Bundesvoranschlag 2012: Proaktive Elemente der Budgetpolitik sind weiter zu stärken   

erstellt am
26. 03. 12

Wien (wifo) - Der Bundesvoranschlag 2012 ist das zweite "Konsolidierungsbudget" nach Überwindung des Tiefpunktes der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise. Nach wie vor fehlt eine Einbettung in eine umfassende proaktive Budgetpolitik. Die in wichtigen Zukunftsbereichen (Bildung, Forschung, thermische Sanierung, Universitäten, Kinderbetreuung) gesetzten Akzente wären weiter zu verstärken. Zudem sollte eine aufkommensneutrale wachstums- und beschäftigungsförderliche Umstrukturierung des Abgabensystems in die Wege geleitet werden: Die hohen Abgaben auf Arbeitseinkommen wären insbesondere für die unteren und mittleren Einkommen zu senken; zur Kompensation der Einnahmenausfälle wären schrittweise umweltbezogene und bestimmte vermögensbezogene Steuern (Grundsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer) zu erhöhen.

Das Maastricht-Defizit des Gesamtstaates soll gemäß Bundesvoranschlag 2012 von 3,6% des BIP 2011 auf 3,2% 2012 sinken. Für die Schuldenquote wird 2012 ein weiterer Anstieg auf 74,6% des BIP erwartet. Die gesamtstaatliche Ausgabenquote, die im Vorkrisenjahr 2007 mit 48,5% des BIP den niedrigsten Stand seit 1997 erreicht hatte, erhöhte sich krisenbedingt bis 2009 auf 52,9% und ging in der Folge aufgrund der Konjunkturerholung und der ausgabenseitigen Konsolidierungsmaßnahmen langsam wieder zurück; für 2012 wird ein Niveau von 51,2% erwartet. Die Abgabenquote stieg 2008 und 2009 leicht auf 42,7% bzw. 42,6% und verharrt in den Folgejahren bei etwa 42%. Das österreichische Maastricht-Defizit für den Gesamtstaat entsprach im Vorkrisenjahr 2007 mit 0,9% dem EU-Durchschnitt; in den Folgejahren bis 2013 liegt es unter dem Durchschnitt. 2013 wird der Finanzierungssaldo des Gesamtstaates in Österreich wieder unter die Maastricht-Obergrenze von 3% des BIP sinken, während er im EU-Durchschnitt noch darüber liegen wird. Der Anstieg der Schuldenquote war in Österreich - ausgehend vom Durchschnittsniveau der EU 27 von etwa 60% im Vorkrisenjahr 2007 - wesentlich geringer als in der EU insgesamt; vorwiegend krisenbedingt wird sich die Schuldenquote im EU-Durchschnitt bis 2013 auf 84,9% erhöhen.

Der Anteil der Transferausgaben an den gesamten Bundesausgaben nimmt mittelfristig zu: Wurden 2000 noch 35% der Gesamtausgaben des Bundes für Transfers verwendet, so werden es 2012 laut Bundesvoranschlag bereits 43,6% der Gesamtausgaben sein. Von konstant hoher Bedeutung sind die Ausgaben für Alterssicherung mit 62,7% der Transferausgaben und die familienbezogenen Ausgaben mit 19,8%.

Der langsame, aber stetige Bedeutungsgewinn der Lohnsteuer innerhalb der Bruttosteuereinnahmen wurde durch die Steuersenkungsreform 2009/10 nur vorübergehend gebremst. 2012 wird der Anteil der Lohnsteuer auf 31,7% steigen; 1990 hatte er noch 24,8% betragen. Die Umsatzsteuer ist nach wie vor die aufkommenstärkste Einzelsteuer, wenn auch mit eher sinkendem Gewicht: Ausgehend von 36,3% 1990 wird ihr Anteil an den gesamten Bruttosteuereinnahmen auf 33,2% 2012 sinken. Der Anteil der energiebezogenen Steuern wird mit 7,3% wieder dem Höchstwert von 7,7% im Jahr 2004 nahekommen. Die Steuern vom Vermögen werden 2012 - unter Berücksichtigung der 2011 eingeführten Bankenabgabe - 1,9% der gesamten Bruttosteuereinnahmen erreichen. Nach dem krisenbedingten Einbruch 2009 erholt sich die Körperschaftsteuer und wird 2012 7,6% der Bruttosteuereinnahmen beitragen.

Auch diesem Bundesvoranschlag fehlt weitgehend eine Einbettung in eine proaktive Wirtschaftspolitik, die die langfristigen Wachstums- und Beschäftigungspotenziale stärken würde. Über das mit dem "Konsolidierungspaket I" vom Oktober 2010 beschlossene Offensivprogramm hinaus (thermische Sanierung, Ausbau der Nachmittagsbetreuung, Förderung von Forschung und Entwicklung sowie Zusatzmittel für Universitäten und Fachhochschulen) sind nur kleine Akzente vorgesehen (Einrichtung des Pflegefonds, weitere Förderung des Ausbaus der Kinderbetreuung durch den Bund). Für die Schaffung eines Budgetspielraumes zur Finanzierung der mittelfristig erforderlichen weiteren Schritte wären allerdings darüber hinausgehende ausgabenseitige Strukturreformen notwendig. Die Chance, solche tiefgreifenden Strukturreformen, die im Konsolidierungspaket I völlig fehlen, mit dem mittelfristigen Bundesfinanzrahmen 2012 bis 2015 vom April 2011 oder mit dem Bundesvoranschlag 2012 einzuleiten, wurde jedoch nicht genutzt. Auch die überfällige aufkommensneutrale Abgabenstrukturreform, die die Arbeitseinkommen entlasten würde, gegenfinanziert durch die Erhöhung von Umweltsteuern, von Steuern auf Grund- und Immobilienvermögen sowie hohe Erbschaften ebenso wie durch die Abschaffung bzw. Einschränkung von steuerlichen Ausnahmen mit fragwürdigen wirtschaftspolitischen Effekten oder zweifelhafter sozialer Treffsicherheit, steht weiter aus. Nach wie vor ist auch ein systematischer Ansatz zur Durchführung von Gender-Budgeting-Analysen zu vermissen.

Im Hinblick auf die Erreichung der Budgetziele bestehen einige Risiken: Eine mögliche Verschlechterung insbesondere der europäischen Konjunkturaussichten, ein nicht auszuschließender Kapitalbedarf der notverstaatlichen Banken sowie weiterer Kreditinstitute, die (teilweise) Uneinbringlichkeit der an Griechenland vergebenen Kredite oder die Nichteinhaltung der Defizitvorgaben durch Länder und Gemeinden würde die Einhaltung des angestrebten Verschuldungspfades erschweren.
     
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