Nach Entscheidung des OLG Linz:  

erstellt am
24. 08. 12

SPÖ fordert Reform der Fußfessel
In der Tageszeitung "Österreich" Jarolim sieht Opferinteressen zu wenig berücksichtigt - SPÖ-Politiker an Karl: "Nur Betroffenheit zu zeigen, ist ein bisschen wenig"
Wien (oe24) - Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) gerät in der Debatte um die Fußfessel für einen Sexual-Täter in der Koalition unter Druck. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim fordert in "Österreich" (Ausgabe vom 24.08.) eine Reform der gesetzlichen Voraussetzung für die Vergabe von Fußfesseln: "Wir haben hier ganz klar Handlungsbedarf. Die gesetzlichen Regelungen müssen geändert werden. Wir müssen in das Gesetz ausdrücklich reinschreiben, dass bei Gewaltdelikten mit besonderem Schwerpunkt auf den Sexualbereich die Opferinteressen ganz zentral im Vordergrund stehen müssen. Das steht jetzt so nicht drinnen." Der SPÖ-Politiker fordert Karl zum Handeln auf: "Da wird es einen Diskussionsverlauf geben müssen. Ich erwarte mir, dass die Justizministerin geeignete Vorschläge zur Änderung unterbreitet. Nur Betroffenheit zu zeigen, ist ein bisschen wenig."

 

Gartelgruber, Fichtenbauer empört über Haftverschonung für Sexualstraftäter
Laut Gartelgruber und Fichtenbauer stellt diese Entscheidung auch einen Affront gegen den Gesetzgeber dar
Wien (fpd) - Die bedauerliche Entscheidung des OLG Linz, einen verurteilten Sexualstraftäter mit der Fußfessel an Stelle der Strafhaft, zu der er verurteilt worden ist, davonkommen zu lassen stößt auf die Empörung von FPÖ-Frauensprecherin Carmen Gartelgruber und FPÖ- Justizsprecher Dr. Peter Fichtenbauer.

Laut Gartelgruber und Fichtenbauer stellt diese Entscheidung auch einen Affront gegen den Gesetzgeber dar, weil anlässlich der Einführung der Fußfessel ein Fünfparteienentschließungsantrag im Justizausschuss beschlossen wurde, demnach die elektronische Fußfessel im Bereich des Sexualstrafrechtes nicht zur Anwendung kommen soll. Zwar ist dieser Entschließungsantrag nicht Teil des Gesetzeswortlautes, trägt aber die Anwendungsgrundsätze, die der Gesetzgeber verwirklicht haben möchte, in sich. Damit ist auch ein Vertrauensvorschuss für die Justiz verbunden, der aber jetzt ganz offenkundig missachtet wird.

Seitens der FPÖ heißt dies klar: Antragstellung bei Tagungsbeginn des Parlamentes im Herbst auf Änderung des Strafvollzugsgesetzes, dass bei Verurteilungen nach einem Sexualstrafdelikt der Ersatz der Freiheitsstrafe durch elektronische Fußfessel ausgeschlossen ist.

Gerade im Sexualstrafrecht hat der Grundsatz zu lauten: "Opferschutz vor Täterschutz", Vergewaltiger insbesondere von Behinderten, Jugendlichen oder gar Kindern sind in Haft zu halten und nicht mit "Vollzuggeschenken" zu belohnen, so Gartelgruber und Fichtenbauer. 

 

Markowitz: Skandalöser Umgang mit Sexualstraftätern
Markowitz kündigt eine Anfrage an Justizministerin Karl an
Wien (bzö) - Ein fünffacher Serienvergewaltiger darf dank Fußfessel seine "Strafe" genau in jenem Salzburger Haus absitzen, in dem er eine damals 15-Jährige mehrmals sexuell missbraucht hat. Der Jugendsprecher des BZÖ, Abg. Stefan Markowitz weist das Vorgehen der Justiz, einem fünffachen Serienvergewaltiger anstelle der gebührenden Freiheitsstrafe die Vergünstigung der Fußfessel zu gewähren, wie das das OLG Linz getan hat, mit Entschiedenheit zurück.

Markowitz spricht in dieser Hinsicht von skandalöser und leichtsinniger Vorgangsweise, wie mit Sexualtätern umgegangen wird. "Sexualstraftäter stellen eine immense Gefahr für Jugendliche dar und unter anderem ist die Androhung einer strengen Freiheitsstrafe ein Mittel, solche Täter abzuschrecken", betont der BZÖ-Mandatar. Markowitz kündigt eine Anfrage an Justizministerin Karl an, wie sie sich den Strafvollzug von Sexualverbrechern überhaupt vorstellt. "Es kann doch nicht sein, dass die Justizministerin überhaupt keinen Gedanken daran verschwendet, wie die Jugendlichen am besten vor Gewalttätern geschützt werden können", so Markowitz.

 

Karl: Ich werde Verschärfungen bei der Vergabe von Fußfesseln an Sexualstraftätern vorschlagen
Justizministerin zur aktuellen Diskussion rund um den elektronisch überwachten Hausarrest (Fußfessel) für einen verurteilten Sexualstraftäter
Wien (bmj) - "Ich kann die Betroffenheit des Opfers nachvollziehen, dem Schreckliches angetan wurde", nimmt Justizministerin Dr. Beatrix Karl zum aktuell diskutierten Fall eines Sexualstraftäters, dem von der Vollzugskammer des OLG Linz eine Fußfessel zugestanden wurde, Stellung: "Ich möchte, dass in diesem sensiblen Fall alle Aspekte wirklich beachtet und abgewogen werden. Deswegen habe ich veranlasst, dass wir die Entscheidung der Vollzugskammer beim Verwaltungsgerichtshof anfechten."

Zudem hat die Justizministerin die Evaluierung zur Fußfessel, die wie geplant im Herbst dem Parlament präsentiert werden wird, um die Aspekte einer möglichen Verschärfung der Kriterien für die Zuerkennung des elektronisch überwachten Hausarrestes für Sexualstraftäter erweitert: "Die Experten werden also prüfen in wie weit verfassungskonforme Verschärfungen bei der Vergabe an Sexualstraftäter möglich sind. Aus den Rückmeldungen der Experten werde ich dann meine Vorschläge ableiten und mit dem Parlament diskutieren. Dabei soll vor allem eine stärkere Einbindung der Opfer angedacht werden", so Bundesministerin Karl.

Zugleich verweist Karl auf die bereits erfolgten Verschärfungen für Sexualstraftäter wie etwa im Zweiten Gewaltschutzgesetz (u.a. Verlängerung der Probezeit für Sexualstraftäter, Verlängerung der Verjährungsfristen, Einführung eines Tätigkeitsverbotes für Sexualstraftäter) oder in der Strafgesetznovelle 2011 (u.a. Anhebung von Strafuntergrenzen, Einführung des Straftatbestandes der Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen) und erst die kürzlich erfolgte Verschärfung der Kriterien zur Vergabe einer Fußfessel bei Sexualstraftätern: "Ich habe bereits im Herbst letzten Jahres Verschärfungen bei der Vergabe der Fußfessel an Sexualstraftäter veranlasst: beantragt ein Sexualstraftäter jetzt eine Fußfessel entscheidet nicht der Anstaltsleiter alleine sondern es prüft die "Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter" (BEST) und es muss die Vollzugsdirektion in Wien dem ebenfalls stattgeben", erklärt die Justizministerin, die den elektronisch überwachten Hausarrest aber im Allgemeinen nach wie vor für ein Erfolgsmodell hält.   

 

Koss: Fußfessel in der Praxis
Hausarrest mit Betreuung und Kontrolle
Wien (neustart) - Seit Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests im Jahr 2010 bis Mitte August 2012 gab es 949 Fußfesselträger. 50 % betrafen Vermögens- oder Finanzstrafdelikte wie Betrug (19 %), Diebstahl (12 %) oder Verletzung der Unterhaltspflicht. Ein weiterer Schwerpunkt sind fahrlässige Körperverletzung und Körperverletzung (23 %). Delikte gegen die sexuelle Integrität machten 2 Prozent der positiv erledigten Anträge aus. Beachtenswert ist der hohe Anteil von Frauen im elektronisch überwachten Hausarrest, der mit 15 Prozent rund zweieinhalb Mal so hoch ist wie sonst bei Strafhaft (6 %). Das betrifft vor allem Frauen mit Kindern, weil Kinderbetreuung als geeignete Beschäftigung wie Erwerbsarbeit bewertet wird.

Lediglich in 1,7 Prozent der Fälle erfolgte ein vorzeitiger Abbruch des elektronisch überwachten Hausarrests wegen Verdachts einer neuerlichen Straftat, wobei sich darunter keine Sexualstraftaten fanden. Die Zahl der Abbrüche wegen Wegfalls der Voraussetzungen (etwa Wohnungs- oder Arbeitsplatzverlust) sowie Nichteinhaltung der Bedingungen oder Auflagen (zum Beispiel nicht erlaubter Alkoholkonsum, zu spätes Heimkommen) liegt bei 2,3 Prozent. "Anders gesagt bleiben 98 Prozent während des Hausarrests rückfallfrei", resümiert "Neustart" Geschäftsführer Dr. Christoph Koss die bisherigen Erfahrungen mit der Fußfessel. Bislang wurde kein einziger Fußfesselträger wegen Flucht zur Fahndung ausgeschrieben. Beim elektronisch überwachten Hausarrest geht es darum, die Personen in ihrem sozialen Umfeld zu lassen. Einerseits, um den Verlust von Wohnung und Arbeitsplatz zu vermeiden; andererseits, damit sie sich um ihre Familie kümmern und zum Haushaltseinkommen beitragen können. Befindet sich ein Straftäter bereits in Haft, soll mit dem elektronisch überwachten Hausarrest der Übergang in die Freiheit engmaschig betreut und kontrolliert werden. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass das Rückfallsrisiko steigt, wenn soziale Bezüge zerstört werden oder eine Haftentlassung ohne Betreuung stattfindet.

Die Hauptaufgaben der Sozialarbeit von "Neustart" umfassen zunächst eine Erhebung im Auftrag der Justizanstalt, ob der Klient die Bedingungen erfüllt. Dazu gehören eine geeignete Wohnung, Arbeit, Versicherung, die finanzielle Situation und die persönlichen Lebensumstände. Wichtig ist auch, zu prüfen, ob die Angehörigen, die mit dem Straftäter im gemeinsamen Haushalt leben, einverstanden sind. Besonderes Augenmerk wird auf das Risiko häuslicher Gewalt gelegt. Forschungsarbeiten zeigen, dass gerade Angehörige den Hausarrest positiv beurteilen, weil der Klient sich weiterhin um Familie, Einkommen oder Kinder kümmert. Dennoch wird in jedem Einzelfall vom Sozialarbeiter auf Risikofaktoren für häusliche Gewalt geachtet und allenfalls Alternativen (anderer Wohnort) besprochen oder ein negativer Bericht an die Justizanstalt verfasst.

Wird dem Straftäter die Fußfessel genehmigt, betreuen Sozialarbeiter von "Neustart" während des Hausarrests. Schwerpunkt ist das Aufsichtsprofil, in dem festgelegt wird, wo sich der Klient 24 Stunden an sieben Tagen die Woche aufhalten darf. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit der Tat, zu der jemand verurteilt wurde (Verantwortungsübernahme, Reue, Mitgefühl für das Opfer, wie kam es dazu, was sind begünstigende Faktoren). Weiteres Thema in der Praxis der Sozialarbeit ist die Bearbeitung bestehender Problemlagen (Schulden, Gesundheit, Sucht, Arbeit). Neben der Kontrolle des Aufsichtsprofils können unangemeldete Hausbesuche der Justizanstalt oder des Sozialarbeiters stattfinden; notwendig sind auch Krisenintervention und die Unterstützung der Angehörigen sowie Motivationsarbeit. Je länger der Hausarrest mit der Fußfessel dauert, desto belastender ist der Freiheitsentzug.

Die Ergebnisse und Wirkungen mit einer Rückfallsrate von unter zwei Prozent zeigen, dass der Hausarrest sehr erfolgreich ist. Vor allem im Vergleich zu Alternativen wie kurzer Freiheitsstrafe oder einem unbetreuten und unkontrollierten Übergang von Haft in die Freiheit sind das Rückfallsrisiko und die Gefahr neuerlicher Opfer wesentlich geringer. Aus den genannten Gründen haben die meisten europäischen Staaten den elektronisch überwachten Hausarrest zum Teil erheblich früher eingeführt als Österreich (Großbritannien, Norwegen, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Portugal, Polen, Irland oder etliche Schweizer Kantone und deutsche Bundesländer). Allein in Schweden waren im Jahr 2010 3.739 Straftäter im elektronisch überwachten Hausarrest. Das sind 13 Prozent aller Inhaftierten gegenüber Österreich mit 2,2 Prozent. Die Gründe sind in allen Ländern dieselben: Vermeidung von Haftschäden, überfüllte Gefängnisse mit hohen Kosten oder bessere Rückfallsprognose.

http://www.neustart.at 
     

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