Quanten-Doppelschlag   

erstellt am
24. 05. 12

Zwei Innsbrucker Forschungsarbeiten in Nature publiziert
Innsbruck (universität) - Die renommierte Fachzeitschrift Nature veröffentlichte am 23.05. zwei Arbeiten aus den Labors der Innsbrucker Quantenphysik: Ein Team um Rainer Blatt hat eine effiziente und frei justierbare Schnittstelle für Quantennetzwerke gebaut und Rudolf Grimm ist es mit seiner Gruppe gelungen, ein neues Quasiteilchen - ein repulsives Polaron - in einem Quantengas experimentell zu erzeugen. Dies unterstreicht einmal mehr die weltweit führende Rolle der Innsbrucker Physik.

Die Quantenphysik wird die Zukunft der Informationsverarbeitung nachhaltig verändern, sie liefert aber auch vielfältige neue Einsichten in noch unerforschte Geheimnisse der Natur. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Physik-Instituten der Universität Innsbruck und am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tragen wesentlich zu diesem Forschungsgebiet bei und liefern immer wieder weltweit beachtete Ergebnisse. Das zeigen auch die aktuellen Arbeiten aus den Gruppen von Rainer Blatt und Rudolf Grimm, die das angesehene Fachmagazin Nature nun veröffentlicht.
Präzise Quanten-Schnittstelle gebaut

Eine Forschungsgruppe um Rainer Blatt, Tracy Northup und Andreas Stute vom Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck hat im Labor erstmals eine effiziente und darüber hinaus frei einstellbare Schnittstelle zwischen einem einzelnen Ion und einem einzelnen Lichtteilchen (Photon) realisiert. Dazu fangen die Physiker ein Kalzium-Ion in einer Paul-Falle und platzieren es zwischen zwei sehr stark reflektierenden Spiegeln. Mit einem Laser regen sie das Ion an und produzieren dabei ein mit dem Ion verschränktes Photon, das zwischen den Spiegeln reflektiert wird. Über die Frequenz und Amplitude des Lasers lässt sich die Verschränkung zwischen Kalzium-Ion und Photon gezielt einstellen. Diese Methode hat zwei große Vorteile gegenüber allen bisherigen Ansätzen, Atome mit Lichtteilchen zu verschränken: „Die Ausbeute an verschränkten Photonen ist hier um ein Vielfaches höher und kann im Prinzip auf über 99 Prozent gesteigert werden“, erklärt die gebürtige US-Amerikanerin Tracy Northup. „Aber vor allem erlaubt uns dieser Aufbau, die Verschränkung zwischen dem Ion und dem Photon nach Belieben einzustellen.“ Dazu werden Frequenz und Amplitude des Laserlichts so verändert, dass Teilchen und Photon den gewünschten gemeinsamen Quantenzustand einnehmen.

Herzstück des Experiments ist ein sogenannter optischer Resonator, der aus zwei sehr stark reflektierenden Spiegeln besteht. Zwischen diesen Spiegeln werden die Lichtteilchen bis zu 25.000 mal hin- und reflektiert, bevor sie in einen Lichtleiter gekoppelt werden. „Neben der hohen Effizienz zeichnet sich die Verschränkung in unserem System durch die höchste bisher gemessene Präzision des verschränkten Quantenzustandes von Ion und Photon aus“, freut sich Andreas Stute. Das Experiment liefert Einsichten in die Interaktion von Licht und Materie und könnte beim Bau von Quantencomputern und in einem zukünftigen Quanteninternet Anwendung finden.


Widerspenstiges Quasiteilchen erzeugt
Die Gruppe um Wittgenstein-Preisträger Rudolf Grimm und START-Preisträger Florian Schreck hat in einem Quantengas erstmals repulsive Polaronen erzeugt und genau studiert. Um diese im Labor herzustellen, erzeugen sie in einer Vakuumkammer ein ultrakaltes Quantengas aus Lithium- und Kaliumatomen. Mit Hilfe von elektromagnetischen Feldern wird die Wechselwirkung zwischen den Teilchen kontrolliert. Hochfrequenzpulse drängen die Kaliumatome dann in einen Zustand, in dem diese Teilchen die sie umgebenden Lithiumatome abstoßen. Dieser komplexe Zustand kann physikalisch als Quasiteilchen beschrieben werden, da er sich in verschiedener Hinsicht so wie ein neues Teilchen mit modifizierten Eigenschaften verhält. Nachgewiesen haben die Forscher die repulsiven Polaronen durch die Analyse des gesamten Energiespektrums der Teilchen. „Wir konnten auf diese Weise sowohl anziehende als auch abstoßende Polaronen erzeugen und analysieren“, erzählt Prof. Grimm. Während attraktive Polaronen schon ausführlich untersucht wurden, betraten der Quantenphysiker und sein Team mit den widerspenstigen Quasiteilchen wissenschaftliches Neuland.
In Festkörpern zerfallen solche Quasiteilchen sehr rasch und können nicht wirklich untersucht werden. Aber auch in Quantengasen machen die abstoßenden Eigenschaften Schwierigkeiten. „Das Polaron kann nur in einem metastabilen Zustand existieren“, erklärt Rudolf Grimm, „und die Lebensdauer ist entscheidend, ob man mit diesen Polaronen überhaupt etwas anfangen kann. Zu unserer Überraschung zeigen unsere Polaronen eine gegenüber früheren Experimenten in ähnlichen Systemen um das Zehnfache gesteigerte Lebensdauer. Unsere Versuchsanordnung bietet uns deshalb eine ideale Plattform, um die auf abstoßenden Wechselwirkungen basierenden Vielteilchenzustände eingehender zu analysieren.“

Die Arbeit zu den repulsiven Polaronen entstand in enger Kooperation mit zwei Theoretikern aus Dänemark und Spanien. Beide Projekte, deren Ergebnisse nun im Fachmagazin Nature veröffentlicht werden, entstanden im Rahmen des FWF Spezialforschungsbereichs FoQuS.
     
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