Österreichs Bundesländer mit viel Schwung durch stürmische Zeiten   

erstellt am
04. 06. 12

2011, das Jahr der zwei Gesichter: Hohes, exportgetriebenes Erholungstempo mit Ermüdungserscheinungen gegen Jahresende; Hoffnung auf Belebung Ende 2012
Wien (bank austria) - Das Tempo der Erholung der heimischen Wirtschaft hat sich mit der Verlangsamung der globalen Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2011 spürbar abgeschwächt und gegen Jahresende seinen Tiefpunkt erreicht. Dennoch konnte die österreichische Wirtschaft dank des starken Jahresbeginns mit 3,0 Prozent im Gesamtjahr 2011 eine beachtliche Wachstumsrate erzielen. Die Ökonomen der Bank Austria haben in ihrer aktuellen Analyse Resümee gezogen, wie sich die österreichischen Bundesländer im durchwachsenen Jahr 2011 entwickelt haben. Die gute Nachricht: Fast alle heimischen Bundesländer konnten das günstigere konjunkturelle Umfeld für eine kräftige Belebung der Wirtschaftsdynamik nutzen.

„Erfreulich ist, dass alle österreichischen Bundesländer 2011 ein hohes Wirtschaftswachstum aufweisen konnten. Allerdings haben die Entwicklungen im zweiten Halbjahr vor allem die Dynamik in den Bundesländern mit hoher Export- und Industrieorientierung abgebremst, wobei der jeweilige Branchenmix entscheidend für die Stärke des negativen Einflusses war“, so Dieter Hengl, Vorstand für Corporate & Investment Banking der Bank Austria. „Die Steiermark ist wie bereits im Jahr davor auch 2011 dank der starken Ausrichtung auf den boomenden Fahrzeugbau mit einem Anstieg um 3,9 Prozent Österreichs Wachstumsspitzenreiter, gefolgt von Oberösterreich und Burgenland. Kärnten kann nur ein zweiprozentiges Wachstum vorweisen und belegt damit im Bundesländer-Vergleich den letzten Platz“, fasst Dieter Hengl die Ergebnisse der Studie zusammen. Die Aussichten für 2012 sind aufgrund der Verunsicherung durch die Eurokrise, einer europaweiten Verschärfung der Fiskalpolitik und der voraussichtlich schwächeren Export­unterstützung insgesamt deutlich zurückhaltender als im Vorjahr. So ist zu erwarten, dass sich die heimischen Bundesländer im laufenden Jahr mehr zueinander als auseinander entwickeln werden. Hengl hierzu: „Die einzelnen Wachstumsfaktoren werden 2012 relativ ausgeglichen zum Tragen kommen. In dieser politisch und wirtschaftlich bewegten Periode möglichst breit aufgestellt zu sein, ist für die Bundesländer im laufenden Jahr sicher von Vorteil.“

Die Wachstumstreiber 2011: Sachgütererzeugung und Dienstleistungssektor
In der ersten Jahreshälfte 2011 waren die exportorientierten Industrieschwergewichte im Westen noch begünstigt, während der Osten aufgrund der stärkeren Dienstleistungsorientierung eher im Nachteil war. In der zweiten Jahreshälfte 2011 haben sich die Rahmenbedingungen aufgrund der globalen Konjunkturverlangsamung und der gedämpften Expansion der Industrie geändert. „Für die wirtschaftliche Entwicklung der Bundesländer im zweiten Halbjahr 2011 war maßgeblich, wie stark sich die weltweite Nachfrageverringerung im jeweiligen Industriesektor auswirkte. Niederösterreich oder das Burgenland, die stärker auf konsumnahe Branchen konzentriert sind, haben dabei weniger an Industriedynamik verloren, als etwa Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg. Der Wachstumskaiser Steiermark stellt als Industrie-Bundesland einen Sonderfall dar. Hier war der übers gesamte Jahr anhaltende Boom in der Fahrzeugindustrie verantwortlich für das höchste Industriewachstum in Österreich von über 15 Prozent“, analysiert Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer. Das Industriewachstum in den meisten anderen Bundesländern war dagegen nur maximal halb so hoch. Das Schlusslicht bildete Wien, das mit einem Produktionsanstieg um 1,5 Prozent zumindest erstmals seit der Wirtschaftskrise wieder ein positives Ergebnis vermelden konnte.

Für ein hohes Wirtschaftswachstum im Jahr 2011 war neben dem „richtigen“ Branchenmix in der Industrie auch ein starker Dienstleistungssektor hilfreich. Dazu Bruckbauer: „Der Dienstleistungs­sektor hat in allen Bundesländern einen sehr positiven Beitrag zum Wachstum geleistet. Dabei schwanken die Anteile der Dienstleistungen am BIP in Österreich zwischen einem Beitrag von fast 60 Prozent in Oberösterreich und 85 Prozent in Wien. Insbesondere im Bereich der unternehmens­nahen Dienstleistungen, der stark von der Industrieentwicklung abhängig ist, zeigte sich ein deutlicher Aufwind. Spürbar verbessert hat sich auch die Lage im Fremdenverkehr, der sich in einigen Ländern, vor allem Wien, sehr günstig entwickelte. Insgesamt ein ungünstiges Ergebnis war 2011 im Einzelhandel auszumachen, der in allen Bundesländern aufgrund einer negativen Einkommensentwicklung ein reales Umsatzminus eingefahren hat, und im öffentlichen Bereich wirkte sich der Sparzwang dämpfend aus. In diesem Rahmen sorgte der Dienstleistungssektor in Wien für den stärksten Vortrieb und auch in Salzburg, Burgenland und Tirol war der Servicebereich für mehr als 60 Prozent des Gesamtwachstums verantwortlich. Doch auch in den traditionellen Industrieländern Oberösterreich, Vorarlberg und Niederösterreich war der Sektor der bestimmende Wachstumsträger. Ausschließlich in Kärnten und in der Steiermark war die Entwicklung im Dienstleistungsbereich 2011 relativ zurückhaltend.

Stabilisierung am Bau
Nach dem starken Produktionsrückgang in den vergangenen beiden Jahren ist in der Bauwirtschaft wieder eine Stabilisierung eingetreten. So ist die Bauproduktion im Österreichschnitt nur mehr um 0,4 Prozent zurückgegangen. 2011 musste der Bereich vor allem den Rückgang der öffentlichen Aufträge aufgrund der angespannten Budget-Situation sowie der zurückhaltenden Impulse Privater verdauen. „Immerhin erzielte der Sektor 2011 in fünf Bundesländern positive Wachstumsbeiträge. Von einem spürbaren Produktionszuwachs am Bau von mehr als zwei Prozent profitierte die Gesamtwirtschaft in Tirol und Salzburg. Aber auch der Bausektor in der Steiermark, in Vorarlberg und in Niederösterreich konnte mit einem leichten Plus von jeweils über einem Prozent die regionale Konjunktur stützen“, so Bruckbauer über die Entwicklung der Bauwirtschaft. Der ungünstigste Einfluss auf die Gesamtentwicklung ging von der Kärntner Bauwirtschaft aus. Auch in der Bundeshauptstadt Wien, deren relativ kleiner Sektor den stärksten Rückgang verzeichnen musste und im Burgenland, das den verhältnismäßig größten Bausektor Österreichs aufweist, drückte die Entwicklung am Bau aufs Gesamtergebnis.

Beschäftigung profitierte von hoher Wachstumsdynamik
Die hohe Wachstumsdynamik hat die Beschäftigungsentwicklung in den österreichischen Bundesländern sehr positiv beeinflusst. Im Durchschnitt stieg 2011 die Beschäftigung um 1,8 Prozent an, in Vorarlberg als Spitzenreiter sogar um 2,3 Prozent. Dieser Aufwärtstrend hält auch im ersten Quartal 2012 unvermindert an. „2011 war das Jahr der Rekordbeschäftigung – in acht von neun Bundesländern wurde dank einem hohen Beschäftigungsplus im Dienstleistungs­bereich und dem moderaten Anstieg in der Industrie ein neues Rekordniveau erreicht. Im Durchschnitt liegt per Ende des ersten Quartals 2012 der Beschäftigtenstand in Österreich um 1,9 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Besonders deutlich wird im Burgenland, in Vorarlberg, Tirol und Salzburg der Durchschnittswert übertroffen. Ausschließlich in Kärnten konnte das Vorkrisenniveau noch nicht ganz erreicht werden“, erläutert Bruckbauer die regionale Beschäftigungsentwicklung.

Die Arbeitslosigkeit hat sich in den österreichischen Bundesländern bis zur Jahresmitte 2011 sehr
positiv entwickelt. In der zweiten Jahreshälfte zeigte sich durch die generelle Eintrübung der Wirtschaftslage wieder ein Aufwärtstrend. „Oberösterreich verzeichnet 2011 den stärksten relativen Anstieg der Arbeitslosenzahlen – gleichzeitig hält Oberösterreich mit 4,2 Prozent die geringste Arbeitslosenquote Österreichs. Wien weist mit 9,2 Prozent nicht nur die höchste Arbeitslosenquote Österreichs auf, sondern hat sich als einziges Bundesland auch im Vergleich zu 2010 nicht verbessert“, so Bruckbauer. Für das Jahr 2012 gehen die Ökonomen der Bank Austria von einer leichten Steigerung der Arbeitslosenquote von durchschnittlich 6,7 auf 6,9 Prozent in Österreich aus.

2012 werden sich breit aufgestellte Industrie-Bundesländer durchsetzen
Dank des hohen Wachstumstempos haben wie erwartet beinahe alle österreichischen Bundesländer mit Ende 2011 den krisenbedingten, wirtschaftlichen Einbruch kompensieren können. „Kärnten ist derzeit noch das einzige Bundesland, das aufgrund eines starken Rückgangs im Bausektor und einem Einbruch in der Industrie das Vorkrisenniveau noch nicht ganz erreicht hat. Ein ‚Winner’ ist dafür das Burgenland: Durch die vergleichsweise geringen Einbußen und der überraschend hohen Dynamik ist das Burgenland von allen Bundesländern am besten durch die Krise gekommen“, so Hengl. Trotz etwas Rückenwind durch die globale Konjunktur wird das Wachstum der stark exportorientierten Industrie 2012 mit rund 2 Prozent spürbar hinter dem Anstieg des vergangenen Jahres zurückbleiben. Der Produktions- und der Dienstleistungssektor sind 2012 noch gleichwertigere Wachstumsträger als in den Vorjahren, die großen Industrie-Bundesländer können daher im laufenden Jahr anders als 2010 und 2011 kaum strukturelle Vorteile ausspielen. „2012 werden dennoch Oberösterreich, die Steiermark und Vorarlberg zu den wachstumsstärkeren Bundesländern zählen. Auch Tirol und das Burgenland sind mit ihrem Branchenmix und vor allem mit ihren starken Dienstleistungskomponenten für eine leicht überdurchschnittliche Performance im Jahr 2012 gerüstet“, so Hengl über die diesjährigen Wachstumsaussichten. Für Wien, Niederösterreich und Salzburg bietet sich dank ihrer breiten Aufstellung die Chance, in Augenhöhe mit dem österreichischen Durchschnittswachstum von 0,8 Prozent zu bleiben.
     
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