Euro-Raum vorübergehend in der Rezession   

erstellt am
29. 03. 12

Prognose für 2012 und 2013
Wien (wifo) - Die Wirtschaft befindet sich im Euro-Raum zur Zeit in einer Rezession. Ab der Jahresmitte dürfte die Konjunktur jedoch wieder Tritt fassen. Allerdings wird die Dynamik angesichts der Sparbemühungen in den öffentlichen Haushalten vieler Länder verhalten bleiben. Die exportorientierte Wirtschaft von Deutschland und Österreich erhält zwar abermals verstärkt Wachstumsimpulse aus dem außereuropäischen Ausland, jedoch wird auch sie von der verhaltenen Entwicklung im Euro-Raum belastet. In Österreich wird das BIP 2012 um 0,4% expandieren. 2013 gibt zwar der Außenhandel der Wirtschaft erneut Schwung, jedoch schmälern fiskalische Konsolidierungsbemühungen die Zuwachsraten. Das BIP wird dann um real 1,4% steigen. Die Entwicklung der Rohölpreise verhindert einen zügigen Rückgang der Inflationsrate.

Ähnlich wie im Durchschnitt des Euro-Raumes verlor die Konjunktur in Österreich im Jahresverlauf 2011 weiter an Schwung. Die Wachstumsimpulse aus dem Ausland ließen deutlich nach, und das BIP schrumpfte zu Jahresende leicht. Wie die Umfragen unter den österreichischen Unternehmen zeigen, sollte diese Wachstumsschwäche bald überwunden sein, bereits ab dem II. Quartal 2012 könnte die heimische Wirtschaft wieder expandieren. Der Aufschwung dürfte jedoch recht verhalten bleiben, da viele EU-Länder eine verstärkte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte anstreben und Unternehmen wie auch private Haushalte in ihren Ausgaben vorerst zögerlich sein werden. Italien hat für heuer umfangreiche Sparmaßnahmen angekündigt. Für Österreichs zweitwichtigsten Warenabsatzmarkt wird daher 2012 mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gerechnet. In Ungarn, das unter Österreichs Warenexportmärkten an 7. Stelle steht, dürfte sich die Konjunktur ebenfalls deutlich verschlechtern. Beides wird heuer die Entwicklung in Österreich belasten. 2013 verstärkt auch die heimische Wirtschaftspolitik ihre Sparbemühungen stärker als in der Dezember-Prognose angenommen, sodass der Aufschwung zusätzlich gebremst wird. Das BIP wird in diesem Umfeld real um nur 1,4% gesteigert werden können.

Die Unsicherheit auf den Finanzmärkten scheint sich gegenüber Ende 2011 etwas verringert zu haben. In vielen Euro-Ländern sanken die langfristigen Zinssätze, Griechenland erzielte eine Einigung mit den Gläubigern, und auf den Aktienmärkten war eine deutliche Aufwärtsbewegung zu verzeichnen. Die Krise im Bankenbereich scheint hingegen noch nicht überwunden, wenngleich auch hier vorläufig eine teilweise Entspannung zu beobachten ist.

Der neuerliche Anstieg der Rohölpreise aufgrund geopolitischer Spannungen verhindert, trotz der lahmenden Konjunktur, einen zügigen Rückgang der Inflation. Die heimischen Verbraucherpreise werden deshalb heuer um 2,4% steigen. Erst 2013 sollte die Teuerungsrate wieder auf 2% zurückgehen.

Die Abschwächung der Konjunktur wird auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen. Die Arbeitslosenquote dürfte sich heuer auf 7,1% erhöhen (2011: 6,7%). 2013 wird das Wirtschaftswachstum nicht ausreichen, um diese Entwicklung umzukehren, die Arbeitslosenquote wird daher weiter steigen. Auch die bislang relativ kräftige Beschäftigungsausweitung wird gedämpft, die Wachstumsrate wird sich 2012 auf 0,8% mehr als halbieren und 2013 weiter auf 0,4% zurückgehen.

Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen" Bezug genommen.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone.

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
     
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