Industrie: Schwieriges konjunkturelles Fahrwasser   

erstellt am
26. 01. 12

IV-GS Neumayer: Konjunkturelle Störfaktoren fordern ihren Tribut – Dürfen jetzt keine strukturellen Fehler machen
Wien (pdi) - Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verringert sich abermals von +17 Punkten im Vorquartal auf nunmehr +15 Punkte. „Wenngleich sich die konjunkturelle Abschwächung in der österreichischen Industrie im vierten Quartal 2011 fortgesetzt hat, hat sich ihr Tempo in den letzten Wochen doch deutlich verlangsamt“, fasst der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, das Hauptergebnis der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung zum 4. Quartal 2011 zusammen. „Erwartungsgemäß pausiert der Aufschwung derzeit, doch auf Basis der letztverfügbaren Daten erscheint ein erneuter konjunktureller Fadenriss zunehmend unwahrscheinlich, sofern eine institutionelle Krise der Europäischen Union abgewendet werden kann. Zudem steht die konjunkturelle Stabilisierung unter dem wesentlichen Vorbehalt einer standortpolitisch kompatiblen Politikgestaltung im Inland“, so Neumayer.

Neumayer betonte angesichts der sensiblen konjunkturellen Lage, „wir benötigen kluges Sparen, um in die Zukunft investieren zu können. Wir können jetzt aber keine Wachstumsbremse brauchen: Wir sind einer der wenigen Staaten in Europa, die noch die Chance auf Wachstum haben, dieses Pflänzchen dürfen wir auch auf Blickrichtung der dringend erforderlichen Budgetkonsolidierung nicht durch eine Steuerlawine absterben lassen.“ Gerade jetzt – nach dem Downgrading – dürften keine strukturellen Fehler gemacht werden – „das heißt insbesondere auch keine Erhöhung der Arbeitskosten und weitere steuerliche Belastungen für Unternehmen und Leistungsträger. Neue Steuern vernichten Arbeitsplätze und Wohlstand – das sei gerade auch den Arbeitnehmervertretern von ÖGB und AK ins Stammbuch geschrieben“, so der IV-Generalsekretär.

Die Ergebnisse im Detail
In den vergangenen Wochen setzte, ausgehend von den USA, ein Stimmungsumschwung in der Realwirtschaft ein. Während die supranationalen Institutionen nach wie vor Abwärtsrevisionen ihrer Prognosen für 2012 und 2013 vornehmen, hat in der Industrie eine etwas optimistischere Einschätzung der internationalen Konjunkturaussichten Platz gegriffen. Die Aktienmärkte reflektieren diesen Stimmungswechsel einstweilen durch leichte Kursavancen.

Obwohl der konjunkturelle Gegenwind in den vergangenen Monaten weiterhin beträchtlich stark war, berichten in Österreich 41% der Unternehmen von einem nach wie vor guten Geschäftsverlauf. Mit einem schlechten Geschäftsgang waren hingegen 9 % der Unternehmen konfrontiert, sodass die Einschätzung der derzeitigen Geschäftslage in der Industrie mit +32 Punkten noch im Bereich einer konjunkturellen Normallage angesiedelt ist.


Die sich andeutende konjunkturelle Stabilisierung bringt die Erwartungskomponente mit Sechs-Monats-Horizont zum Ausdruck, welche sich aus negativem Territorium von -16 Punkten auf einen Wert von -2 Punkten verbessert. „Somit leistet die österreichische Industrie der erheblichen Eintrübung des internationalen Konjunkturumfeldes bereits seit mehreren Quartalen einen hohen Tribut. Dennoch steht Österreich aufgrund der Leistungsfähigkeit seiner Industrie deutlich besser da als der Durchschnitt der Eurozone,“ so IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein. „Die Konjunktur befindet sich seit dem vierten Quartal in einer stagnativen Phase am Rande der Rezession. Sollten meteorologische und vor allem politische Unwägbarkeiten nicht schlagend werden, besteht für die stabilitätsorientierten Länder der Eurozone die Chance auf eine konjunkturelle Frühjahrsbelebung nach der Winterstagnation.“

In Fortsetzung des Rückgangs bei den Auftragsbeständen bildet sich der betreffende Indikator von +46 Punkten auf nunmehr +35 Punkte zurück. Zugleich hat sich der Anteil der Unternehmen mit einem unzureichenden Auftragsbestand von 6 % auf 10 % weiter erhöht. Die Auftragsreichweite nimmt weiterhin ab – allerdings erfährt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten in den vergangenen Wochen Unterstützung von der schwachen Entwicklung des Außenwertes der europäischen Gemeinschaftswährung. Zudem stabilisiert die wiedergewonnene Widerstandskraft der deutschen Industrie die Orderlage, sodass sich der Saldo bei den Auslandsaufträgen in deutlich geringerem Ausmaß als zuvor von +35 auf +30 Punkte verringert.

Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive wäre vor dem Hintergrund einer angesichts der hohen konjunkturellen Unsicherheit vorsichtigen Produktionsplanung bei einer Stabilisierung der Rahmenbedingungen auch in saisonbereinigter Betrachtung die Chance auf eine moderate Ausweitung der Ausbringungsmenge (Saldo von +19 Punkten nach +4 Punkten) gegeben. Unterstützend wirkt auch, dass sich der in den Büchern stehende Auftragsbestand anders als während der zweiten Jahreshälfte 2008 als weitgehend tragfähig erwiesen hat.

Die konjunkturelle Stagnation spiegelt sich bei der Beschäftigungsdynamik in der Industrie als nachlaufende Variable wider. Während die Einstellungsneigung bei jedem siebten Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels nach wie vor aufrecht ist, rechnet ein Viertel der Unternehmen mit Stellenstreichungen.

Auf der Erlösseite wird es den Unternehmen vor dem Hintergrund der Wachstumsabschwächung in den kommenden Monaten im Durchschnitt nach wie vor kaum möglich sein, über steigende Verkaufspreise (Saldo +5 nach +3) Kostenüberwälzungen oder Ertragsverbesserungen zu erreichen.

Trotz der im vierten Quartal noch befriedigenden Kapazitätsauslastung verzeichnete die Ertragslage in der Industrie wegen des anhaltend hohen Kostendrucks sowie einer zum Teil schwächeren Mengenkonjunktur einen deutlichen Rückgang von +31 Punkten auf nunmehr +19 Punkte. Auf Sicht von sechs Monaten verstetigen sich die Ertragserwartungen der Unternehmen – eine solche Stabilisierung der Ertragslage ist makroökonomisch vonnöten, da die Investitionsneigung der Unternehmen unterhalb des nunmehr erreichten Niveaus in der Vergangenheit rapide abgenommen hat.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 414 Unternehmen mit rund 270.700 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
     
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