Prostatakrebs: Der Männerkrankheit Nummer 1 auf der Spur   

erstellt am
27. 06. 12

Weitere Anerkennung für österreichisches Forscherteam in den USA
Wien (scinews) - "Sie haben Prostatakrebs" - diese Diagnose stellen Österreichs Ärzte im Jahr rund 5.000 Patienten. Mit weltweit über einer halben Million Neuerkrankungen jährlich ist das Prostatakarzinom der häufigste, bösartige Tumor beim Mann. "Mehr Wissen darüber, wie diese Männerkrankheit Nummer 1 genau entsteht, ist das lebensrettende Gebot der Stunde." Das sagte der Innsbrucker Molekularpathologe Prof. Zoran Culig am Abend des 26.06. in seinem eingeladenen Vortrag bei der Jahrestagung der "Endocrine Society (ENDO)", dem weltweit größten Kongress der Endokrinologie, in Houston (Texas/USA).

Der Krebs der Vorsteherdrüse (Prostata) ist bisher nur im Frühstadium gut behandelbar. Seine Ursachen sind bisher nicht vollständig geklärt. Auch jene komplexen Signalwege, die bei der Entwicklung und dem Voranschreiten dieses Karzinoms fehlgesteuert ablaufen, werden angesichts der großen Zahl der betroffenen Krebskranken weltweit intensiv erforscht. In diesem Feld gilt die mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren junge Gruppe Culigs als eine der international renommiertesten. Das sechsköpfige Team wird vom österreichischen Forschungsfonds FWF gefördert. Die Gruppe liefert seit 15 Jahren vielbeachtete Forschungsimpulse. Aus diesem Grund wurde der Innsbrucker Molekularpathologe nach Angaben der ENDO bei der Jahrestagung der Gesellschaft als einziger Österreicher zu einem Vortrag eingeladen. Der Nachwuchsforscher Frédéric R. Santer (34) vom Team Culigs wurde beim Kongress für seinen "Outstanding Abstract" ausgezeichnet.

Hot topic Entzündung und Krebs
In seinem Vortrag mit dem Titel "Interleukin signaling in androgen action" eröffnete der Molekularpathologe neueste Einblicke in ein junges "Hot topic" der internationalen Krebsforschung, in die komplexen Zusammenhänge zwischen entzündlichen Prozessen im Körper und der Entstehung sowie Entwicklung des Prostatakarzinoms. "Bei Darmkrebs ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen und Krebs schon länger bekannt. In der Entstehung und Entwicklung des Prostatakarzinoms ist die mögliche Schlüsselrolle chronischer Entzündungen ein junges Thema. Die bisherigen Ergebnisse unserer jahrelangen Grundlagenforschungen in eigens entwickelten Zellkulturmodellen zeigen allerdings, dass inflammatorische, also entzündungsfördernde Netzwerke, autonom oder in Zusammenwirkung mit dem männlichen Sexualhormon Androgen die Entstehung und Entwicklung des Prostatakarzinoms beeinflussen", sagte der Wissenschaftler.

Targettherapie für Prostatakrebs als langfristiges Ziel
Im Visier hat das Team unter anderem die Gruppe der so genannten "proinflammatorischen Zytokine", darunter insbesondere den Botenstoff Interleukin-6 (IL-6). Bei chronischen Entzündungen in der Vorsteherdrüse werde dieser Botenstoff vermehrt ausgeschüttet und könne die Entwicklung von Prostatakrebs über komplexe zelluläre Signale grundsätzlich fördern. Dies bietet laut Culig möglicherweise auch einen künftigen Ansatzpunkt für die Prävention von Prostatakrebs. "Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass Interleukine in vielen Zellen die Effekte der Androgene unterstützen können. Das heißt, exakt jenes Hormon, das Prostatakrebszellen für ihr ungebremstes Wachstum benötigen, wird beim Voranschreiten der bösartigen Tumorerkrankung unterstützt, dies umso intensiver, je kanzerogener das Gewebe bereits ist", sagte der Wissenschaftler. Dies sei ein wichtiger Grund dafür, warum die bisher vorwiegend gegen das Prostatakarzinom eingesetzte Antiandrogen-Therapie nach einer bestimmten Zeit nicht mehr wirken könne.

"Eine Behandlung des Prostatakarzinoms, die Interleukine und Androgene hemmt, könnte daher in Zukunft sinnvoll sein", betonte Culig. Auf lange Sicht feilt das Team an einer innovativen Targettherapie für Prostatakrebs. "Sehr vereinfachend gesagt wissen wir heute, dass Krebs nicht gleich Krebs ist. Gezielt und jeweils individuell abgestimmt auf jene Moleküle in den Zellen einwirken zu können, die eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Prostatakrebs und beim Tumorwachstum spielen, das ist unsere große Hoffnung. Dazu sind aber noch viele Jahre Grundlagenforschung nötig", betonte Culig.

Das Innsbrucker Team erhielt bisher mehrere internationale Forschungspreise. Mit der Einladung nach Houston erfuhr die Arbeit der Gruppe eine weitere Anerkennung aus den USA. Die 1916 gegründete ENDO hat über 15.000 Mitglieder in hundert Ländern. Sie ist die weltweit älteste und größte Gesellschaft in der Endokrinologie. Die Förderung exzellenter Forschung ist ihr deklariertes Ziel. Die Jahrestagung der Gesellschaft ist mit 10.000 Teilnehmern die global größte Konferenz ihres Fachgebietes. Der neueste Stand bei der Erforschung von Hormonen sowie die verbesserte Diagnose und Therapie jener Vielzahl an Erkrankungen, die von diesen biochemischen Botenstoffen unseres Körpers ausgehen, ist traditionell Thema.
     
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