Hammerls Plädoyer für umfassende und nachhaltige Reformen   

erstellt am
02. 02. 12

Steirischer BR-Präsident rückt den Menschen ins Zentrum der Politik
Wien (pk) - In seiner Antrittsansprache vor dem Bundesrat hat der neue – steirische - Präsident des Bundesrates Gregor Hammerl zunächst an den "Steiermark-Empfang" vom 01.02. in der Säulenhalle erinnert, der ein Zeichen der Stärke der bundesstaatlichen Ordnung gesetzt hat. Von der Steiermark und der dort praktizierten "Reformpartnerschaft" gehen wesentliche Reformimpulse aus und werden – ebenso wie von anderen Bundesländern - auch in Zukunft noch ausgehen. Der "steirische Weg", für den Hammerl Landeshauptmann Franz Voves und Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer lobte, bringe andere in Zugzwang, sagte Hammerl, was für eine positive Entwicklung notwendig ist, zeigte sich Hammerl überzeugt.

Auf eine Umfrage, wo man Ausgaben kürzen soll, haben die Befragten nach den ÖBB die Abschaffung des Bundesrats an zweiter Stelle genannte, berichtete Hammerl und knüpfte daran die Frage: "Warum das? Ist der Bundesrat wirklich verzichtbar, oder ist den Menschen seine Bedeutung nur zu wenig sichtbar?" Reformen sind notwendig, meinte Hammerl, weil aktuelle politische Veränderungen, etwa die Einbeziehung Österreichs in die EU oder die Veränderungen in der Gesellschaft, etwa die neuen Kommunikationsmedien, nach Reformen verlangten. Auch Recht und Verfassung bedürften daher der Weiterentwicklung und nachhaltiger Reformen. Solche Reformen brauchten aber Zeit, sagte Hammerl und erteilte plakativen Forderungen und unkoordinierten Reformschritten, die nicht im Zusammenhang gesehen werden, eine Absage.

Den halbjährlichen Wechsel im Amt des Bundesratspräsidenten sieht Hammerl als einen Grund dafür, dass Reformen zwar angesprochen, aber nicht durchgeführt werden. Auch sei es problematisch, Debatten über die Verfassung unter dem Blickwinkel des Sparens zu führen. Wichtige grundsätzliche Punkte werden dabei übersehen, etwa die Tatsache, dass der Bundesrat eine wesentliche Konsequenz des bundesstaatlichen und des föderalen Prinzips ist, auf dem unsere Verfassung aufbaut.

Dass die Reformdebatte zuallererst am Bundesrat ansetzt, zeigt für Hammerl, dass die Bedeutung des Bundesrates bis in die höchsten Kreise der Gesellschaft und der Politik zu wenig bedacht und bewusst gemacht worden sind. "Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass ein Großteil der Bevölkerung wenig Bescheid weiß um den Bundesrat und die Bundesverfassung insgesamt. Wenn etwa gefordert wird, die Landeshauptleutekonferenz solle Agenden des Bundesrates wahrnehmen, werde deutlich, wie wenig bewusst uns das gewaltenteilige Prinzip in manchen Punkten ist, ist doch die Landeshauptleutekonferenz ein Moment der Exekutive, aber nicht der Gesetzgebung. Solche Vorschläge sind laut Hammerl nicht verfassungskonform.

Jüngste "Zahlenspiele" über Einsparungen durch Verminderung von Abgeordneten, die Abschaffung von Bundesrat oder Bundespräsident und die Zusammenlegung von Landtagen oder die Verkleinerung der Zahl der Nationalratsabgeordneten kommentierte Präsident Hammerl mit dem Satz: "Alles ist denkbar, aber ist es auch gut?". Bei Diskussionen über Verfassungsänderungen will Hammerl Grundsätzliches nicht ausklammern. Änderungen im Bundesrat haben Auswirkungen auf das gesamte Gefüge der Verfassung, gab Hammerl zu bedenken und zeigte sich besorgt um die Stabilität der Verfassung insgesamt.

Die Diskussion um den Bundesrat sei daher in eine Grundsatzdebatte über die gesamte Verfassung einordnen und der Standort des Bundesrates neu zu bestimmen. Man müsse die Frage stellen, wie das bundesstaatliche und das föderale Prinzip unter den neuen Gegebenheiten verwirklicht werden soll, sagte Hammerl und wandte sich entschieden gegen die Aushöhlung dieser Prinzipien durch neue Zentralisierungstendenzen.

Der neue Bundesratspräsident will die Länderinteressen im Prozess der Gesetzgebung stärken, sagte Hammerl und erinnerte dabei auch an den Vertrag von Lissabon, der den Zwei Kammer-Parlamenten und damit dem Bundesrat neue Chancen für die Mitwirkung der Länder an der EU-Willensbildung einräumt, die es zu nutzen gelte. Bei der Subsidiarität gehe es um die Konstruktion eines Staates von unten nach oben mit der entsprechenden Gewalten- und Machtteilung und damit auch um den Schutz des Bürgers und der Bürgerin vor zentraler Vereinnahmung. Der Mensch muss ja den Mittelpunkt der Politik bilden, hielt der Bundesratspräsident fest, er darf nicht zu ihrem Mittel werden.

Der neue Bundesratspräsident erinnerte an die vielen Aspekte einer Bundesratsreform, die etwa schon im Österreich-Konvent oder im "Entwurf einer Expertengruppe zur Staats- und Verwaltungsreform" im Jahr 2007 angesprochen wurden, und an die "Gemeinsame Länderposition" der Landeshauptleutekonferenz im April 2008, sowie an Persönlichkeiten wie die ehemaligen Bundesratspräsidenten Herbert Schambeck und Herwig Hösele sowie an Nationalratspräsident Andreas Khol.

Auch Bundespräsident Heinz Fischer hat Reformvorschläge zum Bundesrat unterbreitet, führte Hammerl aus. Fischer hielt es für sinnvoll, zu allen Verfassungsgesetzen eine ausdrückliche Zustimmung des Bundesrates vorzusehen, weil damit eine Aufwertung des Bundesrates und der Verfassungsgesetzgebung verbunden wäre. Für ebenso wichtig hält der Bundespräsident die mit dem Nationalrat gleichberechtigte Mitwirkung des Bundesrates nicht nur an Änderungen der Finanzverfassung, sondern auch am Zustandekommen des Finanzausgleichsgesetzes. Hammerl zitierte auch die Forderung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes, Clemens Jabloner, den Bundesrat in seiner derzeitigen Zusammensetzung – 62 Mitglieder – zu belassen.

Bundesratspräsident Gregor Hammerl sprach sich für die Aufwertung des Bundesrates aus und will möglichst alle Kräfte des Landes zu einem Reformdialog an einen Tisch zusammenführen, um eine tiefgreifende Reform des Landes zustande zu bringen, die von möglichst allen getragen werden könne. "Es dürfen nicht nur Betroffene geschaffen werden, sondern es gilt aus Betroffenen Beteiligte zu machen", schlug Gregor Hammerl vor. Die Diskussion über gegensätzliche Positionen sei wichtig, vor kontroversen Diskussionen, die alles blockieren, warnte Hammerl jedoch. Das Gemeinsame komme unter die Räder, wenn die Konkurrenz der Parteien bestimmend wird und der Blick auf das Gemeinsame sich zugunsten der Eigenprofilierung einenge.

In der Steiermark könne man derzeit erleben, wie wichtig ein konkreter, von verschiedenen politischen Gruppierungen getragener Reformdialog für die positive Entwicklung ist, ein Reformdialog, der auch vor "heiligen Kühen" nicht Halt macht. Dafür brauche man auch eine neue Diskussionskultur, die von der Sache ausgeht und von dieser her verschiedene Meinungen zusammenzuführen sucht. Hier liegt laut Präsident Hammerl der Vorteile des Bundesrates: Er kann an der Entwicklung einer Diskussionskultur mitwirken, die auf der Basis von Länderinteressen über Parteiinteressen hinausgeht. Sein Amtsvorgänger Gottfried Kneifel habe sich etwa erfolgreich dafür eingesetzt hat, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Gemeinden zu verbessern und durch eine Verwaltungsvereinfachung auch finanzielle Vorteile erreicht.

Er werde seine Präsidentschaft dem Bemühen um eine Reform des Bundesrates im Blick auf alle mit der verfassungsmäßigen Ordnung in unserem Land Befassten widmen, versprach Gregor Hammerl. Besonderes Augenmerk wolle er dabei den Ländern und deren Anliegen schenken. Für diese Reform ist - über die politischen Gremien hinaus - auch eine Veranstaltung mit VfGH-Präsident Gerhart Holzinger geplant.

Hammerls Blick geht aber auch über Österreich hinaus und wird sich besonders auf das neue EU-Land Kroatien richten, wobei der steirische Politiker die Drehscheibenfunktion von Graz für den Südosteuropäischen Raum hervorhob und eine Europakonferenz des Bundesrates am 9. Mai in der Landstube des Grazer Landhauses ankündigte. An dieser Konferenz werden unter anderen auch der Präsident der Republik Kroatien, Ivo Josipovic, EU-Kommissar Johannes Hahn, Vizekanzler Michael Spindelegger und die neue Rektorin der Karl-Franzens-Universität Graz, Christa Neuper, teilnehmen. "Aus Nachbarn müssen Bekannte gemacht werden, damit das Einigungsprojekt EU weiterhin Erfolg haben kann", schloss der neue Bundesratspräsident und äußerte seine Absicht, bewusst Schritte zu einem Verständnis von Politik zu setzen, das bei den betroffenen Menschen ansetzt und sich als wichtiger Faktor in der Gestaltung unserer von Veränderung geprägten Zeit versteht. Dazu bat Präsident Hammerl alle Fraktionsvorsitzenden und alle Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat um eine gute Zusammenarbeit.
     
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