"Alte Landkarten des Königreiches Böhmen"   

erstellt am
29. 03. 12

Der Museumsverein Kautzen und das Regionalmuseum Ceský Krumlov / Krumau präsentieren gemeinsam die Ausstellung im Heimatmuseum Kautzen.
Kautzen (museumsverein) - Es werden rund 40 alte Landkarten des ehemaligen Königreiches Böhmen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert zu sehen sein. Sie sind eine Auswahl aus der Bohemica-Landkartensammlung des Regionalmuseums Ceský Krumlov die zu den komplettesten und wertvollsten Museumssammlungen in der Tschechischen Republik gehört. Die Karten, zum größten Teil kolorierte Kupferstiche, aber auch einige Holzstiche, stammen von den bedeutendsten Kartographen Europas, wie Joseph Karl Kindermann, Sebastian Münster, Matthäus Merian, Gerhard Mercator, John Speed, Antonio Zatta und vielen anderen.

Die typischen Konturen Böhmens, des von Bergen gesäumten Herzens von Europa mit seinen längsten Flüssen Moldau und Elbe und mit der Stadt Prag findet man schon auf den ersten mittelalterlichen Landkarten des europäischen Kontinents oder des deutschen geographischen Raumes (Z. B. al-Idrisí 1154, oder Erbstorfer Karte 1230).

Als Autor der ersten Einzellandkarte Böhmens ging der Jungbunzlauer Arzt Nicolaus Claudianus in die Geschichte der böhmischen Kartographie ein, der seine Karte 1518 in der Nürnberger Werkstatt von Hieronymus Höltzel als kolorierten Holzschnitt drucken ließ. Die Abbildung des Landes mit der umgekehrten Orientierung der Himmelsrichtungen als heute üblich umfasst 280 eingezeichnete Siedlungen (königliche und landesfürstliche Städte, Burgen, Schlösser, Klöster) und Bezeichnungen in der tschechischen Sprache, schematisch dargestellt ist das Landschaftsrelief mit den Bergen ("Krkonoss") und Waldbeständen, beschriftet die Flüsse Moldau, Elbe, Eger, Iser, Adler und Sasau. Die Karte erfasst auch das Netz der wichtigsten Landesstraßen. Obwohl heute nur ein einziges Originalexemplar bekannt ist (Staatsregionalarchiv Litomerice, Bischöfliche Bibliothek), verbreitete sich diese Landkarte bald in ganz Europa - in vielen Ausgaben und Sprachmutationen der populärwissenschaftlichen "Kosmographie" des Basler Kartographen Sebastian Münster. Eine dieser Karten ist in der Ausstellung zu sehen.

Für den Autor der dritten Landkarte Böhmens wird Paulus Aretinus von Ehrenfeld gehalten, der in den Jahren 1609 - 1611 als Sekretär Peter Woks von Rosenberg in Wittingau tätig war. Der Register mit 1157 Örtlichkeiten belegt den topographischen Reichtum der Karte, die gleichzeitig zum ersten Mal die Verwaltungseinteilung des Landes in 15 Kreise veranschaulicht und zwei wichtige Handelswege zeigt - den durch Prachatitz führenden Goldenen Steig und den Neuen Steig, an dem Krumau lag. Die Anmerkungen des Autors geben unter anderem auch Aufschluss über Goldminen, Glashütten, Kurorte, über die Perlen im Fluss Otava oder die Edelsteine in der Iser. Der Einfluss von Aretins Konzeption wird unter anderen in den Karten von John Speed (1626 in London) und der von Sanson d´Abeville (1654 in Paris) sichtbar, die beide ausgestellt werden.

Einen deutlichen Fortschritt in der Genauigkeit der kartographischen Darstellung zu Anfang des 18. Jahrhunderts, die insbesondere für die steuerliche und militärische Nutzung der Karten erforderlich war, belegt die Landkarte Böhmens von Johann Christoph Müller aus dem Jahr 1720, die mit vollem Recht zu den bedeutendsten europäischen Werken dieses Genres gezählt wird, nicht nur auf Grund ihrer beachtlichen Maße (25 Sektionen, insgesamt 240x282 cm), der Ausführlichkeit in Beschreibung (insgesamt 12 495 Örtlichkeiten mit umfassender Erklärung und 48 Markierungen - Siedlungen, Gewässer, Straßen, Mühlen, Weinberge, Bergwerke, Hütten, Glasfabriken, Postämter), sondern auch auf Grund der prunkvollen dekorativen Ausstattung, deren Vorlage von dem bedeutenden Barockmaler Wenzel Lorenz Reiner geschaffen wurde. Wegen ihres zu großen Formats war Müllers Karte nicht ganz geeignet zum praktischen Nutzen, was im Jahr 1726 zu der Herausgabe ihrer verkleinerten Variante (144,5x168 cm) durch Johann Wolfgang Wieland führte. Beide Werke wurden zu einer unerschöpflichen Inspirationsquelle und Vorlage für die Kartenproduktion der Verleger in ganz Europa praktisch bis zum Schluss des 18. Jahrhunderts. Dies zeigen zahlreiche Objekte der Ausstellung wie die Werke von Johann B. Homann, Tobias Lotter, Antonio Zatta und Franz Johann von Reilly.

Einige der Landkarten zeigen auch größere Gebiete der ehemaligen Donau-Monarchie, und fast alle beinhalten mehr oder weniger detailierte Darstellungen der angrenzenden Landstriche von Ober- und Niederösterreich. An Hand der ausgestellten Exponate wird der Fortschritt in der kartographischen Darstellung ersichtlich.

Diese Ausstellung findet im Rahmen des Kulturprojektes "Porta culturae", das weitere Kontakte zwischen Südböhmen, Südmähren und dem Kreis Vysocina mit Niederösterreich fördern, beziehungsweise bestehende Kontakte intensivieren soll, statt. Das Projekt "Porta culturae" wird von der EU kofinanziert.

Das Regionalmuseum Ceský Krumlov / Krumau gehört seit 1990 zu den aktivsten Einrichtungen in der Tschechischen Republik im Bereich des grenzüberschreitenden Kulturaustausches - bis jetzt wurden weit über 100 konkrete Projekte (Ausstellungen, Symposien, Seminare, Podiumsgespräche, fachspezifische Exkursionen etc) mit Ober- und Niederösterreich realisiert. Im Jahr 2013 wird sich das Regionalmuseum an der Landesausstellung Oberösterreich - Südböhmen mit dem Titel "Alte Spuren - neue Wege" beteiligen.

Öffnungszeiten:
Eröffnung: Sonntag, 1. April 2012, 16,00 Uhr.
Vom 8. April bis 10. Juni 2012, jeden Sonn- und Feiertag von 9 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr. Gruppenführungen sind gegen telefonische Voranmeldung jederzeit möglich.
     
Informationen: http://www.kautzen.com    
     
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