Europäische Währungsunion in der Krise   

erstellt am
23. 12. 11

Wien (wifo) - In den vergangenen zwei Jahren war in der EU ein kräftiger Aufschwung zu verzeichnen, sodass der Eindruck entstand, die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sei überwunden. Dieser Eindruck war aber trügerisch: Sie war nicht überwunden, sondern in eine Krise des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen übergegangen. Die "Eurokrise" verschärfte sich in den vergangenen Monaten merklich und bildet mittlerweile das größte Risiko für die Weltwirtschaft.

Die Weltwirtschaft erholte sich in den vergangenen zwei Jahren uneinheitlich, aber relativ kräftig. In der EU war die Aufwärtstendenz allerdings wesentlich schwächer ausgeprägt als in den anderen Wirtschaftsräumen. Dank der lebhaften Exporte - insbesondere von Deutschland - in die Schwellenländer war in einigen Ländern des Euro-Raumes ein kräftiger Aufschwung zu verzeichnen, der im Frühjahr 2010 den Eindruck entstehen ließ, die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/09 sei überwunden und beträfe nur mehr einige "periphere" Länder, überwiegend in Südeuropa, die ein hohes Budgetdefizit und/oder eine hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte aufweisen. Dieser Eindruck war trügerisch: Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise war nicht überwunden, sondern in eine Krise des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen übergegangen. Diese dämpfte das Wachstum und verhinderte einen selbsttragenden Konjunkturaufschwung im Euro-Raum. Die Krise der europäischen Währungsunion verschärfte sich in den vergangenen Monaten merklich und bildet mittlerweile das größte Risiko für die Weltwirtschaft. Alle Versuche der EU-Regierungen, die Krise zu bewältigen, sind bisher gescheitert.

Die Eckpunkte einer umfassenden Lösung der Krise sind folgende: Wie erstens die jüngsten Entwicklungen zeigen, ist eine zumindest teilweise gemeinschaftliche Haftung der Länder des Euro-Raumes für Staatsschulden die wichtigste Voraussetzung für die Wiederherstellung des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen. Sie kann über einen Ausbau des Rettungsschirmes, die Ausgabe von Eurobonds oder durch Bereitstellung von Liquidität durch die EZB gewährleistet werden. Zweitens müssen die Rückkoppelungen zwischen Vertrauenskrise und Realwirtschaft unterbrochen werden. Dies sollte über Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur anstelle von immer neuen, kurzfristigen Sparbemühungen erfolgen. Eine europaweit koordinierte Vorgangsweise würde die Wirkung dieser Maßnahmen erhöhen. Drittens muss mit langfristig wirksamen Maßnahmen - z. B. durch Reformen der öffentlichen Verwaltung, des Pensions- und Gesundheitssystems - versucht werden, die öffentliche Verschuldung in der Zukunft zu begrenzen. Gerade die gemeinschaftliche Haftung für Schulden bringt die Notwendigkeit mit sich, den Anreiz für eine stärkere Neuverschuldung auf Kosten anderer Länder zu verringern. Zusätzlich sollten die aktiven Elemente der Strategie Europa 2020 - Bildung, Innovation, Umwelttechnologien usw. - nicht vernachlässigt werden, um das langfristige Wachstum nicht zu gefährden.

Diese Maßnahmen erfordern eine deutliche Änderung der bisherigen Krisenstrategie. Sollte die Eurokrise jedoch nicht rechtzeitig gelöst werden, droht eine langjährige Phase schwachen Wachstums und hoher Arbeitslosigkeit. Je später die Umsetzung einer umfassenden Lösung erfolgt, desto teuer werden die Maßnahmen. Im äußersten Fall droht sogar der Zerfall oder eine Spaltung der Währungsunion. Das würde erhebliche Schockwellen im Finanz- und Bankensystem auslösen, das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit der Euro-Staaten massiv beeinträchtigen und die Unsicherheit der privaten Haushalte und Unternehmen dramatisch erhöhen. Ein solcher Schock würde die Realwirtschaft des Euro-Raumes schwer treffen und hätte gravierende Implikationen für die Weltwirtschaft.
     
zurück