Krise im Euro-Raum schlägt auf heimische Wirtschaftsentwicklung durch   

erstellt am
10. 09. 12

Wien (wifo) - Nach dem unerwartet kräftigen Wachstum zu Jahresbeginn expandierte die österreichische Wirtschaft im II. Quartal 2012 um nur noch 0,1%. Damit hat sich die Konjunktur deutlich abgekühlt, doch ist diese Entwicklung angesichts der Rezession im Euro-Raum als relativ gut zu bezeichnen. Der Ausblick ist aber gedämpft und neben der Schwäche der Weltwirtschaft durch die Krise im Euro-Raum belastet. Im Durchschnitt des Euro-Raumes schrumpfte die Wirtschaftsleistung zwischen April und Juni 2012 um 0,2%.

Nach einer durchaus positiven Entwicklung der Weltwirtschaft im 1. Halbjahr 2012 mehren sich die Zeichen einer Konjunkturabschwächung. Diese Entwicklung resultiert vorwiegend aus der anhaltenden Krise im Euro-Raum. Vor allem in Asien zeichnet sich eine Verlangsamung des Wachstums ab. In Lateinamerika und den USA ist die Konjunktur noch verhältnismäßig stabil.

Die österreichische Wirtschaft gerät zunehmend unter den Einfluss der europäischen Staatsschuldenkrise. Drei der fünf großen europäischen Volkswirtschaften (Großbritannien, Italien und Spanien) sind bereits in die Rezession geraten, Frankreichs BIP stagniert, lediglich aus Deutschland kommen noch positive Wachstumsimpulse. Nach einem Wirtschaftswachstum von real 0,5% im I. Quartal 2012 erhöhte sich die gesamtwirtschaftliche Produktion in Österreich im II. Quartal gegenüber der Vorperiode um 0,1% (bereinigt um Saison- und Kalendereffekte). Die mäßige Konjunkturdynamik zeigte sich in nahezu allen Nachfragekategorien: Die Anlageinvestitionen wurden ähnlich vorsichtig ausgeweitet wie im I. Quartal. Während die Bauinvestitionen gegenüber der Vorperiode stagnierten, nahmen die Investitionen in Ausrüstungsgegenstände leicht zu. Der Konsum der privaten Haushalte stagnierte im II. Quartal 2012 zum zweiten Mal in Folge. Der öffentliche Konsum stieg etwas schwächer als in der Periode zuvor.

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt trübt sich in Österreich weiter ein. Saisonbereinigt stieg die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten im August gegenüber dem Vormonat um 0,2%. Die Arbeitslosigkeit erhöht sich wieder, im August waren 233.000 Arbeitslose vorgemerkt (+6,1% gegenüber dem Vorjahr). Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug nach österreichischer Berechnungsmethode im August 7,1%. Die Zahl der Arbeitslosen in Schulungen nahm zu, jene der offenen Stellen verringerte sich geringfügig.

Die Inflation ist weiter niedrig: Der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr betrug im Juli gemäß HVPI 2,1%. Die Inflationsrate liegt damit in Österreich etwas unter dem Durchschnitt des Euro-Raumes (2,4%).

Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen" Bezug genommen.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch http://www.statistik.at/ ).

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
     
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