Nino Malfatti - Die gemalte Zeit   

erstellt am
23. 02. 12

Retrospektive 1968 bis 2011 - von 24. Februar - 22. April 2012 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruck (tlm) - Bis 22. April gibt eine großangelegte Retrospektive im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum erstmals einen Überblick über das umfangreiche Schaffen des Tiroler Künstlers Nino Malfatti. Unter dem Titel "Nino Malfatti - Die gemalte Zeit. Retrospektive 1968 bis 2011" werden über 50 Arbeiten aus den späten 1960er Jahren bis zu seinen jüngsten großformatigen Bergbildern gezeigt. Nachvollziehbar wird die Entwicklung seines Werks von der seriellen Anordnung scheinbar belangloser Gegenstände zu quasi herausgelösten Details aus der alpinen Welt. Mit dem Berg als genau seziertem Objekt lässt Malfatti auf der Leinwand einen sinnlichen Kosmos entstehen, der mit dem vorgegebenen Motiv nur noch in seiner äußerlichen Wiedererkennbarkeit verbunden ist.

"Mit seinem OEuvre hat der Maler und Zeichner Malfatti es geschafft, sich eine feste und unverwechselbare Position zu erarbeiten, die nicht dem Klischee des "Bergmalers" unterworfen ist", hebt PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen-Betriebsgesellschaft m.b.H., die Bedeutung von Nino Malfatti hervor. "Sein Werk steht im Kontext der internationalen Kunstentwicklung, was seine Teilnahme an großen Kunstausstellungen wie etwa der documenta und seine Einzelausstellungen belegen. Malfattis Beitrag zur Kunst verweist auf die Vielfalt, Schönheit und Besonderheit des Landes. Er widersetzt sich in seiner individuellen Interpretation bewusst dem öffentlich gemachten Bild von Tirol", so Meighörner.

"Die subtile Harmonie zwischen Realität und Abstraktion, mit der es dem Künstler gelingt, persönliche Aussagen zu machen, zeichnet das Frühwerk Nino Malfattis aus. Reine Malerei und kritische Fragestellung stehen sich in einem spannungsreichen Bogen gegenüber", hält Dr. Günther Dankl, Kurator der Ausstellung und Kustos der Kunstgeschichtlichen Sammlungen ab 1900 & Graphischen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen, fest. Zu Beginn der 1970er Jahre arbeitet Nino Malfatti mit Realitätsfragmenten im Bild, mit anonymen Bestandteilen der technischen Umwelt, wie Röhren und Treppen, die er auf der Leinwand zu einem eigenen architektonischen Gebilde zusammenfügt. In der Folge variiert der 1940 in Innsbruck geborene Künstler Wäscheklammern, Gläser, Konservenöffner oder Kleiderbügel in seriellen Kompositionen. Nicht ohne Grund wird damals der Begriff des "Realismus" oder der der "Neuen Sachlichkeit" verwendet, wenn von der Präzision die Rede ist, mit der Malfatti diese Gegenstände in die Fläche setzt.

Fünf Jahre später reiht Malfatti Gegenstände aus der heutigen Arbeits- und Konsumwelt aneinander. Hammer und Sichel, Schuhleisten, Ambosse, Maurerkellen oder Pflüge, serienmäßig miteinander kombiniert und mit Naturfragmenten versehen, lassen sich in erster Linie als reine Malerei und zugleich aber auch als kritische Fragestellungen und ironische Andeutungen an gesellschaftliche Verhaltensweisen verstehen.

Mit diesen Darstellungen alltäglicher Gegenstände, die zu spannungsvollen Kompositionen verschachtelt werden und somit ständig die Grenze von Realität und Fiktion überschreiten, ist der Künstler 1977 auch auf der documenta 6 vertreten. Ab etwa 1980 widmet er sich zunehmend der Abbildung von Landschaften, in die sich gewöhnliche Maschinenobjekte wie Flügelschrauben, Scharniere oder Getriebestangen einfügen. Es entstehen skurrile Atmosphären, die auf humorvolle Weise mit Doppeldeutigkeiten spielen.

Seit Mitte der 1980er Jahre sind das ausschließliche Thema seiner Bilder die Berge. In Berlin, wo Malfatti seit 1974 lebt, hat er diese zwar nicht mehr vor der Haustür, er hält sie jedoch während seiner Aufenthalte in Tirol in zahlreichen Skizzen, Studien und Fotografien fest. Davon ausgehend malt er zumeist aus ihrem Kontext gerissene alpine Hochgebirgsformationen, Felsen oder Steinbrüche, die er als völlig abstrakte Gegenstände neu definiert und deren unerschöpflichen malerischen Reichtum er sich erschließt. Auf der Leinwand entstehen eigengesetzliche und sinnliche Welten, die mit Motiv und Wiedererkennbarkeit nur noch äußerlich verbunden sind. Geheimnisvolles ist seinen Bildern zu Eigen, das sich im Malerischen von Ocker, Schwarz, Blau, Grün und Weiß sowie den vielfachen Brechungen von Licht und Schatten erfüllt. Dem Betrachter offenbart sich die gegebene Form als noch unbekannte Geschichte.

Eine nicht unwesentliche Rolle bei der Rezeption des Werks von Malfatti kommt den Titeln zu, die er seinen Arbeiten gibt. Sie sind ein zusätzliches Instrument zum Ausbalancieren von Nähe und Distanz. Gerne setzt er Bild und Titel antithetisch ein. Die visuelle Darstellung nimmt den Betrachter gefangen, zugleich ist dieser mit der Interpretation des Titels beschäftigt - ein schönes Spiel, das die Doppelbödigkeit zwischen realer Anschauung und bewusster Illusion verstärkt.

Nino Malfatti über seine Arbeit
"Meine Idee, ausschließlich Steine, Felsen und Berge zu malen, entwickelte sich nach und nach aus einem Prozess der Umwandlung. Im Laufe meiner malerischen Arbeit […] entdeckte ich fast zufällig in der malerischen Geste der diese stilllebenhaften Arrangements umgebenden Farbflächen Texturen und Strukturen einer Landschaftlichkeit, die mich zunehmend interessierten. Es entstanden sozusagen nebenbei und automatisch gebirgsartige Formationen; möglicherweise jedoch war die Assoziation dieser Farbstriche und -flächen geprägt durch meine Vorliebe, die Berge meiner Heimat zu durchwandern und zu besteigen."

"Die geologische Masse eines Berges, in dessen Gestalt ich mitunter einen fast persönlichen Charakter verspüre, die filigran gezeichnete und in differenzierenden Farben leuchtende Oberfläche eines am Wegesrand liegenden Steines oder einer hunderte Meter hohen Felswand, die ich möglichst durch die eigene Begehung schon kennengelernt und "begriffen" habe, auf der Leinwand in einem Bruchteil ihrer wahren Größen und Volumen neu aufzubauen, ihnen aus der Erinnerung nach eigenen Fotos und durch die Kunst eine andere Realität zu geben, ist das Zentrum meiner Malerei geworden."

"In einem zu diesen faszinierenden Höhen und Tiefen antipodisch gelegenen Atelier in einer fernen Großstadt auf dem flachen Land gehe ich malend und zeichnend ein zweites Mal durch diese Landschaften, nehmen die Formen der Anhäufungen, ihre Erosionen, Ausbrüche und Verwerfungen, die Stimmungen des Lichtes und der Farbe aus einer neuen Sicht wahr. Durch den Filter der Entfernung wird die Unmittelbarkeit und Dramatik der Erlebnisse relativiert und versachlicht. Die Energie und Dynamik der Malerei lassen auf der Leinwand die eigengesetzliche und sinnliche Welt eines Bildes entstehen, das mit dem vorgegebenen Motiv nur noch in seiner äußerlichen Wiedererkennbarkeit verbunden ist. Dieses Phänomen der scheinbar oberflächlichen Verbindung ist eine der tragenden Ideen meiner Bilder."

Biografische Eckdaten zum Künstler
Der 1940 in Innsbruck geborene Künstler Nino Malfatti studierte von 1962 bis 1965 Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste in Wien sowie Malerei und Grafik bei Max Melcher. 1967 ging er zu Horst Antes an die Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe, wo er sein Studium 1972 beendete. 1974 übersiedelte er nach Berlin. 1981/82 war er Gastprofessor für Maltechnik an der Hochschule der Künste in Berlin und 1994 Gastdozent an der Hochschule für Künste in Bremen. Heute lebt der Künstler in Berlin und Sautens in Tirol.

Führungen durch die Ausstellung mit Nino Malfatti
Einen persönlichen Einblick in sein Schaffen gibt Nino Malfatti am 26.02., 11. & 25.03. sowie 15. & 22.04, wenn er durch die Ausstellung im Ferdinandeum führt (jeweils 11 Uhr).

Anlässlich der Retrospektive liest der Schriftsteller Adolf Muschg, der einen Beitrag zu Malfattis Arbeit für den Ausstellungskatalog verfasst hat, aus eigenen Werken (9.03., 18 Uhr). Prof. Bernhard Braun von der Universität Innsbruck, Katholisch-Theologische Fakultät, referiert zum Thema "Die heroische Berglandschaft. Das ‚Erhabene' als Kategorie der Ästhetik und Kulturtheorie" (22.03., 19 Uhr).

Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit Texten von Matthias Boeckl, Günther Dankl, Nino Malfatti, Wolfgang Meighörner, Adolf Muschg und Eckhard Schneider
ISBN 978-3-900083-35-9, 180 Seiten, € 24,80
http://www.tiroler-landesmuseen.at/shop.php/de/druckwerke_alle_/kataloge_fuehrer
     
Informationen: http://www.tiroler-landesmuseen.at    
     
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