Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte   

erstellt am
02. 04. 12

Fotografien aus der Zeit 1918 - 1938 für das Forschungsprojekt Erste Republik gesucht
Linz (lk) - Oberösterreich bemüht sich seit vielen Jahren darum, die Geschichte des Landes im 20. Jahrhundert nach modernen, zeitgemäßen Standards aufzuarbeiten. Nach Abschluss des Großprojektes "Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus" beauftragte 2010 der Oberösterreichische Landtag das Oö. Landesarchiv mit dem Projekt einer wissenschaftlichen Bearbeitung der Landesgeschichte 1918 - 1938. Dieses Projekt wurde im Vorjahr offiziell gestartet, noch im Lauf des heurigen Jahres sollen die ersten Ergebnisse publiziert werden.

Ziel des Projektes Oberösterreich 1918 - 1938:
Bei diesem Gesamtprojekt geht es nicht um eine 'endgültige' Aufarbeitung oder gar die Feststellung der 'objektiven Wahrheit'; beides ist in der Geschichtswissenschaft nicht möglich.
Die mit dem Projekt verknüpften Ziele sind vielmehr:

  • den bisherigen Kenntnisstand zusammenzufassen,
  • durch neue Fragestellungen neue Erkenntnisse zu gewinnen,
  • widersprüchliche Aussagen vergleichbar zu machen,
  • neue Quellen zu erschließen und in die Forschungen einzubeziehen und
  • durch den Einsatz moderner Technologien und neuer Forschungsmethoden zusätzliche Sichtweisen zu eröffnen.


Bedeutung von Fotografien für die Zeitgeschichte
Geschichtsvermittlung muss überzeugend sein, sonst ist sie umsonst. Für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen in absehbarer Zeit keine Zeitzeugen mehr zur Verfügung, die Generation, die die Erste Republik und den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, verschwindet. Und mit ihr verschwinden oft auch ihre Nachlässe mit Unterlagen und Fotos, die heute den Erben nichts mehr sagen.

Das Besondere an dieser Generation ist aber, dass für sie erstmals Fotos etwas Selbstverständliches waren. In den 20er Jahren kam es mit der Erfindung der Kleinbildkamera zu einem Quantensprung in der Fotografie. Konnten vorher nur mit unhandlichen Apparaten Unikate hergestellt werden, wurde die Fotografie nunmehr zu einem schnellen Medium - bald auch für jedermann. Daher gibt es aus der Zwischenkriegszeit erstmals echte "Schnappschüsse" in großer Zahl.

Amateurfotos sind gerade für die Dokumentation einer Zeit besonders geeignet, weil sie "absichtslos" aufgenommen wurden und viele scheinbare Nebensächlichkeiten zeigen, die für uns heute interessant und "zeittypisch" sind. Solche Fotos ermöglichen einen authentischen Blick in Lebenswelten, die wir sonst nur aus literarischen Beschreibungen kennen. Bei der Vermittlung von Geschichte haben neben den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gerade die Bildquellen eine besondere Aussage- und Überzeugungskraft. Fotos und Filme machen das Leben vergangener Jahrzehnte anschaulicher und leichter nachvollziehbar als schriftliche Berichte, und sie ermöglichen Einblicke in den Alltag, den amtliche Quellen nicht oder nur eingeschränkt bieten können.

Gefahr des Verlustes
Mit dem Verschwinden der Zeitzeugen verschwinden meistens auch ihre Fotos. Weil die Fotos so wichtig für die Vermittlung sind, gehört jetzt zu den vordringlichen Aufgaben des Landesarchivs nicht nur das Sammeln von Akten und amtlichen Unterlagen, sondern auch die Sicherung von für die Landesgeschichte relevanten Bildquellen. Dazu zählen gerade für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Fotografien von Gelegenheitsfotografen. Da bis in die fünfziger Jahre verhältnismäßig wenige Fotos gedruckt und vervielfältigt wurden, befindet sich der Großteil dieser Fotos in Privatbesitz. Mit dem heutigen Aufruf sollen diese Quellen für die Landesgeschichte gesammelt und langfristig erhalten werden.

Archivierung bedeutet Erhaltung und Bereitstellung
Fotografien brauchen eine spezielle Aufbewahrung, um sie langfristig vor dem Ausbleichen und Zerfall zu bewahren. Dazu gehören neben säurefreien Hüllen auch Dunkelheit und konstante, niedrige Temperatur. Archive können diese Bedingungen bieten.

Bis vor einigen Jahren mussten Archive immer die Sorge haben, dass Fotos bei der Benützung beschädigt würden. Durch die Digitalisierung ist dieser ewige Konflikt zwischen "schützen" und "zugänglich machen" gelöst. Im Landesarchiv stehen seit heuer ca. 30.000 Fotos im Lesesaal digital zur Verfügung. Soweit das Landesarchiv auch die nötigen Rechte an den Fotos hat, dürfen sie auch für nichtkommerzielle Zwecke reproduziert und genutzt werden. Wer dem Landesarchiv Fotos übergibt, kann sicher sein, dass diese auch entsprechend den Vereinbarungen bei der Übergabe behandelt werden. Die Fotos sind im Archiv nicht nur physisch, sondern auch rechtlich sicher aufbewahrt.

"Ein Bild sagt mehr als tausend Worte"
Das Landesarchiv hat sich entschlossen, im Rahmen des Großprojektes "Oberösterreich 1918 - 1938" auch einen eigenen Fotoband zu produzieren. Denn gerade für die Schwerpunkte Alltag, Wirtschaft und Soziales sind Fotos praktisch unersetzlich, wenn es darum geht, späteren Generationen ein lebensnahes Bild dieser Zeit zu vermitteln.

Auch für die Ausstellung "Oberösterreich im Ersten Weltkrieg", die die Landesmuseen und das Landesarchiv im Herbst 1913 gemeinsam gestalten werden, werden Fotos aus Oberösterreich gesucht. Es gibt aus dieser Zeit schon relativ viele Fotos von den Fronten, denn Fotografieren war ja Männersache. Deshalb sind Fotos von daheim viel seltener, besonders vom Alltag der Frauen und Kinder, die mit den zunehmenden Einschränkungen und Herausforderungen zurecht kommen mussten.


Vizebürgermeister Dr. Erich Watzl: Historische Fotografien 1914-1938 gesucht

Bilder machen Geschichte
Zeitgeschichte lebt ganz stark von Bildern. Das beweisen die Bildbände, die das Archiv der Stadt Linz in den vergangenen Jahren herausgegeben hat. Im Zuge des Projekts "Nationalsozialismus in Linz" erwiesen sich die "Bilder des Nationalsozialismus in Linz" als breitenwirksamstes Produkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem NS-Regime. Einige Jahre lang blieb der Bildband die erfolgreichste Publikation des Archivs der Stadt Linz. Im Zuge des 2003 beschlossenen Projekts "Linz im 20. Jahrhundert" erschien 2005 der erste Band der Reihe "Linz-Bilder". Drei weitere Bände folgten. Der Publikumserfolg war so groß, dass bereits mehrere Auflagen gedruckt werden mussten. Auch die beiden neuesten Bildbände "Linz_Einst/Jetzt" zur jüngsten Stadtgeschichte fanden großen Zuspruch in der Bevölkerung.

Bilder "bilden"
Für das neue Projekt "Linz 1918-1938" ist im Archiv der Stadt Linz zwar kein neuer Bildband vorgesehen, allerdings ist der Wert bildlicher Quellen für die Darstellung der Geschichte nicht zu unterschätzen. Aus Fotografien werden Dinge ersichtlich, die sonst keiner Erwähnung wert befunden wurden, Dinge des Alltags, Selbstverständlichkeiten, über die man glaubte nicht zu berichten müssen. Was damals aber alltäglich war, kann heute bereits unbekannt sein. Bilder dienen zur Illustration, zur Verdeutlichung. Kaum etwas kann mehr zur "Veranschaulichung" beitragen als ein aussagekräftiges Bild. Der Quellenwert eines Fotos geht weit über die bloße Abbildung hinaus.

Bilder als kulturelles Erbe
Umso wichtiger ist es, historische Fotoaufnahmen als kulturelles Erbe zu begreifen und sich um ihren Erhalt zu kümmern. Dieser Aufruf an die Bevölkerung, historische Fotoaufnahmen den Archiven zu überantworten, versteht sich auch als Angebot der Archive, die Erhaltung dieser Quellen zu übernehmen. Die Archive als Gedächtnisinstitutionen sind bemüht, fotografische Schätze vor dem Vergessen zu bewahren. Auch wenn dem Laien der Wert einer historischen Aufnahme nicht bewusst ist, die Expertinnen und Experten in den Archiven wissen jede neue Quelle zu würdigen.

Das Archiv der Stadt Linz sowie das Oberösterreichische Landesarchiv haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine möglichst breite historische Überlieferung mit zu gestalten und für den Erhalt wertvoller Quellen für die Nachwelt Sorge zu tragen. Ein umfangreiches Maßnahmenpaket gewährleistet die konservatorisch korrekte Aufbewahrung, die inhaltliche Erfassung sowie Strategien der Digitalisierung und Langzeitsicherung. Wo, wenn nicht im "Gedächtnis" der Stadt bzw. des Landes, wären historische Unterlagen besser aufgehoben? Im Archiv verschwinden die Bilder nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern stehen Interessierten im Gegenteil jederzeit zur Einsicht offen. Mehr noch, die Erhaltung der historischen Aufnahmen sowie deren wissenschaftliche Bearbeitung sind allein in einem professionell arbeitenden Archiv gewährleistet. Alle historischen Fotografien sind beim Archiv der Stadt Linz und dem Oberösterreichischen Landesarchiv sicher in besten Händen.

Aufruf der Archive an die oberösterreichische und Linzer Bevölkerung
Das Oberösterreichische Landesarchiv und das Archiv der Stadt Linz suchen für die Projekte "Oberösterreich 1918-1938" und "Linz 1918-1938" Fotografien aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und der Ersten Republik, die den Alltag dieser Zeit veranschaulichen.

Die beiden größten Archive des Landes begreifen sich nicht als allein zuständig für das Behördenschriftgut, sondern sehen ihre Aufgabe auch darin, darüber hinaus weitere Quellen zur Geschichte von Oberösterreich und Linz zusammenzutragen und für die Nachwelt zu erhalten. Seit jeher werden in beiden Institutionen auch ergänzendes Schriftgut und bildliche Quellen gesammelt: So sind vor allem Fotografien unter den am öftesten nachgefragten Sammlungsbeständen zu finden. Zusammen mit dem "Kern" der Archivbestände, dem archivierten Schriftgut der Behörden, bilden diese Sammlungen ein "Archiv der Erinnerungen". Der Quellenwert von Fotos ist ein ganz besonderer: Der/die Betrachter/in eines historischen Fotos kann sich viel unmittelbarer in die Vergangenheit zurückversetzt fühlen als es ein Text je auszulösen vermag. Es ist also für die historische Forschung wichtig, möglichst viele verfügbare Quellenarten mit einzubeziehen, um ein rundes Bild zu ergeben. Auch die Geschichte der Ersten Republik kann nicht ausschließlich mit Hilfe von schriftlichen Quellen bearbeitet werden.

Welche Fotos werden gesucht?
Das Oberösterreichische Landesarchiv und das Archiv der Stadt Linz suchen Fotografien, die Einblicke in die damaligen Lebensumstände geben. Das sind nicht allein Aufnahmen von politischen Ereignissen (Veranstaltungen, Aufmärsche, paramilitärische Übungen etc.), sondern vor allem Fotos, die den Alltag widerspiegeln: die Arbeitswelt in Fabriken, Handwerksbetrieben, Land- und Forstwirtschaft, Handel und Gewerbe, das Straßenbild mit Bettlern oder Straßenmusikanten, kulturelle oder sportliche Veranstaltungen und Feste, Vereinsleben, Feuerwehr, Rettungswesen und Polizei, Tourismus und Reisen… Diese Liste ließe sich beliebig fortführen. Selbst für sich genommen unscheinbare oder banal wirkende Aufnahmen können in einem größeren Zusammenhang betrachtet einen völlig neuen Erkenntniswert erlangen.

Quellenverlust ist Gedächtnisverlust
Ein wesentlicher Aspekt dieses Aufrufs an die Bevölkerung ist die Tatsache, dass die Zeitzeugen der Ersten Republik immer weniger werden. Mit ihnen verschwindet nicht nur das Wissen "aus erster Hand" um das Leben damals, sondern oft auch materielle Überreste wie eben Fotosammlungen, die von den Nachkommen und Erben aus Unkenntnis oder auch aus Desinteresse weggeworfen werden. Die beiden Archive als Gedächtnisinstitutionen des Landes und seiner Hauptstadt haben es sich zur Aufgabe gemacht, scheinbar wertlose Fotos und Dokumente in einen historischen Kontext zu stellen und somit ihren Quellenwert für Historiker/innen und interessierte Bürger/innen zu sichern. Dazu gehört nicht nur die historisch korrekte Kontextualisierung der Fotografien, sondern auch die fachgerechte Archivierung und Konservierung, so dass sie auch in Zukunft als Quellen zur Geschichte unseres Landes und seiner Hauptstadt dienen können.

Die "Aktion" ist als Service für die Öffentlichkeit mit open end geplant; der Bildband soll im Herbst 2013 erscheinenaber wir werden selbstverständlich auch später noch Fotos annehmen.
Das Landesarchiv nimmt die Fotos in jeder Form entgegen, digital an die
landesarchiv@ooe.gv.at oder physisch per Post oder persönlich (am besten nach telefonischer Vorankündigung 0732 7720 14604) bei der Bearbeiterin, Frau Etzlstorfer; diese übernimmt die Fotos entweder zur dauernden Aufbewahrung im Archiv oder zum Scannen (und anschließende Rückgabe).

     
Informationen: http://www.landesarchiv-ooe.at/    
     
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