Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst 2012   

erstellt am
24. 01. 12

Brenner: Künstlerischer Austausch über politische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg
Salzburg (lk) - Vom 16. Juli bis 25. August 2012 geht heuer die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst (ISBK) über die Bühne. Die ISBK Salzburg, 1953 von Oskar Kokoschka als "Schule des Sehens" gegründet, ist die älteste ihrer Art in Europa. Jährlich besuchen mehr als 300 Teilnehmer/innen aus aller Welt die Kurse an den drei Kursorten Festung Hohensalzburg, Alte Saline Hallein und Kiefer Steinbruch in Fürstenbrunn. Die einzigartige Atmosphäre der Kursorte, die herausragende Qualität der Lehrenden und das hochkarätige Veranstaltungsprogramm mit Mittagsgesprächen, kunsthistorischen und -theoretischen Vorträgen, und Diskussionen, Vernissagen, Galeriegesprächen etc. ermöglichen eine intensive Auseinandersetzung mit der Produktion, Reflexion und Vermittlung von aktueller, zeitgenössischer Kunst.

Grundsätze, welche die ISBK so besonders machen, sind auch 2012 gleich geblieben. "So etwa die Tatsache, dass hier seit mehr als 50 Jahren der künstlerische Austausch über politische, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg gepflegt wird. Konzeptionelle Offenheit, künstlerisches Niveau, Internationalität und Vielsprachigkeit prägen seit Langem die besondere Arbeitsatmosphäre in der Sommerakademie. Dabei greifen Kunstproduktion, Diskurs und Präsentation gezielt ineinander. Die individuelle Förderung und Entwicklung der einzelnen Studierenden wird hier ebenso ernst genommen wie die Auseinandersetzung in der Gruppe", betonte Kulturreferent Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. David Brenner am 24.01. beim gemeinsamen Informationsgespräch mit ISBK-Direktorin Dr. Hildegund Amanshauser in Salzburg.

Das Motto der diesjährigen ISBK "In den Abgrund springen und sogleich wieder auftauchen" bezieht sich auf die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation, in der mehr denn je von Krisen und Chancen, Hoffnungen und Gefahren die Rede ist. "Zugleich kann dieses Motto aber auch als Metapher für die künstlerische Arbeit selber gelten. Denn diese ist immer auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Gerade hier an der Sommerakademie bietet die Kursstruktur nicht nur die Möglichkeit dazu, dies mit einem gut gespannten Sicherheitsnetz zu tun, sondern beim Wieder-Auftauchen auch so manchen Schatz zu heben, Abgründe zu erforschen, fremde Terrains zu betreten und neue Sprünge zu wagen", betonte Kulturreferent Brenner. Und weiter: "Die Geschichte zeigt, dass Krisen auch immer kreative Gegenbewegungen auslösen, dass gerade Krisen auch immer wieder Neues, bisher Un-Gewohntes, Un-Gedachtes und Un-Erwartetes hervorbringen. Und hier kommt der Kunst und damit auch Institutionen wie der ISBK eine besonders wichtige und wertvolle Aufgabe zu."

"Im vergangenen Jahr hat es zum ersten Mal einen Kurs gegeben, der sich mit Kuratieren und mit Ausstellungen beschäftigt und mit dem, was die kuratorische Praxis beinhaltet. Das war im vergangenen Jahr eine spannende inhaltliche Weiterentwicklung und Innovation. Und sie war überaus erfolgreich und wird 2012 nicht nur fortgesetzt, sondern ausgebaut. Heuer wird es gleich zwei Kurse zur kuratorischen Praxis geben", berichtete David Brenner weiters.

Vertrag der ISBK mit Österreichischer Mediathek
"Die Bedeutung der ISBK geht seit jeher weit über das eigentliche Kursprogramm und den aktuellen Kontext hinaus", so der Kulturreferent. Dies sei mit ein Grund dafür, dass die ISBK vor wenigen Tagen einen Vertrag mit der "Österreichischen Mediathek" abgeschlossen hat. Dieses zentrale Österreichische Audio- und Video-Archiv sammelt und bewahrt wichtige Zeitdokumente der österreichischen Geschichte.

Kulturreferent Brenner erläuterte: "In den vergangenen 20 Jahren entstanden bei der ISBK zahlreiche Audio- und Videomitschnitte von Vorträgen, Diskussionsveranstaltungen und besonderen Kursangeboten. Auch wenn viele dieser Mitschnitte in einem völlig anderen Kontext entstanden: Hier handelt es sich mittlerweile um wichtige gesellschaftspolitische und kunsthistorische Dokumente. Durch die nun fixierte Archivierung in der Österreichischen Mediathek werden diese Dokumente, die wertvolles österreichisches Kulturgut darstellen, technisch dauerhaft und professionell auch für kommende Generationen gesichert. Sie werden digitalisiert und für die interessierte Öffentlichkeit – oder eine wissenschaftliche Aufarbeitung – jederzeit zur Verfügung gestellt; wesentliche Teile davon auch im Internet."

Auf diese Art digital archiviert werden nun beispielsweise Vorträge des bekannten chinesischen Künstlers Ai Weiwei aus dem Jahr 2005 oder der iranischen Videokünstlerin Shirin Neshat sowie der deutschen Beuys-Schülerin Katharina Sieverding oder auch der österreichischen Ausnahmeerscheinung Valie Export.

Archiv für Tonaufnahmen und Videos aus Kultur- und Zeitgeschichte
Die Österreichische Mediathek ist "das" – sozusagen offizielle – österreichische Archiv für Tonaufnahmen und Videos aus Kultur- und Zeitgeschichte. Sie wurde 1960 als Österreichische Phonothek vom Bundesministerium für Unterricht gegründet und ist seit 2001 eine Abteilung des Technischen Museums Wien, einer wissenschaftlichen Anstalt öffentlichen Rechts des Bundes. Als Video- und Schallarchiv ist die Österreichische Mediathek verantwortlich für das audiovisuelle Kulturerbe Österreichs (ausgenommen sind davon Filme auf fotografischem Träger und die Fotografie).

Die Sammlungen der Österreichischen Mediathek umfassen vor allem die Themenbereiche Musik, Literatur, Geschichte, Politik und Wissenschaft. Die Dokumente schließen einen Zeitraum vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ein und umfassen Schellacks, Vinylplatten, Tonbänder, CDs, DVDs, unterschiedliche Videoformate usw. Besonders hervorzuheben sind unter anderem die Sammlungen des Österreichischen Instituts für den wissenschaftlichen Film (ÖWF), Mitschnitte der Nationalratssitzungen des Österreichischen Parlaments, die Sammlung Rot-Weiß-Rot mit Radiomitschnitten der Nachkriegszeit, die Sammlung Günther Schifter mit Schellacks der Zwischenkriegszeit, Mitschnitte ausgewählter Radio- und Fernsehsendungen, Oral History Interviews usw. Der gesamte Bestand der Österreichischen Mediathek ist für die Öffentlichkeit zugänglich (Präsenzarchiv). Teile des Bestandes können über das Internet (www.mediathek.at) benützt werden.

22 Kurse bei der Internationalen Sommerakademie 2012
Im kommenden Jahr leiten 28 Lehrende aus der ganzen Welt 22 Kurse auf der Festung Hohensalzburg, in der Alten Saline Hallein und im Kiefer Steinbruch Fürstenbrunn, die von zirka 300 Studierenden aus mehr als 40 Ländern besucht werden. Internationalität ist ein herausragendes Kennzeichen der Salzburger Sommerakademie; Vielfalt, Niveau und Vielsprachigkeit im wortwörtlichen Sinn prägen die dichte Arbeitsatmosphäre, in der Kunstproduktion, Diskurs und Präsentation ineinander greifen.

Anmeldeschluss für Kurse und Stipendien
Allgemeiner Anmeldeschluss zu den Kursen ist der 15. Mai 2012. Nachnominierungen sind je nach Kursbelegung auch später noch möglich. Informationen dazu findet man auf www.summeracademy.at. Die Kursbeiträge liegen je nach Kursdauer zwischen 450 und 1.070 Euro. Dafür werden zirka 70 Stipendien vergeben, die in der Regel die Kursgebühren abdecken. KulturKontakt Austria und The American Austrian Foundation (AAF) vergeben auch Reise- und Aufenthaltskostenzuschüsse. Die Stipendienbewerbungen sind bis zum 15. April möglich und werden ausschließlich in elektronischer Form akzeptiert.

Veranstaltungsprogramm

Spannend wird sicherlich auch das Veranstaltungsprogramm, das im Sommer 2012 unter dem Titel Atelier stehen wird. Diesem Ort, an dem künstlerische Produktion stattfindet, sei es ein klassischer Atelierraum, die Straße, der Kunstverein oder ein Laptop, werden sich Vorträge, Diskussionen, Atelierbesuche etc. widmen. Zum Veranstaltungsprogramm erscheint wieder eine eigene Publikation, die ab Mai unter www.summeracademy.at abzurufen ist.

Kursprogramm im Detail
Politische künstlerische Praktiken
Die Bildhauerin und Performance-Künstlerin Tania Bruguera stellt in ihrem Kurs "Political Timing Specific" eine Arbeitsmethode vor, bei der das Kunstwerk im Augenblick seiner Entstehung oder Präsentation mit aktuellen politischen Verhältnissen korreliert. Der Architekt Arno Brandlhuber verhandelt unter dem Titel "Crises, changes, clash – towards a new contemporaneity" Fragen der Teilhabe am gesellschaftlichen Raum bzw. der Aufteilung desselben. Dabei stellt er auch die Legitimation räumlicher Produktion, repräsentativer ebenso wie ikonischer Architektur auf den Prüfstand. Geht Brandlhuber an diese Fragen als Architekt und Stadtplaner heran, so nähert sich Christoph Schäfer der Stadt als Künstler und Aktivist. Sein Kurs "Zeichnen als Wunschmaschine: Die Stadt neu erfinden" geht von einer kritischen Reflexion der Stadt aus und sucht nach "verschütteten Spuren des Imaginären in den Wänden des Alltags". Shaina Anand und Ashok Sukumaran, Teilnehmer/innen der Dokumenta XIII, beschäftigen sich in ihrem Kurs "Medienkunst im Überblick" mit künstlerischer Produktion in freien Radio-, Fernseh- und Videoformaten, sowie im Internet und anderen elektronischen Netzwerken und befragen deren utopische Potenziale.

Erweiterte Skulptur, Cartoons, Humor und innovative Aktionen
Manfred Pernice geht in seinem Kurs "O Tannenbaum" der zentralen Frage jedes/r Bildhauer/in und Künstler/in nach "Was soll wie warum in welcher Form geschaffen werden?" Olav Westphalen (gemeinsam mit Marcus Weimer auch unter dem Pseudonym "Rattelschneck" bekannt) interessiert sich in "Der Witz und seine Beziehung zur Konzeptkunst" für Humor als eine kreative und kritische Methode zeitgenössischer Kunst.

Archive
Christoph Draeger untersucht "Das Zeitalter der Collage" und die Beziehung von Konstruktion, Destruktion und Rekonstruktion in der Bildproduktion, die sich des riesigen Bildarchivs, das der mediale Informationsfluss auf unsere Festplatten spült, bedient. Peter Friedl fragt dagegen in "Geschichte in Bildern", welche Spuren Geschichte in künstlerischen Medien hinterlässt, was die eigene Geschichte ist und welche Auswirkungen Globalisierungsdiskurse auf Strategien des Erzählens haben.

Malerei
Milena Dragicevic konstatiert "Malen ist schwierig, aber die Formfindung prägt unsere künstlerische Position. Diese Position ermöglicht es uns, in den Abgrund zu springen und sogleich wieder aufzutauchen." In ihrem Kurs "Form Fatale" geht es darum, neue Ideen zu entwickeln und diesen Ideen Form zu verleihen. Auch Hanspeter Hofmanns Kurs "How to paint" widmet sich grundsätzlichen Fragen künstlerischer Produktion. Und Mara Mattuschka unterstützt in "Gemaltes Licht" die Teilnehmer/innen ebenfalls auf ihrer Suche nach dem "ureigenen Bild". Katrin Plavcak dagegen bietet unter dem Titel "Stealing from the Best" einen "Kunstfälscherkurs" an, der Appropriation als Strategie versteht. Matts Leiderstam wird sich mit dem Genre des "Selbstbildnisses" befassen, wobei der Spiegel als Werkzeug einer genaueren Betrachtung unterzogen wird. Das Rollenverständnis des Künstlers wird dabei in unterschiedlichen Medien thematisiert.

Künstlerische Techniken, Druckgrafik, Steinbildhauerei
Krystyna Piotrowska bietet auch 2012 ihren Kurs "Druck’s noch mal" an, in dem der Fokus auf vielen unterschiedlichen Drucktechniken liegt. Leya Mira Brander hingegen wird mit den Studierenden den Weg "Zwischen Radierung und Skulptur" gehen, um zu lernen, wie sich aus einem zweidimensionalen Druck eine Papierplastik herstellen lässt. Martin Schmidls Kurs "Praxis Zeichnen" kreist um die Auseinandersetzung mit den Grundlagen zeichnerischer Praxis in Bezug auf die eigene künstlerische Projektarbeit. Im Steinbruch am Untersberg werden in diesem Jahr Hagbart Solløs und Susanne Tunn gemeinsam mit den Studierenden die Steinbildhauerei als eine ganz besondere Technik eingehend erforschen.

Fotografie
Katharina Sieverding wird 2012 nach einer dreijährigen Pause wieder einen Fotokurs anbieten, der sich auf die kulturelle, gesellschaftliche und mediale Verortung künstlerischer Bildproduktionen konzentriert. Mit dem Ausloten der Freiräume zwischen Realität und Imagination, Fakt und Fiktion, Wahrheit und Lüge befasst sich Jo Ractliffe in "Mehr als tausend Worte: Fotografie und Narration".

Schmuck
Lin Cheung schließlich lädt dazu ein, in "Das soziale Leben des Schmucks 2" Schmuck als soziales Phänomen zu begreifen.

Kuratorische Praxis
In diesem Jahr wird es zwei Kurse zur kuratorischen Praxis geben: Juan A. Gaitan und Maria Lind sind der Überzeugung, dass diese heute über die Organisation von Ausstellungen hinausgeht; Vermittlung und Öffentlichkeit sind Themenkreise, die in "Du und ich und die anderen" eine wichtige Rolle spielen. Die Kuratorinnengruppe WHW untersuchen in "Kunst hat immer Konsequenzen" unter anderem, welche Möglichkeiten eine Ausstellung einer aktivistischen Praxis eröffnen kann, und wie eine Ausstellung als offene und kollektive Ressource neu zu konzipieren wäre.
     
Informationen: http://www.summeracademy.at    
     
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