Agrarrat: Geplante Markt-Liberalisierungen stoßen weiterhin auf Widerstand   

erstellt am
25. 01. 12

Berlakovich tritt für eine Verlängerung von Zuckerquoten und Wein-Pflanzrechten ein
Brüssel/Wien (bmlfuw) - Eine erste Aussprache über eine Reform der aktuellen Marktordnungen prägte den EU-Agrarrat am 23.01. in Brüssel. Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten spricht sich für die Beibehaltung der EU-Zuckerquoten aus. Ein Großteil der EU-Agrarminister betrachtet die Marktinstrumente Intervention und Private Lagerhaltung für die künftige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) als unentbehrlich. 13 Mitgliedstaaten wehren sich gegen ein Auslaufen der Wein-Auspflanzrechte ab 2015, darunter auch Österreich. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich forderte die Zuckerquoten bis nach 2020 aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig appellierte er, auch die EU-Weinauspflanzungsrechte bis 2017/2018 zu verlängern. "In beiden Fällen sind Sicherheitsnetze auf den Agrarmärkten unter anderem wegen starker Preisschwankungen notwendig", betonte Berlakovich.

In einer öffentlich übertragenen Debatte über die Reform der Agrarmarktordnungen erläuterte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos sein Konzept, nachdem im Normalfall Angebot und Nachfrage die Agrarmärkte steuern sollen. Lediglich für Krisenfälle sieht er ein Sicherheitsnetz vor, das aber ausgebaut werden soll. Ciolos möchte mit der Intervention und mit der Privaten Lagerhaltung Mindestpreise gewährleisten. Zudem soll es eine Absicherungsmöglichkeit für Gewinnmargen von Landwirten geben.

Die EU-Mitgliedstaaten sind wie üblich in ein liberales Lager und in die Vertreter von starken Agrarmarktordnungen gespalten. Die Liberalen kritisieren am Kommissionvorschlag Elemente einer Rückkehr zur alten Agrarpolitik. Sie lehnen die Möglichkeiten zu Preis- und Mengenabsprachen für Erzeugergemeinschaften ab und möchten das Kartellrecht für Landwirte keinesfalls einschränken. Andere Mitgliedstaaten begrüßen eine verbesserte Stellung von Landwirten in der Vermarktungskette durch Erzeugerorganisationen und Branchenverbände. Allerdings sprachen sich zahlreiche Minister für nationale Lösungen aus, da die Lage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich sei. Einige osteuropäische Mitgliedstaaten möchten über höhere Interventionspreise verhandeln. Die Slowakische Republik argumentierte, für Länder ohne Seehafen müsse es besondere Bedingungen für die Intervention von Getreide geben.

Zuckerquote bis 2020? - Karpfinger signalisiert Optimismus
Die Zukunft des Quotensystems für Zucker gehört ebenfalls zu den umstrittenen Punkten der anstehenden EU-Agrarreform. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Quote 2015 zu beenden. Zahlreiche EU-Mitgliedstaaten möchten die Quoten bis 2020 fortführen, andere möchte sie sofort abschaffen. Zu den Gegnern der Mengenbeschränkungen für den Rübenanbau in der EU gehören nicht nur die liberal gesinnten Mitgliedstaaten, wie das Vereinigte Königreich. Auch Irland und Lettland setzten sich in der Debatte für eine baldige Abschaffung der Quoten aus. Zahlreiche andere EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, halten dagegen an der Zuckerquote fest, zumindest bis 2020.

Der Präsident des österreichischen Berufsverbandes "Die Rübenbauern", Ernst Karpfinger, begrüßte gegenüber aiz.info, dass sich mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hinter die Forderung nach Verlängerung der Zuckerquoten stelle. Nachdem auch das Europäische Parlament die Fortführung der Quoten bis 2020 fordere und bei der Neugestaltung der GAP erstmalig volles Mitspracherecht habe, sei er durchaus zuversichtlich, dass sich die Kommission mit ihrem Vorschlag des Auslaufens der Quoten 2015 nicht durchsetzen werde. "Wir müssen dafür allerdings noch viel Überzeugungsarbeit leisten, dass diese Mehrheit noch breiter wird", so Karpfinger.

Wein: 13 Länder gegen Abschaffung der Auspflanzrechte
Breite Unterstützung gibt es von den Mitgliedstaaten für die Gründung einer hochrangigen Arbeitsgruppe für Wein, die sich als Forum mit der Zukunft des Weinsektors beschäftigen wird. Insgesamt sprechen sich neben Österreich zwölf weitere Mitgliedstaaten, darunter bedeutende Weinproduktions-Länder wie Frankreich, Italien und Portugal, für eine Verlängerung der Auspflanzrechte nach 2015 aus. Empfehlungen der Arbeitsgruppe werden für Ende 2012 erwartet, wie Ciolos bestätigte.

Weiterer Stein des Anstoßens sind Exporterstattungen, die die Kommission beibehalten möchte. Der niederländische Landwirtschaftsminister Henk Bleker betonte, die für Entwicklungsländer schädlichen Erstattungen gefährdeten den Ruf der GAP. EU-Agrarkommissar Ciolos entgegnete, die Ausfuhrhilfen würden de facto ohnehin auf ein Minimum reduziert. Aber bevor sich die Handelspartner der EU nicht bewegten, sei er nicht zu einseitigen Zugeständnissen bereit. Frankreich lobte während der Aussprache den Nutzen von Exporterstattungen.

Copa-Cogeca appelliert für verstärkte Marktregulierungen
Für eine Verlängerung der Pflanzrechte im Weinsektor sowie der Produktionsquoten bei Zucker sprachen sich auch die EU-Landwirte- und Genossenschaftsverbände Copa-Cogeca aus. "Im Weinsektor müssen die Pflanzrechte erhalten bleiben, um einen ausgewogenen Weinmarkt sicherzustellen und die Beschäftigung in ländlichen Gebieten zu wahren", betonte Copa-Cogeca-Generalsekretär Pekka Pesonen, der auch Maßnahmen wie Intervention und Private Lagerhaltung eine große Bedeutung beimisst.

"Übermäßig starke Volatilität verzerrt die Märkte, ruiniert die Landwirte und destabilisiert die Ernährungsindustrie, wobei insbesondere weniger entwickelte Länder hart getroffen werden. Im Rahmen der künftigen GAP müssen weit stärkere Maßnahmen der Unterstützung der Landwirte und landwirtschaftlichen Genossenschaften bei der Marktverwaltung vorgesehen werden als von der Kommission vorgeschlagen wurde", ergänzte Cogeca-Präsident Paolo Bruni.

Verbessertes Krisenmanagement
Viele Länder forderten von der Kommission wirksame und effiziente Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Luxemburg begrüßte den Kommissions-Vorschlag, Nachfrage-Einbrüche aufgrund von Verbraucherängsten um ihre Gesundheit und Sicherheit mit Maßnahmen, die künftig für alle landwirtschaftlichen Produkte gelten sollen, zu bewältigen. Darüber hinaus forderte Frankreich von der Kommission besondere Maßnahmen, die für alle Arten von Krisen anwendbar sind.

Slowenien schlug ein permanentes Krisen-Management-System vor, das durch einen Preisanpassungs-Mechanismus auf Marktbedingungen reagieren würde. Daneben sollte eine Promotion-Kampagne den Sektor in kritischen Situationen wiederbeleben. Finnland sagte, die EU solle sich auf Verknappungen einzelner landwirtschaftlicher Produkte, wie die aktuelle Zuckerknappheit, konzentrieren. Zypern forderte auch für den Kartoffel-Sektor Krisenbewältigungs-Maßnahmen. Kritik äußerten viele Mitgliedstaaten über einen Fonds für landwirtschaftliche Krisen, der außerhalb des eigentlichen Haushaltsplans liegt.

Schweine-Gruppenhaltung muss konsequent umgesetzt werden
EU-Verbraucherkommissar John Dalli stellte während des Agrarrates seine Tierschutzstrategie vor. Diese sieht vor, mit Bildungs- und Informationskampagnen für Landwirte das Wohlergehen der Tiere über bestehende Rechtsvorschriften hinaus zu steigern. Die EU-Mitgliedstaaten reagierten überwiegend positiv, allerdings mit leicht unterschiedlichen Akzenten. Schweden und Dänemark merkten an, Kontrollen und Ausbildung reichen nicht. Die Skandinavier fordern schärfere Gesetze, so etwa eine Verkürzung der Transportzeit von Tieren. Frankreich und Spanien warnten dagegen vor neuen Auflagen für den Tierschutz, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft gefährdeten. Kommissar Dalli betonte, die ab dem 01.01.2013 verbotene Einzelhaltung von Zuchtsauen müsse unbedingt eingehalten werden. Die Kommission werde dafür sorgen und wolle eine erneut mangelnde Umsetzung wie bei den Käfigen für Legehennen unbedingt vermeiden.

Schmallenberg-Virus: Vorerst keine Meldepflicht
Unter dem Tagesordnungspunkt "Sonstiges" beschäftigten sich die EU-Agrarminister mit dem Schmallenberg-Virus. Die Niederländer fordern eine europaweite Meldepflicht für den Schmallenberg-Virus. Die Kommission möchte dagegen zunächst abwarten, ob sich die Seuche weiter verbreitet. Der Schmallenberg-Virus infiziert Schafe, Ziegen und Rinder. Die ersten Fälle sind in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland aufgetreten. Im EU-Agrarrat informierte auch das Vereinigte Königreich über seine ersten vier Fälle der nach der Stadt im Sauerland benannten Tierkrankheit. In einigen EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits eine nationale Meldepflicht. Die EU-Kommission fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, untereinander zu kooperieren, lehnt eine Meldepflicht in der EU aber noch ab. Sie argumentierte, die Saison für die Mücken, die den Virus übertragen, habe noch nicht begonnen. Die Kommission möchte zudem Konflikte mit den Handelspartnern außerhalb der EU vermeiden.
     
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