Schattenbankwesen: Neue Risikofaktoren im Finanzsektor ausschalten   

erstellt am
19. 03. 12

Brüssel (ec.europa) - Die EU zieht ihre Konsequenzen aus der Krise und führt im Finanzsektor, insbesondere bei den Banken, ehrgeizige Reformen durch. Dies wird die Widerstandsfähigkeit und Solidität des Finanzsektors stärken und so der Realwirtschaft zugute kommen. Im Rahmen dieser Reformen ist es nun an der Zeit, sich der zunehmenden Kredittätigkeit von Nichtbanken, dem sogenannten „Schattenbankwesen” zuzuwenden, das bislang nicht im Zentrum des Interesses von Regulierung und Aufsicht stand. Bis zu einem gewissen Grad erfüllen Schattenbanken im Finanzsystem wichtige Funktionen. So stellen sie beispielsweise eine zusätzliche Finanzierungsquelle dar und bieten den Anlegern Alternativen zu Bankeinlagen. Für die langfristige Finanzstabilität können sie aber auch mit Risiken verbunden sein, da sie eine Akkumulierung unbekannter Risikofaktoren im Finanzsystem bewirken und Spillover-Effekte vom Schattenbank- auf den regulären Bankensektor ermöglichen.

Der Aufforderung der Staats- und Regierungschefs bei den G-20-Gipfeln in Seoul 2010 und Cannes 2011 entsprechend arbeitet der Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) derzeit Empfehlungen für die Beaufsichtigung und Regulierung der betreffenden Unternehmen und Tätigkeiten aus. Mit ihrem heute vorgelegten Grünbuch und der damit eingeleiteten Konsultation wirkt die Kommission aktiv an diesen Arbeiten mit.

Hierzu Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier: „Wenn es um ehrgeizige Reformen bei der Regulierung des Finanz- und insbesondere des Bankensektors geht, nimmt die EU weltweit eine führende Rolle ein. Was wir nicht wollen, ist, dass Tätigkeiten und Unternehmen des Finanzsektors bestehende und geplante Vorschriften umgehen und dies die Akkumulierung neuer Risikofaktoren im Finanzsektor nach sich zieht. Aus diesem Grund müssen wir unseren Kenntnisstand darüber verbessern, welche Unternehmen den Schattenbanksektor ausmachen, worin ihre Tätigkeit besteht und welche Art von Regulierung und Aufsicht auf welcher Ebene für sie angemessen sein könnte. Wir müssen Transparenz in alle Bereiche des Finanzsektors bringen.“

Hintergrund
Nach der Definition des Rats für Finanzstabilität ist das Schattenbanksystem ein „System der Kreditvermittlung, an dem Unternehmen und Tätigkeiten außerhalb des regulären Bankensystems beteiligt sind.“ Als mögliche Schattenbanken/Schattenbankgeschäfte angesehen werden können u. a.:

  • Geldmarktfonds (Money Market Funds, MMF) und andere Arten von Investmentfonds oder -produkten mit einlageähnlichen Charakteristika
  • Investmentfonds, die Kredite zur Verfügung stellen oder mit Fremdmitteln arbeiten, einschließlich börsengehandelter Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) und Hedgefonds
  • Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierhäuser, die Kredite oder Kreditgarantien bereitstellen oder Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen vornehmen, ohne dabei der gleichen Regulierung zu unterliegen wie eine Bank
  • Versicherer und Rückversicherer, die Kreditprodukte auflegen oder garantieren.
  • Verbriefungen und Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte (Repos).


In dem heute vorgelegten Grünbuch wird dargelegt, inwieweit die Tätigkeiten von Schattenbanken bereits durch bestehende und vorgeschlagene EU-Rechtsvorschriften abgedeckt sind. So werden beispielsweise außerbilanzielle Konstrukte wie Zweckgesellschaften indirekt durch das Bankenrecht reguliert. Hedgefondsverwalter fallen direkt unter die Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds, in der eine Reihe von Aspekten des Schattenbankwesens behandelt werden. Einige Mitgliedstaaten verfügen darüber hinaus über zusätzliche nationale Bestimmungen für die Beaufsichtigung von Finanzunternehmen und -tätigkeiten, die auf EU-Ebene nicht reguliert sind.

Auch wenn diese Maßnahmen Schattenbanken und ihre Tätigkeiten schon ein gutes Stück mitregulieren, sind angesichts der ständigen Weiterentwicklung des Schattenbanksystems und der wachsenden Kenntnisse darüber weitere Fortschritte erforderlich. In Koordinierung mit dem FSB, den Standardsetzungsgremien und den einschlägigen EU-Aufsichts- und -Regulierungs- behörden zielen die derzeitigen Arbeiten der Kommission darauf ab, die bestehenden Maßnahmen sorgfältig zu überprüfen und eine angemessene Vorgehensweise vorzuschlagen, die in Verbindung mit einem angemessenen Regulierungsrahmen eine umfassende Beaufsichtigung des Schattenbankwesens gewährleistet.

In diesem Zusammenhang gibt es fünf Bereiche (Bankenwesen, Vermögensverwaltung, Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte, Verbriefung und andere Unternehmen des Schattenbanksektors), in denen die Kommission mögliche Optionen und weitere Schritte prüft.

Nächste Schritte
Die interessierten Kreise können sich bis zum 1. Juni 2012 an der Konsultation beteiligen.

Am 27. April findet in Brüssel eine Konferenz zum Thema Schattenbankwesen statt.

All dies wird in den Standpunkt der Kommission in internationalen Gremien und in ihre Entscheidung über angemessene Folgemaßnahmen einfließen.

     
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