Suchtgefahr?   

erstellt am
25. 01. 12

Grazer Sozialpädagoge entwickelte Kriterien zur Unterscheidung zwischen „normalem“ und riskantem Drogenkonsum bei Jugendlichen
Graz (universität) - Alkohol, Nikotin, Cannabisprodukte, Designerdrogen – Jugendliche probieren gerne vieles aus. Gerät der Konsum außer Kontrolle, droht Abhängigkeit. Ob jemand gefährdet ist, in die Sucht abzurutschen, ist in vielen Fällen schwer zu erkennen, vor allem, wenn ein geeignetes Diagnosekonzept zur (Früh-)Erkennung fehlt. Dr. Martin Riesenhuber hat im Rahmen seiner Dissertation am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz nun erstmals Kriterien für ein Diagnosemodell entwickelt, das psychosoziale und entwicklungspsychologische Aspekte des Jugendalters berücksichtigt. Damit sollen SozialpädagogInnen in der Lage sein, „normalen“ von riskantem Drogenkonsum bei jungen Menschen zu unterscheiden.

„Bis dato gibt es für Jugendliche kein adäquates Diagnosekonzept“, weiß Martin Riesenhuber, der seit 13 Jahren in der Drogenberatung des Landes Steiermark arbeitet. Das führe dazu, dass junge Menschen, die Suchtmittel konsumieren, oft vorschnell zur Drogenberatung geschickt werden. „Die Betroffenen fühlen sich dabei falsch beurteilt und als Süchtige stigmatisiert. All das wirkt sich negativ auf die weitere Entwicklung aus“, erklärt der Sozialpädagoge. Für Jugendliche, die zum Beispiel in betreuten Wohngemeinschaften leben, sei die Folge von Drogenkonsum meist der Rausschmiss, was das Risiko, in die Abhängigkeit zu geraten, nur erhöht.

Ein zuverlässiges Diagnosekonzept könnte helfen, die Gefährdung von jungen Menschen richtig einzuschätzen und falsche Entscheidungen zu vermeiden. Das von Riesenhuber in seiner Dissertation vorgeschlagene prozessorientierte Konzept auf sozialpädagogischer Ebene soll zuerst mit Hilfe eines Screening-Instruments eine grobe Einschätzung ermöglichen: Dem/der Jugendlichen werden fünf Fragen zu den Bereichen „Entspannung“, „Dazugehörigkeit“, „FreundInnen“, „Familie“ und „Schwierigkeiten“ gestellt. Die Fragen, die mit ja oder nein zu beantworten sind, geben darüber Aufschluss, in welchem Bereich eine Gefährdung vorliegen könnte. „In der anschließenden Feindiagnose und Arbeit mit den Betroffenen konzentrieren sich die SozialpädagogInnen dann gezielt auf diese Bereiche“, informiert Riesenhuber. Wichtig sei in jedem Fall, dass die Jugendlichen in den Prozess aktiv mit einbezogen und als ExpertInnen für ihre eigene Lebenswelt ernst genommen werden.

Warum ein Diagnosekonzept für Erwachsene nicht einfach auch auf junge Menschen übertragen werden kann, erklärt Riesenhuber mit den speziellen entwicklungsbedingten Bedürfnissen von Jugendlichen: „Bei ihnen spielen zum Beispiel psychosoziale Aspekte eine viel wesentlichere Rolle als bei Erwachsenen, wie etwa Beziehungen innerhalb eines Freundeskreises.“ Die bestehenden klinischen Diagnosemodelle für Erwachsene nehmen darauf zu wenig Rücksicht. Stattdessen bewerten diese die körperlichen Aspekte stärker.

Demnächst wird Riesenhuber seine Arbeit vor ExpertInnen präsentieren. Er hofft auf Unterstützung, damit seine Vorschläge weiterentwickelt und in einem ganz neuen sozialpädagogischen Diagnosekonzept für Jugendliche auch umgesetzt werden können.

Neben seiner Arbeit in der Drogenberatung hält Martin Riesenhuber eine Lehrveranstaltung an der Universität Graz zum Thema „Konzeptentwicklung in der Sozialpädagogik“.
     
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