Karl für Einschränkung auf Kernbereich
organisierter Kriminalität
Wien (pk) – Am 20. Oktober 2011 hatte der Nationalrat vor dem Hintergrund des sogenannten "Tierschützer-Prozesses"
in einer Entschließung Justizministerin Beatrix Karl aufgefordert, eine wissenschaftliche Evaluierung des
in der öffentlichen Diskussion als "Mafia-Paragraph" bezeichneten § 278a StGB in Auftrag zu
geben. Ausgehend von einer Bewertung hinsichtlich der Reichweite und der Bestimmtheit der Tatbestandsmerkmale stand
dabei die Frage im Mittelpunkt, ob und welche Beschränkungen des Tatbestandes im materiellen und formellen
Recht möglich und sinnvoll sind. Die Studie, die das Forschungszentrum für Polizei- und Justizwissenschaften
an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien erstellte, wird nun in einem Bericht des
Justizministeriums präsentiert und liegt dem Parlament vor.
§ 278a nicht ersatzlos streichen
Univ.-Prof. Dr. Susanne Reindl-Krauskopf und Univ.-Ass. Dr. Farsam Salimi kommen in ihrer insgesamt 137 Seiten
umfassenden Evaluierung zu dem Schluss, dass eine ersatzlose Streichung des § 278a nicht zu empfehlen sei.
Zwar fielen kriminelle Zusammenschlüsse auch abseits des § 278a unter den Tatbestand der kriminellen
Vereinigung des § 278, der größere Unwert mafioser Strukturen, der in der Organisationsdichte,
der Geheimhaltung und der Einflussnahme auf die Gesellschaft besteht, werde aber durch § 278 nicht abgedeckt,
gibt die Studie zu bedenken. Überdies verweisen die beiden Autoren auf Einschränkungen strafprozessualer
Ermittlungsbefugnisse zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, die sich als Folge einer Streichung
des § 278a ergeben würden.
Tatbestand auf Kern der organisierten Kriminalität reduzieren
Als möglich und sachgerecht erscheinen aus Sicht der Studie hingegen Präzisierungen und Beschränkungen
des Tatbestandes. Reindl-Krauskopf und Salimi schlagen insbesondere eine Schärfung der Tatbestandsmerkmale
vor, um den Anwendungsbereich des § 278a auf den Kernbereich der organisierten Kriminalität einzuschränken.
In diesem Sinn wird etwa eine Streichung des Tatbestandsmerkmals des erheblichen Einflusses auf Politik und Wirtschaft
empfohlen, größere Klarheit erwarten sich die beiden Verfasser auch durch das Abstellen des Gesetzes
auf die Begehung von Verbrechen im Sinn des Strafgesetzbuches anstatt wie bisher schwerwiegender Straftaten.
Die Studie bietet als Ergebnis eine Textvariante an, die bei vollständiger Umsetzung ihrer Präzisierungsvorschläge
wie folgt lauten könnte: " Wer eine unternehmensähnliche Verbindung einer größeren Zahl
von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung als Mitglied beteiligt, die überwiegend auf
die wiederkehrende und geplante Begehung von Verbrechen ausgerichtet ist, die dadurch eine Bereicherung in großem
Umfang anstrebt und die andere durch mit Strafe bedrohte Handlungen zu korrumpieren oder die andere einzuschüchtern
oder sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, ist mit Freiheitsstrafe
von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."
Tatbestandsausschließungsgrund würde Unsicherheit noch verschärfen
Die Evaluierung prüft aber auch noch weitere Alternativen, so etwa die Einführung eines Tatbestandsausschließungsgrundes.
Als mögliches Vorbild wird dabei § 278c Abs. 3 zur Diskussion gestellt, dessen Wortlaut zufolge eine
Tat dann nicht als terroristische Straftat gilt, wenn sie auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer
und rechtsstaatlicher Verhältnisse oder die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten gerichtet ist.
Eine Anwendung dieser Variante auf § 278a stößt allerdings auf Skepsis seitens der beiden Autoren
der Studie. Es erscheine nicht zweckmäßig, die bisherigen Unsicherheiten im Umgang mit § 278a dadurch
noch zu verschärfen, dass ein unbestimmter Tatbestandsausschließungsgrund eingeführt wird, dessen
Vorbildregelung in § 278c Abs. 3 selbst Kritik auslöst, heißt es dazu.
Lauschangriff: Verwertungsverbot bei mitgliedschaftlicher Beteiligung möglich
Schließlich wird auch der Frage nachgegangen, ob Verwertungsverbote im Zusammenhang mit dem großen
Lauschangriff ein probates Mittel sein können, um den Anwendungsbereich des § 278a sachgerecht zu beschränken.
Für Fälle der bloß mitgliedschaftlichen Beteiligung ohne Einzeltatplanung oder Einzeltatbegehung
verweist die Studie in diesem Sinn auf die Möglichkeit der Eingrenzung der Verwertbarkeit derartiger Beweisergebnisse
durch Einschränkung bzw. Anpassung der entsprechenden Bestimmungen in der Strafprozessordnung.
Justizministerin will Tatbestand einschränken
In ihrem Begleitschreiben bekräftigt Justizministerin Beatrix Karl ihre Bereitschaft, dem Vorschlag aus der
Evaluierung betreffend Eingrenzung des Tatbestandes zu entsprechen und § 278a auf den Kernbereich der organisierten
Kriminalität – jene Formen, die auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind – zu beschränken. Konkret ist geplant,
den Passus "Organisationen, die einen erheblichen Einfluss auf Politik und Wirtschaft anstreben" aus
dem Gesetzestext zu streichen. Ein entsprechender Entwurf soll bereits in den nächsten Wochen in Begutachtung
gehen, kündigt Karl an. |