Rahmenbedingungen für Kunstschaffende verbessern  

erstellt am
18. 04. 12

Zwischenbilanz des Kulturrat Österreich
Soziale Lage der KünstlerInnen: Drei Jahre interministerieller Arbeitsprozess ohne strukturelle Ergebnisse
Wien (kulturrat) - Vor drei Jahren hat das bm:ukk einen groß angelegten interministeriellen Prozess zur Verbesserung der sozialen Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden initiiert - mit Beteiligung zahlreicher BeamtInnen, MitarbeiterInnen aus den Sozialversicherungsanstalten, AMS, KSVF und anderen Institutionen, InteressenvertreterInnen sowie Aktiven im Feld. Nach jahrelanger Forderung von Interessengemeinschaften und KünstlerInnen folgte auf Basis der Ergebnisse einer Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen in Österreich (in Auftrag gegeben vom bm:ukk) ab April 2009 die Einrichtung von acht interministeriellen Arbeitsgruppen (IMAG), um Probleme in den Bereichen Arbeit, Sozialversicherungssystem für KünstlerInnen, Steuern, Mobilität, Förderpolitik, Frauen in der Kunst, UrheberInnenrecht und Schauspielgesetz zu formulieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Eine Zwischenbilanz: Im ersten Jahr wurden umfassend Problemlagen erhoben, im zweiten Einzelnes konkretisiert, und im dritten? Hier gleicht das Ergebnis dem allgemein zu konstatierenden Stillstand in der offiziellen Kulturpolitik.

Alles erledigt? Im Gegenteil!
Nicht einmal mehr die Ministerin sieht grünes Licht. Ihre erste kulturpolitische Ansage nach Amtsantritt im Jänner 2007, die Einkommensuntergrenze als Voraussetzung für einen Zuschuss beim Künstler-Sozialversicherungsfonds (KSVF) streichen zu wollen, hielt nur wenige Wochen. Die durchaus ambitioniert im aktuellen Regierungsprogramm verankerte Agenda - die Verbesserung der sozialen Lage der KünstlerInnen - scheint nun sogar zur Gänze in der Rundablage zu landen: Ohne grundlegende Verbesserungen der sozialen Lage aller sei eine Verbesserung für KünstlerInnen nicht vorstellbar, so Schmied zuletzt in zahlreichen Interviews. Die logische Schlussfolgerung wäre wohl eine aktive Politik zur Verbesserung der generellen Situation, und nicht jeglichen politischen Veränderungswillen aufzugeben. Die dramatisch prekäre Lage von Kunstschaffenden - Anlass und Ausgangspunkt des gesamten IMAG-Prozesses - wird mit diesem Paradigmenwechsel völlig unter den Teppich gekehrt.

Was aber ist aus der Politik der kleinen Schritte geworden? Offensichtlich waren die Schritte zuletzt so klein, dass der politische Gesamtrahmen von aktiver Belastungspolitik bis hin zu fortschreitend rassistischer Gesetzgebung und Aufenthaltsbestimmungen all die kleinen Resultate und Änderungen des hoffnungsvoll begonnenen IMAG-Prozesses vom Tisch zu wischen begann... Symptomatisch aber auch jene Teilbereiche der IMAG, in denen Handlungsmöglichkeiten bestehen und sogar in einzelnen Ministerien ohne aufwändigen Abstimmungsbedarf realisierbar wären: eine konkrete Gleichstellungspolitik etwa, die sich nicht in Kleinstprojekten oder Spitzenförderungen erschöpft, oder eine transparentere Förderpolitik, gar nicht zu sprechen vom Beginn eines grundlegenden Prozesses mit dem Ziel einer zeitgemäßen (Um-)Verteilung der öffentlichen Kunst- und Kulturbudgets.

Aber führen wir uns noch einmal vor Augen, wie sich die Situation 2007 darstellte
Die Studie zur sozialen Lage der KünstlerInnen offenbarte eine dramatische Armut: 37% der Kunstschaffenden leben von einem Jahresgesamteinkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze (im Vergleich zu 12,6% der Gesamtbevölkerung und 8% der Erwerbstätigen). Etwa 50% erreichen aus der künstlerischen Tätigkeit das vom Künstler-Sozialversicherungsfonds für einen Zuschuss geforderte jährliche Mindesteinkommen nicht. Das Einkommen von Frauen ist trotz höherem Ausbildungsgrad, größerem Weiterbildungsinteresse und stärkerer Vernetzungen um 35% niedriger als bei Künstlern. Das mittlere Äquivalenzeinkommen von Kunstschaffenden liegt bei 1.033 Euro pro Monat (Gesamtbevölkerung: 1.488 Euro), obwohl drei von vier KünstlerInnen zusätzlich mindestens einer kunstnahen oder kunstfernen Erwerbstätigkeit nachgehen. Insgesamt kam die Studie zu dem Ergebnis, dass sich die ohnehin prekäre Einkommenssituation von KünstlerInnen im Vergleich zu Studien vor zehn Jahren sogar noch verschlechtert hatte.

Seitdem sind die Zeiten, Marktbedingungen, Lebensrealitäten von KünstlerInnen aber noch härter geworden.

Statt weiterer Verschlechterungen braucht es endlich eine Wende! Es braucht kleine und große Schritte - und eine politische Vorstellung davon, was ein Fernziel sein könnte! Eine Ansage wie die aktuelle von Ministerin Schmied hält nicht nur die KünstlerInnen strukturell weiter in Armut, sondern ist ein kulturpolitisches Armutszeugnis und treibt die Spirale in die falsche Richtung. Damit wird jeder Anspruch einer Verantwortung für eine aktive Kulturpolitik zum Erreichen der (selbst!) formulierten Ziele ohne Not unter den Teppich eines vermeintlichen Pragmatismus gekehrt.

http://kulturrat.at

 

 Schmied: Urheberrecht rasch ändern - Kunstschaffende fair entlohnen
Gesetzliche Grundlagen für zeitgemäßes Urheberrecht möglichst noch 2012 schaffen - Festplattenabgabe soll Ergiebigkeit der Einnahmequellen wiederherstellen
Wien (sk) - Kulturministerin Claudia Schmied hat am 18.04. bei einem Pressegespräch im Literaturhaus Wien die Notwendigkeit bekräftigt, das Urheberrecht rasch zu ändern. Es gelte, mittels einer Festplattenabgabe "die Ergiebigkeit der Einnahmenquellen wiederherzustellen", um so die Rahmenbedingungen für eine faire Entlohnung der Leistung von Kunstschaffenden sicherzustellen, sagte Ministerin Schmied. Die Kulturministerin zeigte sich zuversichtlich, dass es gemeinsam mit Justizministerin Karl gelingen wird, die gesetzlichen Grundlagen für ein zeitgemäßes Urheberrecht noch 2012 zu schaffen. "Wir sind guter Dinge und gut vorbereitet", betonte Schmied mit Verweis auf die vielen Vorarbeiten, Gesprächsrunden und vorzeigbaren Ergebnisse der interministeriellen Arbeitsgruppen.

"Buch und Literatur im digitalen Zeitalter: Kunst und Geld, Wert und Preis" - das war das Thema des Pressegesprächs, an dem neben Kulturministerin Schmied auch Gerhard Ruiss (Geschäftsführer IG Autorinnen Autoren), Sandra Csillag (Geschäftsführerin Literar-Mechana) sowie Benedikt Föger (Vizepräsident Hauptverband des Österreichischen Buchhandels) teilnahmen. Ministerin Schmied unterstrich in der Diskussion zum Urheberrecht drei zentrale Punkte:

+ Kunstschaffende müssen für ihre Arbeit ein faires Einkommen erzielen. + Das Thema Urheberrecht steht im Zusammenhang mit mehreren Ressorts und bedarf breiter Positionierung. Daher wurden bereits interministerielle Arbeitsgruppen eingesetzt. + Das Urheberrecht muss mit der Entwicklung der Zeit gehen und braucht eine Anpassung.

Wie reformbedürftig das Urheberrecht ist, zeigen auch zwei Zahlen. So gab es im Jahr 2005 noch 17,6 Millionen Euro Einnahmen für Urheber, während es im Jahr 2011 nur mehr 7,9 Millionen Euro waren. Dieser Rückgang sei nicht auf eine geänderte Verteilung zurückzuführen, sondern auf eine geänderte technologische Entwicklung (Rückgang der Leerkassettenabgabe und Zunahme der Festplattenspeicherung). Es sei daher klar, dass es "dynamische Anpassungsprozesse braucht, um für faire Einnahmemöglichkeiten zu sorgen, die Kunstschaffenden zugute kommen", bekräftigte Schmied.

Ministerin Schmied betonte in der Diskussion auch die zentrale Bedeutung von Kunst und Kultur, die für unser Land von unbezifferbar hohem Wert sind - und das sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch, so Schmied mit Verweis auf hohe Beschäftigungseffekte. Umso erfreulicher sei es daher, dass es auch in budgetär angespannten Zeiten gelungen ist, das Kunstbudget stabil zu halten. So gebe es etwa bei der Literatur "eine Förderung, die sich sehen lassen kann" und die heuer auf 11,7 Millionen Euro gestiegen ist, während es im Jahr 2006 10,6 Millionen Euro waren.

 

 Zinggl vermisst Maßnahmenpaket zur Verbesserung der sozialen Lage von KünstlerInnen.
Grüne unterstützen Kritik des Kulturrats
Wien (grüne) - "Die Kulturpolitik der Ministerin hat sich von Anfang an auf das Fortsetzen des Status Quo beschränkt. Das ist schon deshalb verwerflich, weil es die soziale Kluft vergrößert, die aus einer jahrelangen Missachtung der sozialen Lage von Kunst- und Kulturschaffenden entstanden ist", unterstützt Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, die Kritik des Kulturrats vom 18.04. "Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Kulturministeriums hat zwar die Ressourcen der Interessenvertretungen ausgeschöpft, aber die daraus resultierenden politischen Konsequenzen nicht gezogen. Das im Regierungsprogramm groß angekündigte Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen für Kunstschaffende bleibt somit reine Ankündigungspolitik. Mittlerweile hat sich die Ministerin von den Sorgen der Betroffenen endgültig verabschiedet. In der Tiroler Tageszeitung vom 14. März gibt sie sogar selbst zu, dass sie ,dieses Thema nicht selbst lösen können wird' ", kritisiert Zinggl.

Aufgrund eines Entschließungsantrags von Wolfgang Zinggl hat der Nationalrat im Juli letzten Jahres die Ministerin beauftragt, wissenschaftlich abgesicherte Grundlagen auch zur Bezahlung der Arbeit in Kulturinitiativen erarbeiten zu lassen. Doch die Ministerin weigert sich auch auf diesem Sektor zu agieren. "Offenbar hat sie Angst, dass mit dem Ergebnis solch einer Studie noch deutlicher werden würde, welch dringend politischen Handlungsbedarf es gibt", sagt Zinggl abschließend.
     

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