92. Salzburger Festspiele wurden eröffnet   

erstellt am
27. 07. 12

Ansprachen von Rabl-Stadler, Burgstaller, Schmied und Fischer / Festrede von Peter von Matt
Salzburg (lk) - Mit einer Festveranstaltung des Landes Salzburg in der Felsenreitschule wurden am 27.07. die 92. Salzburger Festspiele eröffnet. Nach der Begrüßung durch Festspielpräsidentin Dr. Helga Rabl-Stadler sowie Ansprachen von Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller und von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Claudia Schmied, eröffnete Bundespräsident Dr. Heinz Fischer die Salzburger Festspiele 2012. Anschließend folgte die Festrede von Dr. Peter von Matt.

Rabl-Stadler: 243 Veranstaltungen an 38 Tagen auf 16 Spielstätten
Festspielpräsidentin Rabl-Stadler lud das Publikum ein, die Festspiele zu begleiten, "bei einem Anfang, mit dem es uns gelingt, das wichtige Alte weiter zu pflegen und das richtige Neue zu wagen. Und jetzt geht der Vorhang auf. Heute Abend zur Zauberflöte und zu weiteren 243 Veranstaltungen an 38 Tagen auf 16 Spielstätten. Die Salzburger Festspiele waren und sind so oft Plattform für künstlerische, wissenschaftliche und politische Begegnungen, wir wollen sie auch für den interkonfessionellen Diskurs öffnen. Daher haben wir dieses Jahr einen jüdischen Schwerpunkt gesetzt. Nächstes Jahr soll der Buddhismus im Zentrum stehen", so Rabl-Stadler. Sie hoffe, dass Alexander Pereiras Idee, alljährlich mit Haydns Schöpfung zu beginnen, einst zu den Festspielen gehören wird wie der Jedermann.

Burgstaller: Festspiele der Demokratie und des Zusammenhalts
Für Landeshauptfrau Burgstaller befinden sich die Salzburger Festspiele im Spannungsfeld zwischen einem herausragenden Kulturangebot und den realen Problemen der europäischen Gesellschaften. "Das Neue zu wagen, ist notwendig, um die Berührungspunkte mit Leben zu erfüllen. Daher ist die Idee von Alexander Pereira, dem Programm die Ouverture spirituelle voranzustellen, sehr zu begrüßen." Künstler, Orchester, Dirigent, Regisseur, Intendant, die Menschen auf, hinter, unter und neben der Bühne, alle müssen, so die Landeshauptfrau, wie ein Räderwerk zusammenspielen, um einen wunderbaren Erfolg zu garantieren. "Doch vergessen wir nicht das Publikum. Auch das Publikum gestaltet eine künstlerische Veranstaltung mit. Applaus oder Buhrufe zeigen, was gefällt, irritiert, begeistert, verstört. Genau hier finden wir den Anknüpfungspunkt an ein gemeinsames Europa. Auch Europa muss von allen verstanden, gefühlt, gelebt werden." Die Salzburger Festspiele seien ein europäisches Stück, das war die Gründungsidee. "Heute sollten wir die Chance ergreifen, den Festspielen für Europa nicht nur Heimat zu sein, sondern ihnen auch ein unverwechselbares Gesicht zu geben: das des Friedens und der Demokratie, der Menschenrechte, des sozialen Zusammenhalts", sagte Burgstaller.

Schmied: Hohe internationale Qualität finanziell absichern
Auf die Sonderstellung der Salzburger Festspiele und deren finanzielle Absicherung durch die öffentliche Hand ging Bundesministerin Claudia Schmied in ihrer Ansprache ein: "Die Salzburger Festspiele haben über Jahrzehnte ihre hohe Qualität behalten und sind ein Ort internationaler Kunst geblieben. Das wäre schon viel über die vielen Jahre hin. Aber Salzburg beschert den Besucherinnen und Besuchern, die sich darauf verstehen, auch etwas, was wir in der besinnungslos dahinrasenden Zeit vermissen: Besinnung, Festlichkeit, Konzentration, aber auch Genuss. Sie bieten nicht nur Kunst, sie haben Kultur."

Damit die Kunst frei ist, müsse sie auch ökonomisch abgesichert werden. 0,6 Prozent des österreichischen Bundesbudgets gehen derzeit in Kunst und Kultur. Das sind rund 450 Millionen Euro. Schmied: "Und jeder Euro ist gut angelegt! Es macht die Stärke unserer österreichischen Gesellschaft aus, dass wir die Freiheit der Kunst in der Verfassung verankert haben. Wer die Gesellschaft weiterentwickeln will, wird hier nicht über Einsparungen reden, sondern Möglichkeiten suchen, diese Budgets zu erhöhen."

Fischer: Weltklasse-Festspiele mit europapolitischer Programmatik
Bundespräsident Fischer erinnerte in seiner Eröffnungsansprache an die politische Zielsetzung der Salzburger Festspiele, die sich, so Fischer, zu Weltklasse-Festspielen entwickelt haben und "eines der ganz wenigen Festivals sind, die seit ihrer Gründung vor mehr als 90 Jahren neben ihrer künstlerischen Programmatik auch eine – im weitesten Sinn des Wortes – politische Programmatik aufweisen: und zwar den europäischen Gedanken, also eine europapolitische Programmatik". Man könne die Menschen nicht für Europa gewinnen ohne Antworten auf die Probleme Europas zu geben. Zu diesen Problemen gehören nach Meinung des Bundespräsidenten beispielsweise Fragen der Demokratie auf europäischer Ebene, wachsende Ungleichgewichte in Europa, aber auch die ungerechte Lastenverteilung innerhalb einzelner europäischer Staaten.

"In einer globalisierten Welt und erst recht in einem Europa der Integration müssen wir alle lernen, die Perspektive des jeweils anderen in die eigene Perspektive einzubeziehen. Auch die Kunst kann dazu Beiträge leisten: Theater wird nicht nur gesehen, Musik nicht nur gehört, sondern auf vielfache Weise reflektiert. Sich einzulassen auf die Bühnenschicksale fremder Menschen kann unsere Empathie für reale Schicksale vertiefen und uns fremde Kulturen näherbringen. Das trägt dazu bei, forcierte nationale Egoismen zu überwinden, die einem Europa der friedlichen und vernunftbetonten Zusammenarbeit entgegenstehen", so Fischer.

von Matt: Kunst und Feiern als menschliche Wesenszüge
Dr. Peter von Matt, früher Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich, stellte seine Festspielrede unter die immerwährende Frage, ob Kunst und Feiern als Luxus neben dem Lebensnotwendigen ihre Berechtigung haben, wo Kunst doch – so Matt – Verschwendung ist. "Zum physischen Überleben brauchen wir sie nicht. Die Kunst tritt immer hinzu. Was der Mensch zum Überleben braucht, sind Brot und Früchte und sauberes Wasser, und tatsächlich leben auf dieser Erde Abertausende, denen Brot und Früchte, denen insbesondere das saubere Wasser fehlt. Das Einzige, was nirgendwo zu fehlen scheint, sind die Kalaschnikows. Darf es denn überhaupt Kunst geben, den Überfluss schlechthin, solange es Menschen gibt, denen es an Brot und Früchten und sauberem Wasser fehlt? Steht die Kunst also in einem fundamentalen Widerspruch zur Gerechtigkeit?", stellte Matt in den Raum und kam zum Schluss, dass die Verschwendung in allen Kulturen weit mehr sei als ein zynischer Luxus der Besitzenden oder ein Einschüchterungsritual der Herrschenden. "Sie ist ein Glücksfaktor für alle. Denn auf der Verschwendung, dem kurzfristigen Genuss von Überfluss, beruht das Fest. Und ohne Feste kann keine Gemeinschaft leben, keine Familie und kein Dorf, keine Stadt und kein Land, kein Lebensalter und keine Berufsgruppe feiern."

Der Gegensatz zum Fest seien nicht die Armut und das Elend, sondern die Arbeit. "Aus der Arbeit, der täglichen Mühe, dem Ächzen an Werkbänken und Pulten, auf Traktoren und vor Bildschirmen, entspringt der Traum von den ganz anderen Tagen, welche reines Fest sind, Tanz und Feier, Karneval, gemeinsames Genießen und eben Verschwendung, Verschleuderung sogar in breiten Würfen. Wer dagegen antritt, tritt an gegen die menschliche Natur", so Peter von Matt. Die Kunst und das Fest würden sich also im Akt der Verschwendung treffen. "Wie es keine organisierte Gesellschaft gibt ohne Fest, gibt es auch keine organisierte Gesellschaft ohne Kunst. Kunst und Fest sind nicht identisch, aber in ihrem Wesen verwandt. Wer das Fest erforscht, stößt auf Dinge, die auch für die Kunst gelten und umgekehrt." q165-60

Es gilt das gesprochene Wort!
     
Informationen: http://www.salzburgerfestspiele.at/    
     
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