Geschichte der Psychiatrie und NS-Euthanasie in der Museumspraxis   

erstellt am
16. 08. 12

Innsbruck (lk) - Mut und den Willen, sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinanderzusetzen, zeigt Tirol als Ausrichter- und Gastgeberland für den heurigen Gesamttiroler Museumstag. Dieser widmet sich der Geschichte der Psychiatrie und NS-Euthanasie im historischen Raum Tirol und deren Relevanz für die Museumspraxis.

„Mit dem Gesamttiroler Museumstag wollen wir einen besonderen Aspekt der NS-Vergangenheit in Tirol, Südtirol und dem Trentino aus dem Schatten der Geschichte holen. Die Tötung von psychisch kranken Menschen in der NS-Zeit ist nicht erst durch die archäologischen Funde in Hall in Tirol wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, in vielen Familien und auch in Dorfgemeinschaften gibt es noch lebendige Erinnerungen an damals verschwundene Personen. Mit diesem Museumstag wollen wir eine Brücke zwischen der wissenschaftlichen Erforschung dieser Geschichte und der wichtigen Vermittlung in den Museen schlagen“, betont Kultur- und Bildungslandesrätin Beate Palfrader.

Wissenschaftliche Auseinandersetzung
Die Fachreferate im Rahmen der grenzüberschreitenden Tagung beleuchten die Geschichte der Psychiatrie und Euthanasie im historischen Tirol von 1830 bis in die Gegenwart sowie die Möglichkeiten und Grenzen des Lernens und Gedenkens. In den acht parallel verlaufenden Workshops können die Teilnehmenden tiefer in die Materie eintauchen und über Möglichkeiten der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der musealen Vermittlung diskutieren. Zudem werden im Rahmen der Fachtagung aktuelle Forschungs- und Ausstellungsprojekte präsentiert. Vor allem die wissenschaftliche, museale und künstlerische Aufarbeitung und Präsentation dieser Geschichte beschäftigt die teilnehmenden MuseumsmitarbeiterInnen aus der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino.

Am Museumstag macht die zweisprachige Wanderausstellung „Ich lass mich nicht mehr länger für einen Narren halten...“ im Haller Kurhaus Station. Sie ging aus dem Kooperationsprojekt „Psychiatrische Landschaften“ des Südtiroler Landesarchivs und der Universität Innsbruck hervor, das sich der Geschichte der Anstalten in Hall und im italienischen Pergine sowie der Psychiatrischen Klinik in Innsbruck widmet.

In Erinnerung rufen
Anlass für die Themenfindung des Gesamttiroler Museumstages war unter anderem der Fund eines Massengrabes am ehemaligen Anstaltsfriedhof des Psychiatrischen Krankenhauses Hall im Jahr 2011. Mit dem Gräberfeld und der Geschichte der Euthanasie in Tirol beschäftigt sich seitdem eine Expertenkommission des Landes und der Tiroler Landeskrankenanstalten (TILAK). Das Ergebnis: 360 Insassen der Anstalt wurden Opfer der NS-Euthanasie. Ein Lern- und Gedenkort neben dem historischen Archiv des Psychiatrischen Krankenhauses Hall soll daran künftig erinnern.

Am Museumstag werden ähnliche Erinnerungsorte etwa in Schloß Hartheim in Oberösterreich oder in Pergine im Trentino sowie zahlreiche konkrete Projekte vorgestellt, in denen sich Museen und Gedenkstätten der Erinnerung an den Umgang mit psychisch Kranken im 20. Jahrhundert und vor allem in der NS-Zeit gestellt haben. „Die wissenschaftliche Diskussion über die Geschichte der Psychiatrie und der NS-Euthanasie wird derzeit in allen Teilen der Europaregion intensiv geführt. Ich bin überzeugt, dass der Gesamttiroler Museumstag 2012 diese Themen zum richtigen Zeitpunkt aufgreift und dass er damit auch die kulturelle Bedeutung der Museen unterstreicht und sie in ihrer Verantwortung als Gedächtnis unserer Gesellschaft stärkt“, so LRin Palfrader. Der Gesamttiroler Museumstag findet am 17. Oktober 2012 im Kurhaus in Hall in Tirol statt.
     
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