Gegenwind aus Europa dämpft Österreichs Wirtschaft   

erstellt am
16. 07. 12

Bank Austria Konjunkturindikator sinkt erstmals seit einem halben Jahr und erreicht nur noch Stagnationsniveau
Wien (bank austria) - Die Wolken über dem österreichischen Konjunkturhimmel haben sich in den vergangenen Wochen noch weiter verdunkelt. „Nach fünf Anstiegen in Folge ist der Bank Austria Konjunkturindikator im Juni deutlich eingebrochen. Der Rückfall auf einen Wert von genau null weist auf einen unmittelbar bevorstehenden Wirtschaftsverlauf nahe einer Stagnation hin“, führt Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer aus. Die heimische Wirtschaft beginnt die Verschlechterung des europäischen Umfelds aufgrund der starken Handelsverflechtung mit der Region nun unmittelbar zu spüren. Schließlich werden 70 Prozent der österreichischen Warenausfuhren von Mitgliedern der Europäischen Union abgenommen.

„Der jüngste Rückgang des Bank Austria Konjunkturindikators ist auf die deutliche Eintrübung der Geschäftsaussichten in Europa zurückzuführen, die sich auf die Stimmung der heimischen Industrie und auch der Verbraucher belastend niederschlägt“, analysiert Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. In zwei Drittel der Länder der Eurozone, die mehr als 80 Prozent der heimischen Exporte in die Region abnehmen, hat sich das Industrievertrauen im Juni nochmals verfinstert. Die negativen Vorgaben haben die Zuversicht der österreichischen Industrie deutlich verringert, wenn auch die Stimmung im Sektor im internationalen Vergleich weiterhin über dem Durchschnitt liegt. Zudem sehen die heimischen Konsumenten die Zukunft mit zunehmender Sorge. Die Zuspitzung der Eurokrise und jüngst wieder schwächere Arbeitsmarktdaten drücken auf die Stimmung.

Nach dem recht guten Jahresbeginn mit einem Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent zum Vorquartal zeigen die vorliegenden Frühindikatoren für das zweite Quartal eine Verlangsamung der Konjunktur. „Trotz des belastenden europäischen Umfelds ist die österreichische Wirtschaft im zweiten Quartal nach unserer Ansicht auf Wachstumskurs geblieben. Mit einem Plus um 0,2 Prozent zum Vorquartal lag der geschätzte Anstieg des BIP jedoch hinter der Entwicklung zu Jahresbeginn zurück“, so Pudschedl. Tragende Kräfte waren neben der stabilen Konsumentwicklung abermals der Außenhandel, wobei hier weniger die Export- als viel mehr die geringe Importdynamik aufgrund niedrigerer Rohstoffpreise, verantwortlich zeichnete.

Für die wirtschaftliche Entwicklung im zweiten Halbjahr 2012 ist die aktuelle Stimmungslage eine sehr ungünstige Vorgabe. Insbesondere die Investitionsdynamik leidet darunter und wird vorerst eine nur sehr träge gesamtwirtschaftliche Entwicklung zulassen. Trotzdem bieten die jüngst wieder günstigeren Industriedaten und die Verbesserung bei einigen vorausschauenden Indikatoren im Euroland erste Hinweise, dass sich das Rezessionstempo im Euroraum zumindest verlangsamt oder die Wirtschaft sogar zu stabilisieren beginnt. „Noch bläst der Gegenwind aus Europa der heimischen Wirtschaft entgegen. Doch positive Effekte von etwas gelockerten fiskalischen Zügeln, der laufenden Abschwächung des Wechselkurses des Euro und etwas tiefere Ölpreise könnten 2013 spürbar werden. Wir erwarten für das Gesamtjahr 2012 weiterhin einen Anstieg des BIP um 0,8 Prozent und 2013 ein Wirtschaftswachstum um immerhin 1,5 Prozent“, so Bruckbauer. Dies alles basiert jedoch auf der Annahme, im Euroraum wird weiter konstruktiv an den eingeleiteten Lösungen zur Überwindung der Eurokrise gearbeitet. „Weiterhin sind vor allem Unsicherheiten rund um den notwendigen Umbau des Euroraums das größte Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Österreich“, meint Bruckbauer.

Rohstoffpreise bestimmen Inflationsdynamik
Trotz eines leichten Anstiegs der Inflationsrate im Juni auf 2,2 Prozent im Jahresvergleich wird sich der rückläufige Inflationstrend weiter fortsetzen. Dieser hält bereits seit Herbst 2011 an und ist durch den moderaten Rohstoffpreistrend bedingt. Im ersten Halbjahr 2012 betrug die durchschnittliche Teuerung damit 2,4 Prozent. „Nach dem anhaltend günstigen Inflationstrend der ersten sechs Monate erwarten wir für das zweite Halbjahr 2012 trotz des leichten Anstiegs im Juni auf 2,2 Prozent eine Teuerung von knapp unter der 2-Prozent-Grenze. Für den Jahresdurchschnitt 2012 dürfte sich damit ein Wert von 2,0 Prozent ergeben und für 2013 erwarten wir mit 1,8 Prozent sogar eine Inflation unter der 2-Prozent-Grenze“, so Bruckbauer. Allerdings wird ein darüber hinaus gehender Inflationsrückgang nach Einschätzung der Ökonomen der Bank Austria bald durch den starken Anstieg der Rohstoffpreise in den vergangenen Wochen verhindert. Die kräftigsten Preissteigerungen gab es seit Anfang Juni bei den Agrarrohstoffen mit einem Plus um 30 Prozent bei Mais als Spitzenwert. Während die Preise für Metalle praktisch unverändert blieben, hat jüngst auch wieder der Ölpreis angezogen. Vom Jahrestief von knapp über 90 USD pro Barrel Ende Juni hat der Ölpreis die 100-Dollar-Grenze zwischenzeitlich wieder überschritten, ist damit jedoch noch weit vom Jahreshoch von über 125 US-Dollar entfernt.

Anders als in den vergangenen Wochen, als der Fokus überwiegend auf den Agrarrohstoffen lag, ist im zweiten Halbjahr mit einem Preisauftrieb bei Edelmetallen und Energie zu rechnen, da beträchtliche Risiken auf der Angebotsseite bestehen. Dazu zählen zunehmende Spannungen im Nahen Osten nach Beginn des Ölembargos gegen den Iran am 1. Juli und die laufende Hurrikansaison in den USA. Durch hohe Lagerbestände der Industrieländer sind die Aufwärtsrisiken jedoch begrenzt, was die Inflation trotzdem in den kommenden Monaten in Zaum halten wird.
     
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