Eine neue Sehprothese hilft Blinden   

erstellt am
01. 06. 12

Aachen (idw) - Ein winziger Chip, Argus II genannt, verspricht für viele blinde Menschen die Hoffnung, zumindest einen Teil ihrer Sehkraft wiederzuerlangen. Am Uniklinikum Aachen wird er seit Kurzem in das menschliche Auge implantiert. Argus II ersetzt dabei einen Teil der Netzhaut und kommt bei einer Augenerkrankungen zum Einsatz, bei der die menschliche Netzhaut ihre Funktion verloren hat. An der Retinitis pigmentosa (RP) genannten, erblich bedingten Netzhautdegeneration leiden allein in Deutschland etwa 30.000 bis 40.000 Menschen, weltweit sind es drei Millionen. Die Krankheit zerstört die Photorezeptoren in der Netzhaut – die Patienten erblinden schließlich vollständig.

Argus II, ein Produkt der Firma Second Sight, funktioniert, indem es Videobilder, die durch eine Miniaturkamera in der Brille des Patienten erfasst werden, in elektrische Impulse konvertiert. Diese werden drahtlos in das Auge übermittelt, wo sie an den Elektroden auf der Oberfläche der Netzhaut verbliebene Nervenzellen der Netzhaut stimulieren. Die Unikliniken Aachen und Köln sind die ersten Kliniken in Deutschland, die die künstliche Netzhaut (Retina Implant) für Pigmentosa-Patienten auf Kosten der Krankenkassen implantieren können.

Das Resultat: Der Patient erkennt nach meist jahrelanger absoluter Dunkelheit wieder Lichtmuster und lernt mit Hilfe eines Experten, diese zu interpretieren. So gewinnt er in erheblichem Maß an Freiheit und Lebensqualität.

Bei RP-Patient Günter P. führte die Erkrankung zu einer fortschreitenden Erblindung. Erst benötigte er eine Brille, dann entwickelte er Nachtblindheit, dann einen „Tunnel-Blick“ – bis er vor fünf Jahren vollständig das Sehvermögen verlor. Seit Dezember 2011 lebt er mit einer Netzhautprothese und schildert, was seitdem passiert ist: „Mein Gehirn reagiert wieder auf Licht.“

Zurzeit arbeitet er mit einem Rehabilitationsexperten: „Ich will meine Ziele für mein wiedererlangtes Sehvermögens erreichen.“ Dazu gehört für ihn beispielsweise, Orientierung und Mobilität im Freien zu verbessern. „Meine große Hoffnung ist, in naher Zukunft unabhängiger zu leben - und das ich alles, was ich sehen möchte, sehen kann.“

Auch wenn Argus total erblindeten Menschen das Augenlicht wiedergibt, bleibt zu bedenken: Einen vollwertigen Ersatz stellt es nicht dar. Prof. Peter Walter, Leiter der Aachener Augenklinik und selber Forscher mit dem Schwerpunkt Retina-Prothesen, erläutert die Funktionsweise der Technik im menschlichen Auge. „Das Sehfeld, in dem mit dem Chip Licht wahrgenommen wird, umfasst im Zentrum etwa 10 Grad. Deshalb ist es sicherlich weiter nötig, einen Blindenstock zu nutzen.“ Der Punkt sei aber: „Menschen, deren Lichtwahrnehmung erloschen war, können sich Hoffnung machen, nach erfolgreicher Operation und mehrmonatiger Reha- und Lern-Phase große Buchstaben und Objekte erkennen zu können.“

Am Sonntag, 3. Juni 2012 haben Patienten mit Retinitis Pigmentosa (RP) ab 14 Uhr im Aachener Uniklinikum Gelegenheit, an den ersten Erfahrungen mit der neuen Prothese teilzuhaben.

Im Hörsaal 3 des Klinikums berichten Ärzte und bereits operierte Patienten über konkrete Erfahrungen mit dem Produkt, Operationstechniken, die genaue Art des Einbaus und auch das Für und Wider eines Implantates. Für Patienten, die unter Umständen noch einen Rest Sehkraft besitzen, stellt sich die Frage, ob es sich lohnt, auf die nächste Generation künstlicher Netzhäute zu warten, die möglicherweise ein schärferes Bild und ein größeres Sehfeld ermöglichen.

Aktuelle Forschungen zielen allerdings weniger darauf ab, die Anzahl der Elektroden auf der Netzhaut zu steigern. Vielmehr werde der Fortschritt künftig in der Modulation der elektrischen Reize der Kamera liegen, sagt Peter Walter. „Das Ziel ist, dass die künstlichen Impulse die natürlichen Impulse, die die Netzhaut von den eigentlichen Photorezeptoren im Auge gewöhnt ist, noch besser nachahmen.“

Positiv für den Patienten: Der Entwicklungs-Fortschritt bei der Impulsmodulation steht im Rahmen eines Software-Updates allen Argus-Versionen zur Verfügung. Es wird also nicht nötig sein, die Implantate auszutauschen, um am Entwicklungsfortschritt teilzuhaben.
     
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