Österreich und CEE: Eine Wende zum Besseren   

erstellt am
10. 04. 12

Reales BIP-Wachstum in CEE für 2012 von 2,6 Prozent erwartet, während BIP in der Eurozone um 0,5 Prozent schrumpfen soll
Wien (rzb) - „Seit den Wintermonaten hat sich die Einstellung der Unternehmer auch in Zentral- und Osteuropa (CEE) und Österreich zu bessern begonnen“, berichtet Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research, einer Einheit der Raiffeisen Bank International AG (RBI). Seiner Aussage zufolge war insbesondere die Aufhellung der Konjunkturaussichten in Deutschland, das mit Abstand die wichtigste Exportdestination vieler CEE-Länder ist, der Grund dafür die BIP-Prognosen anzuheben. „Im Moment macht es nicht den Anschein, als ob die Schuldenkrise der europäischen Staaten auch die CEE-Kernländer beeinträchtigen würde“, ergänzt er. Der Chefanalyst erwartet daher, dass die CEE-Region im Jahr 2012 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von 2,6 Prozent aufweisen wird – im Vergleich zu einer früheren Prognose aus dem Dezember des vorigen Jahres, in der er noch von einem Wachstum von 2 Prozent ausging. „Stellt man dieses Wachstum der Rezession in der Eurozone von 0,5 Prozent gegenüber, dann wird klar, dass CEE einmal mehr die Wachstumsregion Europas ist“, ergänzt Brezinschek.

Basierend auf dem Aufschwung der deutschen Wirtschaft, geht der Chefanalyst von Raiffeisen Research für 2012 von einem Wachstum von 1,4 Prozent in Zentraleuropa (CE) aus, während Südosteuropa (SEE) weiterhin die Auswirkungen der Rezession spüren soll. „Dort sind die strukturellen Schwächen noch nicht so konsequent ausgemerzt und der negative Einfluss der Rezession in den Südländern der Eurozone eher spürbar. Quer über die SEE-Region ist daher 2012 eine Stagnation des BIP von 0,3 Prozent wahrscheinlich“, erklärt Brezinschek. Die starke Bewegung bei den Ölpreisen hat die Analysten auch dazu veranlasst, seine Russland-Prognose für 2012 auf 3,7 Prozent zu erhöhen, was sich in einem BIP-Wachstum für die ganze Region der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) von 3,7 Prozent widerspiegelt.

Bei Österreich haben die Analysten von Raiffeisen Research mit plus 0,3 Prozent eine Aufwärtsentwicklung ab dem Frühjahr unterstellt. „Die österreichische Wirtschaft dürfte sich auch im ersten Quartal dieses Jahres etwas schwächer darstellen, dann sollte der schlimmste Teil aber überstanden sein. Man darf aber nicht vergessen, dass der private Konsum, unterstützt von solidem Einkommenswachstum und robusten Beschäftigungsdaten, beinahe 1 Prozent an realem Wachstum aufweisen wird. Für 2013 erwarten wir ein Wachstum des realen BIP von 1,3 Prozent im Jahresvergleich“, sagt der Chefanalyst von Raiffeisen Research. Die hohen Inflationsraten zu Jahresbeginn werden erst im Verlauf des Jahres moderat nachlassen. Daher muss die Inflationsrate auf 2,3 Prozent angehoben werden.

Keine Anzeichen einer Kreditklemme in CEE
Die Analysten von Raiffeisen Research wollen die weitverbreiteten Ängste, CEE würde von dem Kreditverknappungsprozess im westeuropäischen Bankensektor stark getroffen werden, widerlegen. „Wir erkennen keine Anzeichen einer Kreditklemme in der GUS und in CE, exklusive Ungarn“, sagt Brezinschek. Es ist allerdings unbestreitbar, dass noch Herausforderungen auf den Bankensektoren einiger SEE-Staaten mit niedrigem Kreditwachstum und einem weiterhin steigenden Anteil der notleidenden Kredite an den Gesamtkrediten kommen werden. „Dennoch bleibt der Zufluss von Einlagen in allen CEE-Ländern auf gesundem Niveau. Dadurch entwickelte sich das Verhältnis von Krediten zu Einlagen in den meisten CEE-Ländern in den vergangenen neun bis zwölf Monaten rückläufig“, so der Chefanalyst. Darüber hinaus erwartet der Experte, dass sich der Anteil der notleidenden Kredite an den Gesamtkrediten in den solidesten CEE-Bankensektoren wie Polen, Russland, der Tschechischen Republik und der Slowakei stabilisieren wird.

Bis Herbst mögliche Zinssenkungen in Ungarn, Rumänien und Russland
Die höheren Nahrungsmittel- und vor allem Energiepreise haben in den ersten Monaten 2012 zu höher als erwarteter Teuerung in der CEE-Region geführt. „Daher sind zum Beispiel auch in Polen und Tschechien Zinssenkungen seitens der lokalen Zentralbanken ausgeblieben oder in die zweite Jahreshälfte 2012 verschoben worden“, erklärt Brezinschek. Er rechnet aber damit, dass es bei einer Beruhigung der Lage in Ungarn, Rumänien und Russland bis zum Herbst zu Zinssenkungen kommen könnte.

CEE-Währungen durch Liquiditätsflutung der EZB gestärkt
Die Liquiditätsflutung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat aber auch ihre Auswirkungen in CEE entfaltet: „So konnten sich zum Beispiel durch die abnehmende Risikoaversion insbesondere der polnische Zloty, der ungarische Forint, die tschechische Krone und auch der russische Rubel stark befestigen.“ Parallel dazu sind die Renditen in den wichtigsten Anleihenmärkten moderat gefallen und CEE-Länder konnten erfolgreich Eurobonds platzieren. „Im zweiten Quartal sehen wir großteils eine Stabilisierung von FX und Renditen auf aktuellem Niveau“, erklärt Brezinschek. Er geht davon aus, dass der klar positive Renditevorsprung daher auch selektive Käufe bei Lokalwährungsanleihen rechtfertigt.

Kaufempfehlung für CEE-Aktien

Im Zuge der EZB-Liquiditätsschöpfung hat sich das freundliche Börsenklima von Kerneuropa auch auf die CEE-Börsen übertragen. „Das Bild bleibt aber differenziert. Paradoxerweise haben die mit großen Problemen konfrontierten Länder Rumänien und Ungarn klar zweistellige Kurszuwächse – neben Österreich, während die fundamental stärkeren Länder, wie Polen, Tschechien und Russland etwas unter diesen Vorgaben blieben“, sagt der Chefanalyst. Er sieht quer über die CEE-Region auch im zweiten Quartal durchschnittliche Kurssteigerungen von 6 bis 11 Prozent und hält seine generelle Kaufempfehlung auf alle Börsenplätze auf drei bis sechs Monate weiterhin aufrecht.

Gute Berichtssaison – vor allem in Österreich
Die Berichtssaison für das Schlussquartal 2011 verlief vor allem in Österreich recht gut. Knapp ein Drittel der Unternehmen konnte die Schätzungen der Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) bzw. die Konsensuserwartungen übertreffen. Unter den positiven Überraschungen sind OMV, Erste Group, Raiffeisen Bank International, RHI, Andritz, Mayr-Melnhof und S-IMMO hervorzuheben. „Als gutes Zeichen für den österreichischen Aktienmarkt werte ich, dass es im Gegensatz zu den Vorquartalen, vor allem die hochkapitalisierten Unternehmen waren, welche mit ihren Zahlen die Markterwartung schlagen konnten“, erläutert Stefan Maxian, Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank (RCB).
In Osteuropa fiel die Berichtssaison etwas schwächer aus. Zwar wurden Umsatzerwartungen großteils erreicht, die Profitabilität blieb teilweise allerdings aufgrund von schwächeren CEE Währungen und steigenden Inputkosten hinter den Erwartungen zurück. Im größten Markt Polen enttäuschten vor allem Unternehmen aus dem Bau- und Immobiliensektor.

Ausblick: Bis Jahresende Kurszuwächse an allen Märkten erwartet
Die RCB gehen für heuer bei den ATX Unternehmen von einer um Einmaleffekte bereinigten Gewinnsteigerungsrate von 14 Prozent aus. Trotz der starken Entwicklung seit Jahresanfang – der ATX liegt seit Jahresbeginn rund 10 Prozent im Plus - haben die Bewertungsniveaus keine wirklich markante Expansion erfahren. Mit einem Kurs/Gewinnverhältnis von 10,1 für 2012 bleibt die Bewertung unter dem langjährigen Durchschnitt. Mit einem ATX-Kursziel von 2.350 Punkten auf Sicht Juni und 2.450 Punkten zu Jahresende empfiehlt die Raiffeisen Centrobank den österreichischen Aktienmarkt zum Kauf. Die ATX Unternehmen sollten auch ansprechende Geschäftszahlen für das erste Quartal 2012 liefern. „Die gesetzten Liquiditätsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank und die Verbesserung des Sentiments sollten zu einer zufriedenstellenden Geschäftsentwicklung geführt haben. Gute Zahlen werden insbesondere von OMV, Erste Group und Verbund erwartet“, so RCB-Chefanalyst Stefan Maxian.

Österreichische Empfehlungen: Immofinanz, AMAG, OMV, Erste Group, Flughafen Wien, Mayr-Melnhof
Am österreichischen Markt zählen für die Raiffeisen Centrobank aktuell Immofinanz und AMAG, sowie OMV, Erste Group, Flughafen Wien und Mayr-Melnhof zu den Kernempfehlungen.

Im Immobilienuniversum bevorzugen wir Immofinanz, da das Unternehmen in der Lage ist, Dividenden auf nachhaltiger Basis aus operativen Erträgen ohne Immobilienverkäufe zu erwirtschaften und weiters Optimierungspotenzial vorhanden ist. .
Im Industriebereich wird aktuell auf AMAG und Mayr-Melnhof gesetzt. Für AMAG spricht der Trend steigender Nachfrage nach Aluminiumprodukten. Obwohl 2012 aufgrund von Kapazitätsengpässen für die AMAG eher ein Übergangsjahr darstellt wird erwartet, dass das Unternehmen 2013 dank höherer Volumina im Downstream Bereich sowie höherer Aluminiumpreise wieder auf den Wachstumstrend zurückkehren wird. Für Mayr-Melnhof hat sich zuletzt das Umfeld deutlich gebessert, nicht zuletzt auch durch die zu erwartenden positiven Effekte auf die Nachfrageentwicklung, die aus dem vollzogenen Abbau der Lagerbestände in der Kartonindustrie erwartet werden.

Für die Aktie von OMV spricht aktuell das hohe Ölpreisniveau, die Wiederaufnahme der Förderung in Libyen, was den Haupttreiber des Produktionswachstums in diesem Jahr darstellt sowie die Verbesserung der Raffineriemargen in Rumänien. Auch die Gerüchte, wonach IPIC den Anteil an OMV auf über 25 Prozent aufstocken könnte, unterstützen den Aktienkurs.

Der Bankensektor sollte gute Geschäftszahlen für das erste Quartal liefern. Der Sektor profitierte von der Liquiditätsversorgung der Europäischen Zentralbank wodurch die RCB-Analyse eine Unterstützung der Nettozinsergebnisse erwartet. Darüber hinaus werden Einmaleffekte (Rückkauf von unter pari notierten Hybridanleihen) die Ergebnisse unterstützen.

Das starke Passagierwachstum Anfang des Jahres (Januar-Februar + 9,6 Prozent) und der optimistische Ausblick des Unternehmens veranlasste die RCB-Analysten zuletzt die Empfehlung für die Aktie des Flughafen Wien auf „Kauf“ anzuheben.

Osteuropäische Favoriten: Bogdanka, Cyfrowy Polsat, MTS
Bogdanka ist der effizienteste und am günstigsten bewertete Produzent thermischer Kohle in Polen mit einem jährlichen Ausstoß von ca. 6 Millionen Tonnen. Einerseits basiert die polnische Stromerzeugung nahezu ausschließlich auf Kohle, andererseits zeichnet sich ein Engpass bei Kohleimporten ab. Bogdanka ist Nutznießer dieser Versorgungsknappheit.

Im polnischen Mediensektor bevorzugen wir aktuell Cyfrowy Polsat. Die Rentabilität des defensiven Pay-TV-Geschäfts in der zweiten Jahreshälfte 2011 überraschte uns positiv. Zusätzlich sollte die Erholung des Polnischen Zloty zu höher als ursprünglich erwarteten operativen Margen führen. Cyfrowy Polsat expandiert in neue Wachstumsberichte und erwarb dazu vor kurzem eine Lizenz für mobiles Fernsehen.

Das Umfeld im ersten Quartal 2012 sprach für den russischen Telekomwert MTS. Steigende Reallöhne und frei verfügbare Einkommen sollten ein positiver Einflussfaktor auf Telekommunikationsumstätze gewesen sein. Neben dem günstigen makroökonomischen Umfeld sehen wir Anzeichen nachlassenden Konkurrenzdrucks im Mobilfunkmarkt. Die letzten Quartalszahlen zeigten positive Effekte der neuen erfolgreichen Kundenbindungsstrategie.
     
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