Was das neue Jahr bringt   

erstellt am
27. 12. 11

Soziologe der Uni Graz untersucht Methode der Trendforschung
Graz (universität) - Welche Trends und Entwicklungen das kommende Jahr formen und beherrschen werden, ist Ende Dezember traditionell ein vieldiskutiertes Thema. Was oft reine Zukunftsmusik ist, lässt sich jedoch mit einer wissenschaftlichen Methode schätzen – mit der „Delphi-Befragung“. Mag. Christian Dayé vom Institut für Soziologie der Karl-Franzens-Universität Graz hat die Entwicklung dieses Verfahrens nachgezeichnet und wurde dafür heuer mit dem Preis des Theodor-Körner-Fonds für vielversprechende wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet.

„Diese Methode, benannt nach dem Orakel aus der griechischen Antike, avancierte zu einer der bedeutendsten Techniken der Zukunftsforschung oder Futurologie“, erklärt Dayé. Sie wurde an der amerikanischen Denkfabrik „RAND-Corporation“ in den 1950er Jahren entwickelt und erfuhr eine erste Blütezeit während des Kalten Krieges. „Das Gegenüber, seine Denk- und künftigen Verhaltensweisen abschätzen zu können, wurde damals zu einer existenziellen Angelegenheit“, so der Forscher. Die Futurologie sollte die gesellschaftliche Nachfrage nach Orientierungswissen stillen.

Das Delphi-Verfahren wird vorrangig bei fiktiven Fragestellungen eingesetzt. So befasste sich die erste Delphi-Studie mit einem aus damaliger Sicht vorstellbaren Atomerstschlag der Sowjetunion gegen die USA. Kernstück der Methode ist das Sammeln und Gegenüberstellen einzelner Prognosen von ExpertInnen, die ihre Einschätzungen samt sachlicher Begründung anonym abgeben. Die ExpertInnen dürfen angesichts der Einschätzung der anderen ihre Meinung so lange ändern, bis sich eine weitgehende Übereinstimmung herausbildet. Doch was, wenn sich keine Übereinstimmung ergibt? Dayé erklärt: „Die Erkenntnisse der Delphi-Methode sind letztlich nichts anderes als die Summierung von Meinungen und haben daher mit einem traditionellen, engen Verständnis von Wissenschaft relativ wenig gemein.“

Obwohl auch die Methode hinterfragt werden sollte – etwa wie viel der Konvergenz erst durch die Vorgehensweise selbst, also durch das wiederholte Fragen, produziert wird – kann sie dennoch als grober Leitfaden für Trends und Entwicklungen gesehen werden, so der Forscher, der aber gleichzeitig zur Vorsicht mahnt: Eine im Jahr 1963 für das Jahr 1985 vorausgesagte erste bemannte Marslandung hat beispielsweise bis heute nicht stattgefunden. Dayé: “Wissenschaft ist eben kein Orakel.“
     
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