Politik und Internet: Ein zwiespältiges Verhältnis   

erstellt am
21. 05. 12

Ermöglichen online-Medien politische Vertrauensbildung?
Wien (pk) - "Angriffe aus dem Netz: Wie Politik und Medien immer mehr unter Druck geraten", diesen Titel trug die Diskussionsveranstaltung der Reihe "Medien.Macht.Demokratie" am 20.05. im Parlament. Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und der Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure wurde dabei beleuchtet, welche Veränderungen neue Kommunikationsmedien im politischen und medialen Diskurs bewirken.

Moderiert von ORF-Journalist Fritz Jungmayr diskutierten die Leiterin des Standard online Gerlinde Hinterleitner, ÖAAB-Generalsekretär Lukas Mandl, der ehemalige Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland Sebastian Nerz und Kathrin Stainer-Hämmerle, Politikwissenschafterin der Universität Klagenfurt. Zentral war die Frage, ob PolitikerInnen das Vertrauen in der Bevölkerung über Formen der online-Kommunikation schaffen können.

Liegt die politische Zukunft im Internet?
Johannes Huber, Vorsitzender der ParlamentsredakteurInnen, hielt bei seiner Begrüßung fest, PolitikerInnen und traditionellen Medien falle es generell schwer, richtig mit innovativen Kommunikationsformen umzugehen. In der Diskussionsrunde wurden Standpunkte zum Nutzungsverhalten im World Wide Web erörtert, wobei die ExpertInnen auch auf die zukünftige Organisation von politischer Auseinandersetzung und demokratischer Willensbildung eingingen. Über das Internet könne die Bevölkerung viel einfacher und schneller ihre Meinung zu einem Thema äußern, als in einem gewöhnlichen politischen Entscheidungsprozess, erklärte Sebastian Nerz den Erfolg der online-affinen Piratenpartei in derzeit 45 Staaten der Welt. Die breite und rasche Verfügbarkeit von Informationen online werde die Art, wie Politik gemacht wird, beeinflussen und sie zur klareren, nachvollziehbaren Positionierung zwingen, meinte er.

Kathrin Stainer-Hämmerle sah das Aufkommen der Piratenpartei weniger in deren online-Präsenz sondern eher in Fehlern der etablierten Parteien begründet. Vermehrte Unzufriedenheit der Menschen in einer globalisierten Gesellschaft und die verstärkte Mobilität der WählerInnen verschaffen laut Stainer-Hämmerle der bislang ideologisch noch nicht festgelegten Piratenpartei große Zustimmung. Die Politik solle die Möglichkeit der Partizipation, die neue online-Medien der Bevölkerung bieten, nicht übersehen, wobei diese Form der Beteiligung auch entsprechende politische Kompetenz von den BürgerInnen verlange. Letztlich gelte es, das verlorene Vertrauen der Menschen in die Politik durch direkten Kontakt "auf der Straße" wiederzuerlangen, unterstrich die Universitätsprofessorin.

Beteiligung der BürgerInnen entscheidender Faktor der Demokratieentwicklung
Persönlicher Kontakt sei zwar immer noch wichtig, gab Lukas Mandl zu, doch mit den neuen Medien werde der Demokratiegedanke, eine umfassende Mitwirkung der Bevölkerung an der Politik zu ermöglichen, realisiert. In den Augen von Mandl müssen sowohl PolitikerInnen als auch Medienschaffende ihr Arbeitsverhalten ändern. Immerhin könnten nun einfache BürgerInnen über online-Medien ebenso wie JournalistInnen Themenschwerpunkte, die von Medien interpretiert werden sollten, setzen. In dieser Hinsicht sei es an den PolitikerInnen, ihre Kommunikationsfähigkeit im Internet zu erhöhen und sich dadurch Vorteile im demokratischen Wettbewerb zu verschaffen.

Gerlinde Hinterleitner führte die momentane "Politikverdrossenheit" ebenfalls auf die mangelnde Kommunikationskompetenz von PolitikerInnen zurück. Sie plädierte für eine verstärkte Nutzung neuer Medien, über die interaktiv und effizient in einem weiten Umkreis kommuniziert werde und Entscheidungsprozesse transparenter würden. Die Menschen verlangten nach ernsthaften Diskussionen, und erwarteten sich, dass die Politik auf Kritik aus der Bevölkerung eingeht. Zur Urheberrechtsfrage von Internet-Materialien meinte Hinterleitner, ihre Zeitung sei erfreut, wenn Artikel etwa über Blogs verbreitet würden. Einhalt müsse jedoch der kommerziellen Verwendung von urheberrechtlich geschützten Texten geboten werden.

In der Publikumsdiskussion gingen die DiskutantInnen noch näher auf die neue, nicht immer fachlich fundierte Debattenkultur im Internet ein. Konsens herrschte darüber, dass es bestimmter Regeln bedürfe, um aggressive Kommentare in einer politischen Diskussion hintanzuhalten.
     
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