"Vom Isonzo in die Talferstadt"   

erstellt am
28. 08. 12

Ausstellung von Textilkunstwerken aus der ehemaligen Ausstattung der Görzer Synagoge auf Schloss Runkelstein in Bozen
Bozen (stadt) - Ab 31. August wird die Ausstellung "Simon und Sarah in Bozen" um zwei Räume erweitert (Eröffnung 17 Uhr). Heute wurde dieser neue Aspekt der Ausstellung im Rahmen einer Pressekonferenz im Rathaus vorgestellt. Mit dabei Bürgermeister Luigi Spagnolli sowie der Präsident der Stiftung Schlösser Helmut Rizzolli.

Über 30.000 zahlende Besucher haben bereits die Ausstellung "Simon und Sarah in Bozen" auf Schloss Runkelstein gesehen, die ein bisher kaum bekanntes Kapitel der Bozner Stadtgeschichte beleuchtet und mit vielen Entdeckungen aufwartet.

"Die Forschungen, die mit den Vorbereitungen zur Ausstellung 'Simon und Sarah in Bozen' begannen, wurden mit Ausstellungseröffnung nicht beendet, sondern weitergeführt", sagte Helmut Rizzolli. "Bis dahin wusste die Forschung nichts um die Existenz einer Synagoge in Bozen, noch weniger über ihre Geschichte. Die Stiftung Bozner Schlösser hat mit dieser Ausstellung ein bisher unbekanntes Kapitel der Bozner Stadtgeschichte aufgeschlagen."

Eines der Ergebnisse ist die Zusatzausstellung
Vom Isonzo in die Talferstadt. Vergessene Seiden aus der Görzer Synagoge
von 31.08. - 30.11.2012

Die Sonderausstellung über die vergessenen Seiden aus der Görzer Synagoge knüpft an die im Mittelalter bestehenden dynastischen Verbindungen zwischen Görz, Lienz und Tirol an.

Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Görz zu einem wichtigen Zentrum der Seidenproduktion. Aus dieser Zeit stammt ein äußerst seltenes Exemplar einer innovativ konzipierten mechanischen Seidenhaspel, die sich heute im Görzer Landesmuseum befindet. Zudem war die Stadt am Isonzo nicht nur Mittelpunkt der Seidenraupenzucht, sondern Produktionsort von hochwertigen Seidengeweben, die auf neuartigen Textilmaschinen hergestellt wurden. Über den Umschlagsort Venedig wurden Görzer Luxustextilien an den Bozner Messen gehandelt. Die jüdische Firma Isaak Todesco & Söhne aus Verona kontrollierte einen Teil des für Bozen und Hohenems bestimmten Seidenhandels.

Zwei Jahre nach der Durchreise des Rabbi Azulai durch Bozen wurde in Görz eine neue Synagoge, ebenso nach askenasischer Tradition, errichtet. Diese 1756 fertiggestellte Görzer Synagoge dürfte in vielem der von Bozen ähnlich gewesen sein. Während die Existenz einer von zwei Rabbinern betreuten Bozner Synagoge erst seit kurzem nachgewiesen werden konnte, ist jene von Görz als Baudenkmal gut erhalten. Im Ersten Weltkrieg wurde das Gebäude der Görzer Synagoge im Zuge der Kampfhandlungen zwischen Österreich-Ungarn und Italien schwer beschädigt. Der immense Schatz an hochwertigen textilen Thoraschmuckstücken wurde von einem engagierten Sammler gerettet. Dessen Nachlass kam in das Görzer Landesmuseum.

Durch das Entgegenkommen der Museumsleitung und der Landesverwaltung ist es erstmals möglich, dass ein repräsentativer Teil dieser bisher noch nie gezeigten Textilkunstwerke auf Schloss Runkelstein vorgestellt werden kann.

So ist die Ausstellung "Simon und Sarah", die bisher größtes Interesse ausgelöst hat, Anlass um eine Vorstellung über die Einrichtung der Bozner Synagoge zu gewinnen und der wirtschaftlich hebräischen Achse Görz-Venedig-Bozen nachzuspüren. Die Blütezeit der Görzer Seidenproduktion fällt nicht zuletzt mit dem Höhepunkt der Bozner Messen zusammen, die die Drehscheibe für Luxustextilien in Richtung Mitteleuropa bildeten. Mit dem Niedergang der überregionalen Bozner Märkte in der Franzosenzeit scheint sich auch eine Abwanderung der im Fernhandel tätigen jüdischen Familien abzuzeichnen. Dies wirkte sich auch auf die jahrhundertealten Beziehungen der Talferstadt mit der Stadt am Isonzo aus.Durch das Entgegenkommen des Görzer Landesmuseum und der Görzer Landesverwaltung wurde es nun es erstmals möglich, bisher nie gezeigte Textilkunstwerke aus der Görzer Synagoge der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Durch die Forschungen, die seit der Austellungseröffnung con "Simon und Sarah" durchgeführt worden sind, und die enge Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde in Meran und den in Bozen lebenden Juden, war es möglich weitere Gegenstände zu entdecken, die mit dieser Synagoge in Zusammenhang stehen: Im jüdischen Museum von New York befindet sich eine 1698/99 datierte Thorakrone, die aus Bozen stammt. Sie dürfte ursprünglich die in der Bozner Synagoge verwahrte Rolle geschmückt haben.

Im jüdischen Museum von Wien hingegen hat sich der aufwändig gearbeitete Vorhang erhalten, der einst den Thoraschrein der Bozner Synagoge verdeckt haben dürfte. Die kostbare textile Arbeit kam als Geschenk einer Boznerin um 1900 an das Museum. Der Vorhang entstand 1799 im Auftrag des Rabbi Hendle von Bozen.

Heinrich Hendle, der auf diesem Vorhang als Rabbi bezeichnet wird, ist kein Unbekannter. Die Bozner Quellen nennen ihn häufig. In den Ratsprotokollen der Stadt wird er als Vorsteher der Juden in Bozen bezeichnet und von Kaiser Franz II. wurde er 1798 zum Hoffaktor (Hoflieferanten) ernannt.

In Bozen übte er den Beruf des Stoffhändlers aus, der auch auf den international bedeutenden Messen in Bozen tätig war. Zusammen mit seinem Bruder Moses, der in Venedig lebte, war er Inhaber einer Firma, im den Seidenhandel über den Brenner tätig war. Moses Hendle kaufte von Venedig aus Seidenstoffe im Friaul und in Venetien auf, die Heinrich dann auf der Bozner Messe verkaufte.

Einer der wichtigsten Produktionsorte dieser Seide war die Stadt Görz, selbst Heimat einer bedeutenden Jüdischen Gemeinde, zu der die beiden Hendle-Brüder in engem Kontakt standen. Die Görzer Synagoge, die in ihrer Ausstattung der Bozner durchaus ähnlich gewesen sein dürfte, war ebenfalls mit kostbaren Textilien aus Seide ausgestattet.

Hauptabnehmer dieser Stoffe war Lazarus Josef Levi, Textilgroßhändler in Hohenenms und Schwager Heinrichs. Heinrich war mit Levis Schwester Susanna (Scheinle) Levi verheiratet.

Heinrich Hendle ist der vierte Rabbiner, der sich an der Bozner Synagoge nachweisen lässt, und wahrscheinlich auch der letzte, denn bald nach seinem um 1800 erfolgten Tod verschwindet die seit 1496 nachweisbare Synagoge aus den Quellen und Anfang des 19. Jahrhunderts wird, wie durch die Ausstellung Simon und Sarah erstmals nachgewiesen werden konnte, das Bozner "Judenhaus" versteigert und in der Folge einer anderen Nutzung zugeführt.
     
Informationen: http://    
     
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