"Fußballspiel" mit starkem Molekül   

erstellt am
24. 02. 12

Innsbrucker Ionenphysiker packen bei Weltraumtemperaturen Heliumatome auf "Buckyballs"
Innsbruck (scinews) - Sie lösen sich erst bei Temperaturen von über tausend Grad Celsius oder einem Aufprall von 30.000 Stundenkilometern auf. Ganz im Gegensatz zu ihrem großen "Bruder", dem Fußball, halten sie extremst viel aus. Um "Buckyballs" oder "Fullerene", beinahe kugelförmige Kohlenstoffmoleküle, für neue Technologien weiter zu erschließen, müssen sich Wissenschafter daher Einiges einfallen lassen. Innsbrucker Ionenphysikern ist es nun erstmals gelungen, bei Weltraumtemperaturen Heliumatome auf isolierte, sphärische Fulleren-Moleküle zu packen.

Bei rund minus 270 Grad Celsius (vier Kelvin) bedeckte das Team rund um Prof. Paul Scheier, Vorstand des Institutes für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck und den Fulleren-Experten, Prof. Olof Echt von der US-Universität New Hampshire, in einer Spezialkammer erstmals die Oberfläche von einzelnen, jeweils aus 60 bzw. 70 Kohlenstoffatomen bestehenden Fußballmolekülen mit 32 bzw. 37 Heliumatomen. "Sehr vereinfachend erklärt, sehen wir dabei, dass Helium als ´Gepäck` das Fußballmolekül als ´Träger` verändert. Wir beobachten so genannte ´Phasenübergänge`. Das heißt, die Heliumschicht auf dem Fulleren kann je nach Bedeckung mit Heliumatomen fest und flüssig zugleich sein", sagen Scheier und Echt uni sono. Über diese Forschungen des Teams berichtet die aktuelle Ausgabe der renommierten Zeitschrift "Physical Review Letters".

Das "Huckepack-Experiment" des Teams nennt sich wissenschaftlich "Physisorption". Massenspektrometrisch präzisest überwacht und durch neuartige Modellrechnungen ergänzt, gelang dabei nach Angaben der Forscher erstmals im Teamwork mit führenden Experten des Spezialgebietes aus Schweden und Spanien die Beobachtung einzelner, kalter sphärischer Nanoteilchen und deren Bedeckung mit Heliumatomen. Diese für den Laien schwer vorstellbaren Phänomene wissenschaftlich zu ergründen, liefert nach Angaben der Wissenschafter weitere Grundlagen für die Astrochemie und die Materialwissenschaften. Aktuell plant das Team weitere Untersuchungen mit Wasserstoff und Fußballmolekülen.

Fullerene sind neben Diamant und Graphit die dritte bisher bekannte Form von Kohlenstoff. Sie sind innen hohl und sehen mit Fünf- und Sechsecken als Seitenflächen wie ein Fußball aus. Allerdings ist ihr Durchmesser dreihundert Millionen Mal kleiner. Die Teilchen gelten als große Hoffnungsträger für die Entwicklung neuer Energiespeicher, innovativer Werkstoffe und Pharmaka. Limitiert wird die Erforschung von Fullerenen bisher allerdings durch die vergleichsweise teuren Energiekosten bei der Herstellung. Aktuell kostet ein Gramm Fulleren soviel wie ein Gramm Gold.

C60 wurde 1985 von Harold Kroto, Richard Smalley und Robert Curl entdeckt. Diese Wissenschaftler wurden dafür 1996 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Im Vorjahr wurden Fullerene auch im Weltraum nachgewiesen. Am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck konnten bereits in den 1980er Jahren, kurz nach der Entdeckung des "prominenten" Moleküls erste Untersuchungen mit C60-Material durchgeführt werden, da der Erfinder der Massenproduktion von C60, Prof. Wolfgang Krätschmer aus Heidelberg, dem Institut eine erste Probe zur Verfügung gestellt hatte. Seither liefern die Innsbrucker wiederholt angesehene Forschungsbeiträge zu Fullerenen. Unter anderem wurde von Innsbruck aus 2001 die Bindungsenergie von C60, ein langjähriges Forschungsrätsel, geklärt.

Publication
Structures, energetics and dynamics of helium adsorbed on isolated fullerene ions. Christian Leidlmair, Yang Wang, Peter Bartl, Harald Schöbel, Stephan Denifl, Michael Probst, Manuel Alcami, Fernando Martín, Henning Zettergren, Klavs Hansen, Olof Echt, Paul Scheier. Physical Review Letters 7/108 (2012) http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.108.076101
     
Informationen: http://www.uibk.ac.at/ionen-angewandte-physik    
     
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