporte der EU in dieser Saison gerade einmal die Hälfte der Vorjahresmenge. Bis zum 25.10. summierten sich die Weizenausfuhren der EU-27 auf 4,5 Mio. t, im Vergleich zu 8,1 Mio. t im Vorjahr. Die EU-Kommission informierte weiters, dass auch die Wochenziehungen bis zum 25.10. mit gerade einmal 163.000 t Weizenlizenzen für die Ausfuhr eher mäßig ausfielen. Auch die USA brachten es in der abgelaufenen Berichtswoche nur auf 317.000 t Weizenexport.

Den Gegenwind in den Gesichtern der Europäer und Amerikaner verdeutlichen auch die jüngsten Geschäftsabschlüsse auf dem Weltmarkt, die von Ländern außerhalb der EU bestritten werden. China habe 500.000 t Weizen in Australien gekauft und zahlte für die Ware, die im Jänner und Februar verschiffet werden soll, zwischen USD 275,- und 280,- (EUR 195,90 und 199,46) pro t c&f. Ägypten habe ein Geschäft mit Russland über 120.000 t Weizen abgeschlossen, zu USD 243,- (EUR 173,10) pro t fob und USD 16,- (EUR 11,40) pro t Fracht, hieß es weiter. Laut Agenturmeldungen habe das billigste französische Weizenangebot um umgerechnet EUR 21,16 pro t über dem russischen gelegen. Abzüglich von rund EUR 4,- pro t fobing-Kosten errechnet sich daraus ein Preis für den französischen Weizen von EUR 194,70 pro t , was gut der November-Notierung an der Euronext in Paris entspricht. Die Ukraine soll laut Reuters preislich umgerechnet um EUR 4,83 pro t und Argentinien mit seinem Plata-Weizen sogar um EUR 22,26 pro t fob über den Russen gewesen sein.

Zudem soll laut EU-Kommission Jordanien 100.000 t Weizen aus der Ukraine zu USD 286,-bis 288,- (EUR 203,73 bis 205,16) pro t c&f beziehen. Schließlich kaufte der Irak 350.000 t Weizen aus Kanada, Russland und Australien, ohne dass die Kommission Preise nannte. Die Ukraine schloss laut Reuters dieser Tage nach über einem Jahr wieder eines der ungewöhnlichen Maisexportgeschäfte mit dem fernen Japan ab. Demnach sollen die Japaner einen Panamax-Frachter, das sind Schüttgut-Schiffe mit bis zu 60.000 t Ladekapazität, mit Mais zu angeblich USD 260,- bis 264,- (EUR 185,21 bis 188,61) pro t fob gebucht haben.

Unklare Getreidemarkteingriffe der Schwarzmeer-Staaten und Logistikprobleme
Während Russland im weiteren Saisonverlauf trotz bis zu 95 Mio. t Getreideernte - nach 60,9 Mio. t 2010/11 - auf die Exportbremse steigen könnte, dürfte die Ukraine nach der Aufhebung ihrer Exportzölle nun erst so richtig aufs Gas steigen wollen. Die oft überraschenden staatlichen Eingriffe der Länder rund ums Schwarze Meer und deren ebenso oft unberechenbaren Beendigungen sowie Logistikprobleme machen diese Länder jedoch als Handelspartner schwer berechenbar und lassen bisweilen an ihrer Zuverlässigkeit zweifeln.

So wolle laut jüngsten Berichten Russland trotz seiner sehr guten Ernte 2011/12 keine Intervention auf dem Getreidemarkt in den bisher gewohnten Formen vornehmen, aber dafür hat die Regierung erstmals staatliche Ankäufe mit der Möglichkeit für die Produzenten vorgesehen, die Ware später zurück zu erwerben, erklärte Ministerpräsident Wladimir Putin diese Woche bei einem Treffen mit Landwirten in der wichtigen südrussischen Erzeugerregion Stawropol. Putin bestätigte außerdem, dass aus dem Land in diesem Wirtschaftsjahr nicht mehr als 24 Mio. t bis 25 Mio. t Getreide ausgeführt werden dürfen. Dabei warnte er Exporteure vor dem Abschluss von Verträgen über unmäßige Mengen. Sie sollten sich darauf einstellen, dass beim Erreichen der Höchstgrenze prohibitive Exportzölle eingeführt würden.

Kasachstan will aus seinen 22 bis 23 Mio. t Getreideernte 2011/12 mehr als 15 Mio. t auf den Weltmarkt ausführen. Allerdings fehlen dem zentralasiatischen Land laut agrarzeitung.de bis zu 2 Mio. t Silokapazität und Waggonmaterial für den Eisenbahntransport zu den Schwarzmeerhäfen Russlands- denn davon haben die Russen selbst zu wenig, um mit ihrem Getreide zu den Exporthäfen zu kommen. Als erste Folge des Exportstaus sind in Kasachstan die Getreidepreise verfallen.

IGC revidiert weltweite Getreideernten und Verbrauchszahlen nach oben
Der in London ansässige Internationale Getreiderat IGC revidierte am Donnerstag in seiner Oktober-Ausgabe des "Grain Market Report" die weltweiten Produktionszahlen von Getreide aller Arten, und Weizen und Mais im Besonderen für 2011/12 gegenüber dem Vormonat nach oben und stellte dem beim Mais und Getreide insgesamt auch nach oben korrigierte Verbrauchszahlen entgegen, während nur beim Weizen der globale Konsum etwas zurückgenommen wird. Siehe dazu auf www.aiz.info unten stehende Tabelle "IGC-Weltgetreidebilanzen Oktober 2011".

Außer beim Weizen findet 2011/12 trotz Rekord-Maisernte weiterer Bestandsabbau statt
In seinem Marktausblick für 2011/12 hält der IGC über alle Getreidearten hinweg fest, wegen höherer als bisher prognostizierter Anfangsbestände und größerer Weizen- und Maisernten habe sich die Prognose für die weltweite Getreidebilanz im Monatsabstand etwas entspannt, bleibe aber mit einem Bestandsabbau um weitere 8 Mio. t im zweiten Jahr in Folge negativ. Aus den IGC-Zahlen errechnet sich ein Verhältnis von Endbeständen zu Verbrauch für die laufende Saison von 19,69%, also knapp unterhalb der als Bullenstimmung auslösend geltenden 20%-Marke. Deutlich über den 20%, nämlich bei an sich als bearish geltenden 29,84% setzt der IGC die Ratio zwischen Verbrauch und Endlagern beim Weizen an. Die Londoner Experten revidierten gegenüber dem September die weltweite Weizenernte um 5 Mio. t auf die historisch zweitgrößte Menge von 684 Mio. t hinauf. Bei einem auf 677 Mio. t geschätzten Verbrauch bauen sich die Lagerbestände 2011/12 um 7 Mio. t erstmalig seit 2001/02 wieder auf mehr als 200 Mio. t auf.

Beim Mais erwartet die Welt sogar eine absolute Rekordernte von 855 Mio. t, nachdem man vor einem Monat noch an 10 Mio. t weniger geglaubt hat. Dem steht aber ein ebenso stolzer und ebenfalls binnen vier Wochen um 10 Mio. t nach oben revidierter Maisverbrauch von 863 Mio. t gegenüber, der letztlich die Endbestände heuer um weitere 8 Mio. t auf ein Fünfjahres-Tief von 123 Mio. t oder ein mageres Verhältnis von 14,25% zum Verbrauch schrumpfen lässt. Eine Grenze setzt dem zügellosen Maisverbrauch in der Verfütterung vor allem in China und der EU die Konkurrenz durch Billigweizen.

Österreich: Am Kassamarkt bleiben hohe Qualitäten geschätzt
Am 26.10. fand wegen des Nationalfeiertags an der Wiener Produktenbörse keine Notierungssitzung statt. Zum jüngsten Marktverlauf war von Händlern zu hören, dass beim Weizen hohe Qualitäten bei zwar kleinem Handelsvolumen dennoch Schätzung und Nachfrage gefunden hätten und ihre Preise verteidigten. Lediglich Qualitätsweizen habe gemäß dem in Österreich üblichen zyklischen Geschäftsverlauf zuletzt eine schöpferische Pause eingelegt.

Einfachere Weizenqualitäten, das heißt Mahl- und Futterweizen, stünden dagegen aber "von links und rechts" weiterhin unter Druck. Dies betreffe nicht nur Geschäfte zur prompten Lieferung, sondern auch auf Termin in das nächste Kalenderjahr hinein.

Ruhig sei es am Roggenmarkt zugegangen, wobei sich auch Partien mit schwächeren Fallzahlen als durchaus von guter Qualität herausstellen würden. Und "Stille" wird bei Durum und Braugerste berichtet.

Indes neigt sich die Nassmaisernte ihrem Ende zu, wobei aus den späten Druschgebieten der Steiermark sehr gute Erträge gemeldet werden. Dennoch hätten die Nassmaispreise zuletzt dem Kampagneverlauf entsprechend aber wieder leicht angezogen. Es steht aber offensichtlich nur mehr wenig Mais auf den Feldern. Der Trockenmaismarkt sei zuletzt noch ruhig geblieben, vor allem Verkäufer und Stärkeindustrie müssten sich erst noch in ihren Preisvorstellungen annähern, hieß es. Europaweit wird mit Rekord-Maiserträgen gerechnet, so erwartet Frankreich bis zu 16 Mio. t, allerdings auch mit unüblicherweise hohen Exportzahlen, da die EU gemeinsam mit der Ukraine als billigster Anbieter am Weltmarkt gelte.
     
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