"Patientenverfügungen: Oft genannt - vielfach noch unbekannt"    

erstellt am
18. 04. 12

Über 200 Teilnehmer informierten sich bei der Podiumsdiskussion der Hospizakademie über die Problematik der Patientenverfügung und den damit verbundenen Grenzen der Selbstbestimmung.
Graz (universität) - Wie kann ich bei medizinisch-therapeutischen Maßnahmen an meinem Lebensende im Vorhinein mitwirken? Wie sehen die gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich aus? Wo liegen die Grenzen der Selbstbestimmung des Patienten? Oftmals kann der Vorwurf:" Hätte ich mich oder hätten wir uns als Angehörige früher informiert!", schon zu spät kommen. Am Lebensende kann das Thema Patientenverfügung, das bis dahin als Randthema in unserem Bewusstsein vorgekommen ist, plötzlich große Bedeutung erlangen.

Die Selbstbestimmung des Patienten hat aber auch Grenzen. Lt. Prim. Prof. Dr. Meran ist es wissenschaftlich erwiesen, dass es im Krankheitsfall in vielen Fällen zu einer Veränderung der Persönlichkeit und damit zu einer anderen Beurteilung der eigenen Lebenssituationen kommt. Was einem Gesunden nicht mehr lebenswert erscheinen mag, kann für einen Kranken durchaus lebenswert sein.

Als Empfehlung hat sich im Laufe der Podiumsdiskussion herauskristallisiert, dass man für den Fall des Falles seine Behandlungswünsche in einer "Vorsorgevollmacht" am besten einem nahen Angehörigen mitteilt, der sie dann dem behandelnden Arzt weiter gibt.


Bei der Podiumsdiskussion diskutierten nach einer Begrüßung durch Landesrätin Mag.a Kristina Edlinger-Ploder und Vizerektorin Ao.Univ.-Prof.in Dr.in Renate Dworczak u.a.
Dr.in Trautgundis Kaiba (Hospizverein Steiermark), Prim. Prof. Dr. Johannes Meran (Leiter der Internen Abteilung Krankenhaus Barmherzige Brüder Wien), Dr. Dieter Müller (Kammeramtsdirektor der Ärztekammer für Steiermark) und Dr. Martin Piaty (Rechtsanwalt)



Patientenverfügung
Information von Dr. med. T. Kaiba

Der Nationalrat hat am 29. März 2006 ein Gesetz über Patientenverfügungen beschlossen, das am 8. Mai 2006 als 55. Bundesgesetz ausgegeben wurde und am 1. Juni 2006 in Kraft trat.

Eine Patientenverfügung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt.

Diese Willenserklärung soll dann wirksam werden, wenn der Patient im Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist.

Eine Patientenverfügung kann verbindlich oder für die Ermittlung des Patientenwillens beachtlich sein.

Vorraussetzung für eine Verbindliche Patientenverfügung ist die volle Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Betroffenen, eine umfassende medizinische Aufklärung durch einen Arzt und eine rechtliche Aufklärung durch einen Notar, Rechtsanwalt oder Patientenanwalt.
In einer Verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die abgelehnt werden, konkret beschrieben sein und es muss aus der Verfügung hervorgehen, dass der Patient die Folgen der Patientenverfügung zutreffend einschätzt.

Der aufklärende Arzt muss die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Patienten durch eigenhändige Unterschrift bestätigen. Der ausführende Arzt darf im Anlassfall nicht mitentscheiden!

Eine Patientenverfügung wird dann verbindlich, wenn sie eigenhändig vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem Patientenanwalt unterschrieben wird und der Patient über die Folgen der Patientenverfügung als auch über die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs belehrt worden ist.

Eine Verbindliche Patientenverfügung verliert nach Ablauf von fünf Jahren ihre Verbindlichkeit und kann nach entsprechender ärztlicher Aufklärung vor einem Rechtsanwalt, Notar oder Patientenanwalt für weitere 5 Jahre erneuert werden.
Wenn aber ein Patient die Patientenverfügung mangels Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit nicht erneuern kann, so behält sie auch nach 5 Jahren ihre Gültigkeit. Und wenn die Verbindliche Verfügung aus anderen Gründen - finanziellen oder persönlichen - nicht erneuert wird, so bleibt sie als Beachtliche unbegrenzt gültig.

Eine Beachtliche Patientenverfügung ist eine Patientenverfügung, die nicht alle Vorraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllt. Sie ist dennoch für die Ermittlung des Patientenwillens vom behandelnden Arzt zu beachten und sie ist unbegrenzt gültig! Der ausführende Arzt darf im Anlassfall mitentscheiden!

Eine Beachtliche Patientenverfügung wird umso verbindlicher, je konkreter sie bei bereits bekannten Krankheiten die vorhersehbaren Situationen beinhaltet - man spricht von einer Qualifizierten Beachtlichen Patientenverfügung - deshalb sollte auch für eine beachtliche Patientenverfügung eine umfassende ärztliche Beratung durchgeführt werden, auch wenn dies vom Gesetz nicht verlangt wird.

Eine Beachtliche Patientenverfügung muss nicht vom Notar, Rechtsanwalt oder Patientenanwalt beglaubigt werden, sollte aber alle ein bis zwei Jahre mit Datum und Unterschrift vom Patienten selber neuerlich bestätigt werden.

Eine Patientenverfügung darf nur höchstpersönlich und nicht vom Stellvertreter in Gesundheitsangelegenheiten errichtet werden und sie kann jederzeit formlos widerrufen werden.

Das Patientenverfügungsgesetz lässt medizinische Notfallversorgung unberührt, sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit vom Patienten ernstlich gefährdet.

Eine Patientenverfügung verliert ihre Wirksamkeit, wenn sie nicht ohne Zwang von außen veranlasst wurde, wenn ihr Inhalt strafrechtlich nicht zulässig ist - z.B. darf keine Aktive Sterbehilfe verlangt werden - und wenn der Stand der medizinischen Wissenschaft sich im Hinblick auf den Inhalt der Patientenverfügung seit ihrer Errichtung wesentlich geändert hat.

Sowohl die Verbindliche als auch die Beachtliche Patientenverfügung müssen in Zukunft von Ärzten als ausdrücklich dokumentierter Wille eines nicht mehr kommunikationsfähigen Patienten anerkannt werden.

Alle bis zum 1. Juni 2006 errichteten Patientenverfügungen, die den damaligen Bestimmungen entsprachen, sind als Beachtliche Patientenverfügungen weiter gültig.

Grundlage für eine Patientenverfügung ist das Selbstbestimmungsrecht des entscheidungsfähigen Patienten

Selbstbestimmung im medizinischen Sinn ist das Recht jedes Menschen, über medizinische Maßnahmen selber zu entscheiden, solange er in der Lage ist, seinen Krankheitszustand, den Krankheitsverlauf und die Therapiemöglichkeiten mit dem behandelnden Arzt selber zu besprechen .

Ein Patient muss für seine Behandlung seine Einwilligung geben oder er kann die Behandlung verweigern - nach ausführlicher Beratung durch den Arzt ist die Entscheidung des Patienten rechtlich verbindlich.

Der Arzt muss dieser Entscheidung folgen, auch wenn er sie persönlich nicht teilt. Eine ärztliche Maßnahme gegen den Willen des Patienten ist nicht zulässig
und als " eigenmächtige Heilbehandlung " sogar strafbar.

Wenn ein Patient im Verlauf einer schweren Krankheit nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern, wenn jemand bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert wird oder wenn jemand verwirrt ist, dann kann er weder über seinen Krankheits- zustand aufgeklärt werden noch kann er sich für oder gegen eine Behandlung entscheiden.

Für diesen nichtentscheidungsfähigen Patienten, der seine Wünsche nicht mehr selber äußern kann, wäre eine Patientenverfügung eine große Entscheidungshilfe für den Arzt .

Angehörige haben von Gesetz wegen prinzipiell keine Entscheidungsbefugnis.
Angehörige können und sollen dem Arzt den mutmaßlichen Willen des Patienten mitteilen. Der Arzt wird dann diesen mutmaßlichen Willen des Patienten in seine Behandlungsentscheidung miteinbeziehen.

Solange ein Patient seine Wünsche unbeeinträchtigt äußern kann, steht der persönlich geäußerte Wille über der schriftlichen Willenserklärung.

Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass es keine Selbstbestimmung gibt,
ohne Verantwortung für sich selber und für die eigene Entscheidung zu übernehmen.

Der Dachverband Hospiz Österrreich hat nach Inkrafttreten des Patientenverfügungsgesetzes mit dem Gesundheitsministerium, dem Justizministerium, mit der Patientenanwaltschaft und der Caritas gemeinsam ein Formular zur Errichtung einer Patientenverfügung herausgebracht, das nun Österreich - weit einheitlich verwendet werden wird.

Die Verbindliche Patientenverfügung wird auf grund der strengen Kriterien nur für einen kleinen Teil der Menschen in Frage kommen, insbesondere nur für jene, die an einer schweren Krankheit leiden und wo der Tod schon absehbar ist. Ein gesunder Mensch ohne eigene Leiderfahrung oder Leiderfahrung in der Familie oder im Freundeskreis kann all die möglichen Leiden am Lebensende und auch die Folgen einer Patientenverfügung nicht zutreffend einschätzen, sodass es ihm nicht zugemutet werden kann, medizinische Maßnahmen verbindlich abzulehnen.

Eine Vorsorgevollmacht verbunden mit einer Beachtlichen Patientenverfügung wäre eine bessere Alternative zur Verbindlichen Patientenverfügung.

Die meisten Menschen entscheiden sich für eine Beachtliche Patientenverfügung mit dem Wissen, dass nicht alles bis ins Letzte vorher bestimmbar ist und dass auch Platz sein sollte für verantwortungsvolle und respektierende Mitentscheidung eines Arztes.

Eine Patientenverfügung ist nicht Ausdruck eines Misstrauens gegen Ärzte oder gegen die moderne Medizin, sondern ist Ausdruck der Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und dem damit verbundenen Sterben!
Durch den Inhalt dieser Verfügung erfährt der Arzt und das Pflegepersonal von den persönlichen Wertvorstellungen und Wünschen des Patienten als Kommunikationsbrücke, wenn ein direktes Gespräch nicht mehr möglich ist.


Zum Abschluss eine Aussage von Univ.-Prof. Dr. Waldhäusl:

Sterben ist ein Prozess.
Darf, soll, muss man in einen solchen Prozess eingreifen?
Sterben ist ein Teil des Lebens.
Es besteht keine Verpflichtung, natürliches Sterben zu verhindern und die Leiden des Sterbenden und dessen Belastungen zu verlängern.
Man sollte nicht durch Behandlung "mehrmals" sterben lassen.
     
Informationen: http://www.hospiz.at    
     
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