ACTA  

erstellt am
04. 07. 12

Europäisches Parlament lehnt ACTA ab 
Plenartagung Außenhandel/internationaler Handel
Straßburg (europarl) - Das Abkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie wurde am 04.07. durch das EU-Parlament abgelehnt, wodurch es in der EU nicht rechtskräftig werden kann. Zum ersten Mal hat das Parlament von seinem im Lissabon-Vertrag verankerten Recht Gebrauch gemacht und ein internationales Handelsabkommen abgelehnt. 478 Parlamentarier stimmten gegen ACTA, 39 dafür. 165 Abgeordnete enthielten sich der Stimme.

"Ich bin sehr erleichtert, dass das Parlament meiner Empfehlung gefolgt ist und ACTA abgelehnt hat", so der Berichterstatter David Martin (S&D, UK) nach der Abstimmung. Zum wiederholten Male äußerte er Bedenken, das Abkommen sei zu vage und führe leicht zu Fehlinterpretationen. Bürgerliche Freiheiten gerieten dadurch leicht in Gefahr. Dennoch sei es wichtig, Alternativen für den Schutz geistigen Eigentums in der EU zu finden, da es sich bei diesem um den "Rohstoff der EU-Wirtschaft" handle.

Christofer Fjellner (EVP, SE), überzeugter ACTA-Befürworter, schlug in der letzten Debatte vor der Abstimmung vor, das Parlament sollte seine Schlussabstimmung bis zur Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofes hinsichtlich der Vereinbarkeit von ACTA mit EU-Recht verschieben. Da eine Mehrheit der Abgeordneten sich diesem Vorschlag widersetzte, reagierte eine nicht unerhebliche Minderheit mit Stimmenthaltung bei der heutigen Abstimmung.

Während die Abgeordneten noch eine mögliche Zustimmung zu ACTA diskutierten, appellierten Tausende EU-Bürger an sie, ACTA abzulehnen. Dieser noch nie in einem solchen Ausmaß betriebene Lobbyismus nahm die unterschiedlichsten Formen an: Straßendemonstrationen, Emails an Abgeordnete und Anrufe in deren Büros. Das Parlament erhielt ferner ein Petitionsschreiben, in dem 2,8 Millionen Unterzeichner weltweit die Abgeordneten aufrufen, ACTA ihre Zustimmung zu verweigern.

ACTA, das von der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten, den USA, Australien, Kanada, Japan, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, Südkorea und der Schweiz ausgehandelt wurde, soll die internationale Gesetzgebung bei der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie verschärfen. Das Ergebnis der Abstimmung am Mittwoch hat zur Folge, dass weder die EU noch einzelne Mitgliedstaaten dem Abkommen beitreten können.

 

Leichtfried/Weidenholzer/Regner: Nein zu ACTA macht Weg frei für modernes Urheberrecht
SPÖ-Europaabgeordnete sprechen von "politischer Entscheidung mit Signalwirkung"
Straßburg (sk) - Das Europäische Parlament hat in Straßburg mit Mehrheit das Anti-Piraterieabkommen ACTA abgelehnt (478 stimmten gegen ACTA, 39 für ACTA, 165 Enthaltungen). "Das ist eine politische Entscheidung mit Signalwirkung und ist ein Erfolg des sozialdemokratischen Chefverhandlers", betonen die SPÖ-Europaabgeordneten Jörg Leichtfried, Josef Weidenholzer und Evelyn Regner. Mit der Ablehnung des Europäischen Parlaments kann ACTA in keinem der 27 EU-Mitgliedsstaaten in Kraft treten.

Jörg Leichtfried, Delegationsleiter der SPÖ-Europaabgeordneten und Mitglied im federführend zuständigen Ausschuss für internationalen Handel stellt klar: "Wir sind nicht gegen das Urheberrecht, vertreten aber die Ansicht, dass das angestrebte Ziel von ACTA nicht mit dem Eingriff in die bürgerlichen Freiheiten in Einklang gebracht werden konnten. Es ging hier nicht um eine rechtliche Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs, sondern um die politische Entscheidung der Vertretung von 500 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in Europa."

Evelyn Regner, stv. Vorsitzende des Rechtsausschusses und Verfasserin der ACTA-Stellungnahme erläutert: "Das Nein zu ACTA ist zugleich ein Ja für eine Erneuerung des Urheberrechts. Wir erwarten von der EU-Kommission Initiativen für intelligente, moderne Lösungen wie das Urheberrecht im Internet geschützt werden kann. Das ist längst überfällig und muss gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, Rat aber auch der Zivilgesellschaft weiterentwickelt werden. Ziel für uns SozialdemokratInnen im Europäischen Parlament ist, einen fairen Ausgleich für die KünstlerInnen, ArbeitnehmerInnen in den betroffenen Branchen und den NutzerInnen des Internets zu finden."

"ACTA ist mit der Grundrechtscharta der Europäischen Union nicht vereinbar", meint Josef Weidenholzer, Mitglied im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. "ACTA ist ein Angriff auf das Grundrecht, sich frei von Überwachung im Internet bewegen zu können." Der EU-Abgeordnete sieht ACTA auch als "eine Niederlage des Handelskommissars Karel de Gucht, der gestern bei der Aussprache im EU-Parlament ACTA immer noch verteidigte". Mit der Ablehnung hat das Parlament ein "starkes Zeichen für die Demokratie in Europa" gesetzt. "Es ging nicht nur um ACTA. Mit der Ablehnung von ACTA hat das Parlament die Demokratie in Europa verteidigt." Das Plenum stimmte heute nicht nur über ein schlechtes, nicht den Bedürfnissen der europäischen Bürgerinnen und Bürger entsprechendes Gesetz ab, sondern auch darüber, wie das Verhältnis von Kommission und Parlament gestaltet werden soll.

 

Köstinger: EU-Parlament lehnt ACTA ab
Entscheidung über ACTA erfolgte ohne Prüfergebnisse des Europäischen Gerichtshofs
Straßburg (övp-pd) - "Die heutige Ablehnung des ACTA- Abkommens wirft die EU im internationalen Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie um Jahre zurück", fasst die Außenhandelssprecherin der ÖVP-Delegation Elisabeth Köstinger die Entscheidung des Parlaments zusammen. Viele offene Fragen haben das internationale Handelsabkommen gegen Produkt- und Markenpiraterie umgeben. Die ÖVP-Delegation wollte vor allem zwei Fragen geklärt wissen: Die Rolle der Internetprovider beim Umgang mit Benutzerdaten und die Definition des "gewerblichen Ausmaßes", ab dem jemand zur Verantwortung gezogen werden kann. "Der Europäische Gerichtshof (EuGH), dessen Stellungnahme erwartet wird, könnte Antworten auf diese offenen Frage liefern", so Köstinger, die für eine Verschiebung der Entscheidung über ACTA eintrat, um den EuGH anzuhören.

"Die ÖVP steht für einen soliden Schutz von Urheberrechten und geistigem Eigentum. Wir stehen aber auch ohne Wenn und Aber für Datenschutz und den Schutz der Grundrechte", betont die ÖVP-EU- Abgeordnete. Mit der heutigen Entscheidung sei aber in beiden Bereichen kein Fortschritt erzielt worden. "Wichtig ist, jetzt etwas Konstruktives gegen Produktpiraterie und Markenfälschung sowie für den Schutz des geistigen Eigentums voranzubringen. Europas Stärke in der Welt ist unser Know-how, deshalb müssen wir es international schützen können. Das ist unabdingbar für die Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sowie für die daran hängenden Arbeitsplätze", fasst Köstinger zusammen. "Sozialisten und Grüne sind eingeladen, sich jetzt endlich an einer konstruktiven Debatte darüber zu beteiligen. Statistiken zeigen, dass Produktpiraterie in der europäischen Wirtschaft Schaden in Milliardenhöhe verursacht und eine Vielzahl an Arbeitsplätzen bedroht. Jetzt gilt es den Rückstand so schnell wie möglich aufzuholen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben", so Köstinger abschließend.

 

Mölzer: ACTA-Abkommen ist entschieden abzulehnen
Schutz geistigen Eigentums ist nur Vorwand, tatsächlich geht es um Überwachung des Internets - Schwammige Bestimmungen öffnen Missbräuchen Tür und Tor
Wien (fpd) - Das ACTA-Abkommen in seiner bestehenden Form sei entschieden abzulehnen, sagte der freiheitliche EU-Delegationsleiter Andreas Mölzer im Vorfeld der Abstimmung im Europäischen Parlament. "Dieses Abkommen hat nur dem Anschein nach etwas mit dem Schutz des Urheberrechts und der Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie zu tun. Tatsächlich geht es um die Überwachung des Internets, die bis hin zur Kriminalisierung von Nutzern führen kann", kritisierte Mölzer.

Natürlich sei, so der freiheitliche EU-Mandatar, der Schutz geistigen Eigentums ein berechtigtes Anliegen, zumal es hier auch um die Wettbewerbsfähigkeit Europas gehe. "Wenn aber Internetdienstanbieter de facto verpflichtet werden, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen, dann werden Orwellsche Zustände geschaffen. Außerdem ist unklar, wie der Schutz der Privatsphäre gewährleistet werden kann, und zudem sind massive Einschränkungen bezüglich der Informationsfreiheit im Internet zu befürchten", erklärte Mölzer.

Ein weiterer Kritikpunkt sei, so der freiheitliche Europaabgeordnete, dass das ACTA-Abkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt wurde. "Absicht war es offenbar, die Öffentlichkeit und auch das Europaparlament zu überrumpeln, weil im ACTA-Abkommen eine Reihe von Fallstricken eingebaut sind, etwa durch eine Vielzahl vom schwammigen Bestimmungen, die Missbräuchen Tür und Tor öffnen. Diese Vorgangsweise ist einer Demokratie unwürdig", schloss Mölzer.

 

 Lichtenberger: ACTA endlich ad acta gelegt!
Wichtiges demokratisches Signal gegen Überwachung der BürgerInnen
Wien (grüne) - Das Europäische Parlament hat das internationale ACTA mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Dazu erklärt Eva Lichtenberger, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament: "Dieses eindeutige Votum ist ein wichtiges demokratisches Signal gegen ein Abkommen, das durch intransparente Verhandlungen zustande gekommen ist. Die schwammigen Formulierungen des Vertragstextes hätten eine ständige Überwachung der BürgerInnen durch den Staat sowie durch private Internetprovider ohne richterliche Kontrolle möglich gemacht. Die Versorgung von Entwicklungsländern mit Generika wäre erschwert worden. Und dabei hätte die europäische Wirtschaft durch dieses Abkommen rein gar nichts gewonnen, da durch Regulierungen, die viel zu viel rechtlichen Interpretationsspielraum gelassen hätten, Innovationen in technischen Bereichen nur mehr begrenzt möglich gewesen wären. Die einzigen Profiteure, für die dieses Abkommen maßgeschneidert war, wären amerikanische Großkonzerne gewesen.

Obwohl die Europäische Volkspartei eine Verschiebung der Abstimmung beantragt hatte, war die Mehrheit, die schließlich gegen ACTA gestimmt hat bzw. sich enthalten hat, überraschend deutlich. Mit der Ablehnung von ACTA durch das Europäische Parlament ist die Auseinandersetzung über Fragen des Urheberrechts sowie über Patent- und Markenschutz aber noch lange nicht vorbei. Nun müssen wir eine Reform des Urheberrechts in Angriff zu nehmen, um den technologischen Entwicklungen endlich Rechnung zu tragen. Die Ablehnung ist vor allem auch ein Erfolg für die aktive Zivilgesellschaft, die sich monatelang intensiv mit dem Abkommen auseinander gesetzt und sich europaweit vernetzt hat."

 

 Angelo: ACTA-Aus macht Weg für modernes Urheberrecht frei
AK begrüßt Entscheidung des EU-Parlaments
Wien (ak) - Die AK verlangt ein zeitgemäßes Urheberrecht als Konsequenz der heutigen Ab-lehnung von ACTA im EU Parlament. "Ein modernes Urheberrecht muss den Be-dürfnissen und Interessen der User gerecht werden", sagt Silvia Angelo, Leiterin der Wirtschaftspolitik in der AK Wien. "Mit ACTA wäre ein Teil des alten Urheberrechts weiter einzementiert worden und einer notwendigen Debatte über ein modernes Urheberrecht ein Riegel vorgeschoben worden."

Grundrechte wie Datenschutz, Privatsphäre und Informationszugang wären durch ACTA gefährdet gewesen: So enthält das Anti-Piraterie- Abkommen ein sehr umstrittenes Kapitel zum Urheberrecht im Internet. Durch unklare Formulierungen öffnet es dabei Tür und Tor zur Einführung von Maßnahmen wie Internetüberwachung und Netzzugangs-sperren. Ebenso problematisch ist auch die breite Definition des Begriffes von "im ge-werblichen Ausmaß" im Strafrechtskapitel. Sie führt dazu, dass auch Alltagshandlungen von Privatpersonen wie das Verwenden eines fremden Fotos auf der privaten Homepage völlig unangemessen als Straftat interpretiert werden können.

"Durch das Internet kommen private Nutzer heute mehr denn je mit dem Urheberrecht in Konflikt", sagt Angelo. "Die EU Kommission soll sich weniger darum kümmern, wie man das Urheberrecht noch strenger machen kann, sondern der Realität ins Auge sehen und das Urheberrecht zeitgemäß gestalten."

 

 Kattnig: Absage an ACTA muss modernes Urheberrecht folgen
Europa braucht effektiven Schutz geistigen Eigentums
Wien (ögb) - Die Ablehnung des umstrittenen Anti-Piraterie-Handelsabkommens (ACTA) des Europäischen Parlaments in Straßburg kommentiert Thomas Kattnig, Internationaler Sekretär der GdG-KMSfB, folgendermaßen: "Das war ein richtiger Schritt. Aber jetzt müssen die Überlegungen sofort auf die Zukunft gerichtet werden. Europa braucht rasch ein modernes, gerechtes Urheberrecht zum effektiven Schutz geistigen Eigentums!"

"Die Absage an ACTA darf keinesfalls als Absage an die schützenswerten Interessen der kreativ arbeitenden Menschen missverstanden werden", stellte Kattnig klar. Das EU-Parlament habe lediglich den unübersehbaren Schwächen des Handelsabkommens Rechnung gezollt. Kattnig: "Nicht zuletzt war ACTA nicht demokratisch legitimiert. Über Jahre wurde geheim verhandelt, nicht einmal den Abgeordneten des EU-Parlaments hat man Einsicht gewährt. Durch ACTA drohten Überwachung des Internets und Zensur."

Notwendig ist nun die Schaffung eines Urheberrecht, das sowohl auf die Bedürfnisse von Kreativschaffenden achtet als auch auf die Interessen der NutzerInnen. "Inhalte müssen verfügbar sein, aber auch fair abgegolten werden. Das elementare Recht der Kunstschaffenden auf Bezahlung ihrer Leistung muss selbstverständlich sein", schloss Kattnig.  
     

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