Kärnten steht Neuwahl ins Haus  

erstellt am
30. 07. 12

Am 25.07. trat Kärntens Landesrat Josef Martinz als Kärntner ÖVP-Obmann zurück. Das erklärte er unmittelbar nach seinem Geständnis am Landesgericht Klagenfurt im Strafprozeß in der "Causa Birnbacher". Nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes hätten Jörg Haider und er die Idee entwickelt, daß "davon auch etwas an die Parteien gehen soll", sagte Martinz. Der Prozeß wurde vertagt und soll am 6. August fortgesetzt werden. Doch der Wirbel ist perfekt, man wirft der ÖVP Kärnten und der Freiheitliche Partei Kärntens (FPK) vor, diese Gelder als Parteienfinanzierung aufgeteilt zu haben, die PFK wiederum wirft der SPÖ Kärnten vor, sich widerrechtlich Landesmittel angeeignet zu haben. Hinter dieser aktuellen Malaise laufen Prozesse und Einvernahmen zu vermuteten Geschäften um Staatsbürgerschaftsnachweise und zu als Landesinformation getarnter Parteiwerbung der FPK. Alle Beteiligten bestehen vehement darauf, damit nichts zu tun zu haben. Alle, bis auf einen, eben Josef Martinz, der nach einem Geständnis von Steuerberater Georg Birnbacher reinen Tisch machte. Damit hat er eine innenpolitische Lawine losgetreten, deren Auswirkungen kaum absehbar sind.

Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler zeigte sich in einer ersten Reaktion "schockiert und massiv enttäuscht" die "Causa Birnbacher, Martinz und Co" entwickle sich "anscheinend zum größten Sumpf und Skandal. Ich bin zutiefst schockiert, dass manche ihre politischen Aufgaben durch Macht und wie man sieht maßlose Gier missbraucht haben", so Dörfler.
"Ich stelle ein für alle Mal klar, dass ich derartige Machenschaften zutiefst ablehne. Ich werde mich sofort nach meiner Rückkehr aus dem Ausland persönlich der Sache annehmen, um weiteren Schaden vom Land abzuwehren. Zu den ständigen Neuwahlwünschen verschiedener Politakteure halte ich als zu 100-Prozent-Unbeteiligter in diesem Skandal fest, dass ich unter dem Motto ,Aufklären statt Neuwahlgeplänkel' für eine schonungslose und 100-prozentige Durchforstung und Aufklärung in dieser Skandalcausa eintrete", erklärte Dörfler.

ÖVP- Bundesparteiobmann Michael Spindelegger sagte, "mit dem umgehenden Parteiaustritt von Josef Martinz nach den Ereignissen des heutigen Tages wird der Weg endgültig frei für einen Neustart in der Kärntner ÖVP. Es war richtig und notwendig, dass das sofort und umgehend erfolgte. Persönlich bin ich zutiefst enttäuscht von Josef Martinz." Aufgabe der Politik sei es, den Menschen zu dienen. "In meiner ÖVP dulde ich kein solches Fehlverhalten. Unsere vielen Funktionärinnen und Funktionäre, die tagtäglich für unsere Gesinnungsgemeinschaft arbeiten, verdienen eine Parteispitze, die für Ehrlichkeit und Anstand in unseren Reihen sorgt. Denn ich dulde kein Verhalten, dass unserer Gesinnungsgemeinschaft schadet und das Vertrauen all jener, die der ÖVP mit ihrer Stimme das Vertrauen geschenkt haben, missbraucht", so Spindelegger.

Kärntens SPÖ-Landesparteivorsitzender LHStv. Peter Kaiser bezeichnete den durch die Geständnisse von Birnbacher und Martinz zu Tage tretenden "FPK-ÖVP-Korruptionsskandal als größten Skandal in der Geschichte der zweiten Republik. Wir, die Kärntnerinnen und Kärntner, wurden belogen und betrogen, von einer Korruptionskoalition aus FPK und ÖVP. Empörung, Erschütterung, Wut und Verzweiflung machen sich in Kärnten breit", verdeutlichte Kaiser in seiner Pressekonferenz am 26.07. Nachdem Birnbacher und Martinz zum Auspacken gezwungen waren, müssten nun andere einpacken und zurücktreten. Namentlich nannte Kaiser Uwe Scheuch, Harald Dobernig, Achill Rumpold und Gerhard Dörfler.
"Dörfler trägt als jahrelanger Parteikassier und Partei-Obmann-Stellvertreter die volle Verantwortung mit", stellte Kaiser klar.

Als Knalleffekt in Richtung ÖVP bezeichnete der stellvertretende FPÖ- Bundesparteiobmann Norbert Hofer die Aussagen von Ex-ÖVP-Chef Martinz und des Steuerberaters Birnbacher. Das Geständnis von Martinz sei der Nachweis dafür, dass die ÖVP bis in die Kreise der Wiener Parteispitze in Person von Ernst Strasser voll in die Malversationen rund um das Birnbacher-Gutachen eingebunden gewesen sei. Die Anschuldigungen in andere politische Richtungen könnten inhaltlich aber durchaus als Versuch von Martinz und Birnbacher zu werten sein, die eigene Verantwortung dadurch möglichst herunterspielen zu wollen, indem man versuche, andere Personen in die Causa mit hineinzuziehen, so Hofer. Martinz und Birnbacher hätten jedenfalls in der Vergangenheit bereits verschiedenste Varianten der Ereignisse rund um das Gutachten auf den Tisch gelegt und seien daher nicht bedingungslos glaubwürdig.

Österreichweit fordern nun viele Stimmen Neuwahlen in Kärnten. Davon hatte die FPK vorerst nichts wissen wollen. Dann aber erklärte FPK-LPO Uwe Scheuch, er könne sich eine Neuwahl im kommenden Frühjahr vorstellen, und das in Verbindung mit einer ebenfalls vorgezogenen Nationalratswahl (die ist turnusmäßig für den Herbst 2013 vorgesehen). Davon wollen aber VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, VP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und SP-Klubchef Josef Cap nichts wissen, die Wahl in Kärnten habe absolut nichts mit der Nationalratswahl zu tun. FPK-LPO Scheuch aber meint, es solle vielmehr die Möglichkeit einer Kostenreduktion für die österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Betracht gezogen werden.

SPÖ-Chef Kaiser, der als frühestmöglichen Neuwahltermin unter Einhaltung aller gesetzlichen Fristen den 30. September 2012 nennt, spricht sich für "schnellstmögliche Neuwahlen" aus, "um Kärnten in eine saubere Zukunft zu führen".

Auch das BZÖ spricht sich klar und deutlich für sofortige Neuwahlen in Kärnten aus, "bevor FPK und ÖVP das Land endgültig in den Abgrund führen", sagte BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher. "Diese verantwortungslosen FPK/ÖVP-Zustände sind den Kärntnerinnen und Kärntnern nicht mehr zumutbar. Die Bürger haben sich eine verantwortungsvolle Landesregierung verdient, die für die Menschen und das Land arbeitet und nicht ihre Ämter missbraucht, nur um die eigenen Parteikassen zu füllen. Wenn sich Dörfler, Scheuch und Co. jetzt mit irgendwelchen ,Spielchen' die nächsten Monate über Wasser halten wollen, dann muss das sofort abgestellt werden.
Völlig unverständlich sei, dass FPÖ-Chef Strache seinen Kärntner Parteifreunden nach wie vor die Mauer mache und deren korrupte Machenschaften verteidigt.

Die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, stellte fest, es sei "eine Unverfrorenheit, dass die FPK in Kärnten Neuwahlen gegen die Mehrheit zu verhindern versucht". "Mittels verfassungsrechtlicher Bestimmungen wollen wir dafür sorgen, dass auch in Kärnten demokratiepolitische ,Mindeststandards' - etwa die Abwahl von Regierungsmitgliedern und eine Neuwahl mit Mehrheit und nicht über Zweidrittel-Quorum - eingeführt werden. Dahingehende Gespräche werde ich umgehend mit den Klubobleuten von SPÖ und ÖVP, Josef Cap und Karlheinz Kopf, aufnehmen." Die jüngste Entwicklung in Kärnten sei ein Erfolg der Grünen. Ohne die Arbeit von Rolf Holub hätte es das Geständnis von Dietrich Birnbacher wohl nicht gegeben. Die Grünen-Chefin geißelte die "einzigartige Demokratieblockade", in der sich nun die FPK übe. Eine Verfassungsänderung, die sich in den Bestimmungen der Abwahl von Regierungsmitgliedern, der Neuwahl, aber auch der Kontrollrechte am Bund orientiert, soll das "auf sauberen Weg beenden."
     
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