Europapolitische Fragen im Vorfeld des EU-Gipfels  

erstellt am
21. 06. 12

Faymann: Wachstumspakt und Bankenunion sind nächste notwendige Schritte in der Europapolitik
EU-Vertragsänderung als langfristige Perspektive – Ausblick auf Europäischen Rat: 120 Milliarden Euro für Wachstum und Beschäftigung
Wien (bpd) - "Für die Weiterentwicklung der Europäischen Union wird eine Vertragsänderung voraussichtlich notwendig sein", sagte Bundeskanzler Werner Faymann am Nachmittag des 20.06. bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Michael Spindelegger im Bundeskanzleramt zu europapolitischen Fragen im Vorfeld des EU-Gipfels in der kommenden Woche. "Wir plädieren daher für die Einsetzung eines Konvents. Dieser soll sich mit einer verstärkten Rolle des EU-Parlaments, Vorschlägen über Elemente der direkten Demokratie, einer Vertiefung der Zusammenarbeit in der Finanzpolitik sowie mit der Schuldenbewirtschaftung befassen."

Neben einer stärkeren Zusammenarbeit im Bereich der Fiskalpolitik sei eine verdichtete Zusammenarbeit der europäischen Banken – Stichwort Bankenunion – geplant. "Darunter verstehen wir als ersten Schritt eine gemeinsame europäische Aufsichtsbehörde – ähnlich der Finanzmarktaufsicht in Österreich – und im möglichen Endausbau auch eine gemeinsame Einlagensicherung. Ebenso könnte der Rettungsschirm ESM mit einer Bankenkonzession ausgestattet werden, um handlungsfähiger zu werden. Ein gemeinsamer Tilgungsfonds kann zur gemeinsamen Schuldenbewirtschaftung beitragen", erklärte der Bundeskanzler. "Die Erfahrung zeigt, dass eine Vertragsänderung drei bis fünf Jahre dauert. Je früher wir beginnen, desto besser."

Zunächst sollen für ein Wachstumspaket rund 120 Milliarden Euro aus Investitionen durch Projektbonds und verstärkter Kreditvergabe durch die Europäische Investmentbank sowie der Neuverteilung von EU-Budgetmitteln aktiviert werden. Damit sollen vor allem Impulse für Beschäftigung in Europa gesetzt werden. "Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa hat bedrohliche Ausmaße erreicht. Wir müssen hier in Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit durch Bildung und Forschung investieren, um der Jugend Fairness und Chancen bieten zu können", betonte der Bundeskanzler. Ein solches Wachstumspaket werde Österreich beim kommenden Europäischen Rat Ende Juni unterstützen.

Ebenso werde Österreich weiterhin für die Einführung der Finanztransaktionssteuer eintreten: "Wir spüren mit Präsident Hollande und der jüngsten Abstimmung im deutschen Bundestag jetzt stärkeren Rückenwind."

Auf Nachfrage sagte der Bundeskanzler, dass er im Falle einer umfassenden Vertragsänderung, die am Ende des Prozesses stehen könnte, "die Bevölkerung möglichst früh in die Diskussion einbeziehen und vom gemeinsamen Weg überzeugen" wolle.

 

Spindelegger: EU auf Höhe der Zeit bringen
Der Fiskalpakt muss bleiben! Zugleich positioniert der Vizekanzler Österreich pro Finanztransaktionssteuer und fordert einen europäischen Konvent zur Diskussion einer Vertragsänderung.
Wien (övp-pd) - Vizekanzler Michael Spindelegger skizziert die grundlegenden Herausforderungen in der EU und macht deutlich: "Wir haben diverse Konstruktionsmängel, auf die wir Stück für Stück drauf gekommen sind. Wir haben einen zu schwerfälligen Entscheidungsvorgang in der EU und wir haben eine Kluft zwischen den Bürgern und den Institutionen. Hier brauchen wir neue Vorschläge. Ich stehe zu hundert Prozent dazu, dass wir beginnen müssen, die nächste Vertragsänderung jetzt vorzubereiten." Dieser Diskussionsprozess soll auf breiter Basis, in Form eines Konvents erfolgen, um eine breite Zustimmung der Bevölkerung zu bekommen: "Wenn wir sehen, wie stark die Bürger sich von den Institutionen entfernen, dann brauchen wir neue Impulse. Wir sollten möglichst rasch den Prozess starten, wie wir die Union auf die Höhe der Zeit bringen.“

Gezielt Wachstum in Europa fördern
In ganz Europa muss unser Wachstum gezielt gefördert werden - aber nicht über neue Schulden! Denn für die ÖVP ist klar: Schuldenpolitik ist keine Zukunftspolitik, der Fiskalpakt muss halten! Michael Spindelegger unterstreicht: Wachstum auf Kosten kommender Generationen ist der falsche Weg. Wie klug gespart und zugleich sinnvoll investiert werden kann, hat Österreich mit dem Reformpaket gezeigt. Auf EU-Ebene braucht es ein kluges Wachstumsprogramm, von dem vor allem KMU, die größten Arbeitgeber, profitieren. Hier hat das ÖVP-Regierungsteam mit dem Wachstumsfond eine Maßnahme bereits vorgestellt, der aus bestehenden Mitteln gespeist würde. Auch die Einnahmen durch eine Finanztransaktionssteuer könnten hier einfließen.

 

Obermayr: Ratingagenturen müssen für ihre Bewertungen haften!
Fehlbewertungen von Finanzprodukten waren Mitschuld an der Krise
Wien (fpd) - Vielfach erhielten riskante und hochkomplexe Finanzprodukte von US-Ratingagenturen Bestnoten, vielfach wurden diese zu Unrecht erteilt. Finanzmarktakteure (Banken, Investoren, private Anleger, Staaten...) verlassen sich regelmäßig auf diese Bewertungen und Spekulationsblasen entstehen bzw. werden verschärft. "Nach all den Fehlbewertungen - die Ausfallsrate der Subprime-Papiere war z.B. 300-mal höher als von den Agenturen eingeschätzt - würde ich die großen US-Agenturen mit einem glatten Triple D für ihre Minderleistung bewerten. Deshalb unterstütze ich den Vorstoß im EU-Parlament, Ratingagenturen zivilrechtlich haftbar zu machen: Als selbsternannte Experten müssen sie mit Schadenersatz für ihre Ratings geradestehen!", nimmt der freiheitliche Europaabgeordnete Mag. Franz Obermayr Moody's und Co in die Pflicht.

Zudem machen Interessenkonflikte objektives Rating unmöglich. Deshalb meint Obermayr, dass Ratingagenturen nicht ihre eigenen Unternehmen bewerten dürften und hält fest: "Wenn eine Ratingagentur über 2% Anteile oder Stimmrechte an einem Unternehmen hält, dann ist das ein klarer Interessenskonflikt, der eine objektive Bewertung unmöglich macht."

 

Bucher: Faymann und Spindelegger sollen Bekenntnis zu Volksabstimmung abgeben
Faymann und Spindelegger haben nicht die Berechtigung, über ESM, Fiskalunion, Bankenunion usw. für Österreich zu entscheiden.
Wien (bzö) - "Die Pläne von SPÖ-Bundeskanzler Faymann und ÖVP-Vizekanzler Spindelegger für eine EU-Reform machen eine Volksabstimmung zwingend notwendig. Ich fordere die Regierungsspitze auf, sich klar und deutlich zu einer Volksabstimmung zu bekennen. Die Herren Faymann und Spindelegger haben nicht die Berechtigung, über ESM, Fiskalunion, Bankenunion usw. für Österreich zu entscheiden. Über derart für das Land und die Menschen entscheidende Maßnahmen müssen die Bürger eingebunden werden. Denn das Recht geht vom Volk aus und nicht von unseren abgehobenen rot-schwarzen Regierungspolitikern", so BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher in einer Reaktion auf die Aussagen von Kanzler und Vizekanzler zur Situation innerhalb der EU.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
sofern vorhanden! Die Reihenfolge der Beiträge richtet sich in der Regel nach deren
Mandatsstärke im Parlament bzw. nach der Hierarchie der Personen. Die Redaktion

Die Verantwortung der Inhalte liegt bei den Aussendern. Die Redaktion.

 
zurück