Die drei Wien des Hermann Leopoldi   

erstellt am
05. 03. 12

Entlang von historisch bedeutsamen Liedern werden einige Aspekte von Hermann Leopoldis Biografie dargestellt, die aufgrund des jüngst von der Wienbibliothek erworbenen Nachlasses in neuem Licht erscheint.
Wien (wienbibliothek) - Die Wienbibliothek übernahm 2010 den Nachlass des großen Komponisten und Interpreten des Wienerliedes, Hermann Leopoldi, als Schenkung von seinem Sohn Ronald. Die erste öffentliche Präsentation dieser zeitgeschichtlich brisanten Materialien orientiert sich einerseits an den Liedern Leopoldis und andererseits an drei Epochen Wiens, mit denen sein Werk untrennbar verbunden ist.

Hermann Leopoldi wurde 1888 als Hersch Kohn in eine jüdische Familie und in sein erstes Wien, die Reichshaupt- und Residenzstadt der Donaumonarchie, hineingeboren. Hier wurde der junge Musiker auch künstlerisch sozialisiert. Im Raum der Monarchie werden die migrantischen Wege der Familie Kohn, die ersten Tourneen des jungen Pianisten mit Wiener Volkssängern und die ausgedehnten Reisen des „Klavierhumoristen“ Leopoldi mit dem Kriegspressequartier nachgezeichnet. In seinem zweiten Wien, dem der Zwischenkriegszeit, feierte Hermann Leopoldi seine größten Erfolge. Gemeinsam mit Bruder Ferdinand und dem renommierten Conferencier Fritz Wiesenthal führte er das Kabarett Leopoldi-Wiesenthal in der Rotgasse im 1. Bezirk.

Hermann Leopoldis Lieder dieser Zeit kommentierten politische Skandale, gesellschaftliche Moden und die Medienrevolutionen, an denen er als moderner Schlagerkomponist und -interpret Anteil hatte. Die außergewöhnliche Qualität seiner Lieder kam in der Zusammenarbeit mit den besten Textdichtern seiner Zeit zustande: Fritz Löhner-Beda, Fritz Grünbaum, Arthur Rebner, Theodor Waldau, Erwin Spahn, Salpeter (Karl Pollach), Peter Herz etc.

Ab den 1930er Jahren „rückten“ die Alpen aber immer näher, was sich in der Kleidung der Menschen wie in den politischen Verhältnissen zeigte. Leopoldi war nun – wie zuvor für die Sozialdemokraten – auch für den Ständestaat propagandistisch tätig. Für ihn und andere jüdische Künstler bedeutete das faschistische Regime vor allem die Erhaltung des unabhängigen österreichischen Staates gegenüber dem expansionshungrigen NS-Deutschland.

Das dritte Wien des Hermann Leopoldi entstand seit 1938, als sich die Stadt den Nazis in die Arme geworfen hatte, durch Verfolgung, Raub, Mord und Krieg. Als Häftling der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald komponierte Leopoldi den Buchwälder Marsch. Als Exilant präsentierte er in den USA ein „Alt-Wien“, dessen Kultur und Mentalität gegenüber dem „preußischen“ NS-System immun erschien.

Bei seiner Rückkehr 1947 wurde der große „Wiener“ jubelnd empfangen, als ob er in den USA nur eine ausgedehnte Tournee gemacht hätte. Vorerst wohnte Leopoldi im Hotel und behielt sich vorsichtshalber eine kleine Wohnung in New York. Eine weitere Flucht blieben ihm und seinem dritten Wien aber glücklicherweise erspart, und er starb hier 1959.

Die Ausstellung kann bis 04.10. 2012 besichtigt werden, der Eintritt ist frei.
Öffnungszeiten: Mo-Do (werktags) 9.00-18.30 Uhr, Fr (werktags) 9.00-16:30 Uhr
     
Informationen: http://www.wienbibliothek.at/    
     
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