Staatsbürgerschaftsgesetz: Grüne für Reform des "antiquierten" Rechts   

erstellt am
17. 09. 12

Wien (grüne) - Integrationssprecherin Alev Korun drängt auf eine Reform des "antiquierten" und inzwischen realitätsfernen österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes: „Seit Jahren sind durchschnittlich 36 % der Eingebürgerten bereits in Österreich geboren. Das heißt, wir machen aus hier geborenen Kindern zuerst ‚Ausländer‘, obwohl sie nie woanders gelebt haben, um sie dann in langen und kostspieligen Verfahren zu Österreichern zu erklären. Die gesellschaftliche Realität hat das Staatsbürgerschaftsgesetz schon längst überholt. Wir brauchen ein Staatsbürgerschaftsrecht für das 21. Jahrhundert“, so Korun.

Gestützt sieht sie ihre Forderungen durch eine aktuelle Untersuchung des Politikwissenschafters Rainer Bauböck, wonach Österreich im Europavergleich eine der restriktivsten Einbürgerungsbestimmungen hat.

„Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir uns als Zukunftsgemeinschaft sehen oder nur als Herkunftsgemeinschaft, obwohl mit einem MigrantInnenanteil von 19 % an der Bevölkerung unsere Herkünfte sehr vielfältig sind. Wir haben eine gemeinsame Zukunft und diese sollte das Staatsbürgerschaftsrecht im Blickpunkt haben, statt über Generationen hier geborene und nie woanders gelebte ‚Ausländer‘ zu produzieren“, gibt Korun zu bedenken.

Derzeit werde mit den Regierungsparteien über die angekündigte Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes gesprochen. Ein Staatsbürgerschaftsrecht für das 21. Jahrhundert hätte vier Grundpfeiler:

  • Ergänzung des Abstammungsprinzips durch das Bodenprinzip: Wer hier geboren ist und mindestens einen Elternteil hat, der auf Dauer hier lebt, sollte per Geburt die hiesige Staatsbürgerschaft erhalten.
  • Doppelstaatsbürgerschaft zulassen . Sie ist durch tausende DoppelstaatsbürgerInnen durch binationale Ehen und Partnerschaften jetzt schon Realität und wird die nächsten Jahre zahlenmäßig sogar zunehmen. Und selbst bei einem ehemaligen kalifornischen Gouverneur mit steirischen Wurzeln war sie kein Problem.
  • Die vorgeschriebene Aufenthaltsdauer für Einbürgerung von derzeit 10 Jahren auf 5 Jahre verkürzen. Die fünf jahre sind auch der europäische Trend und werden in vielen Ländern wie Frankreich, Schweden oder England praktiziert
  • Sprach- und Landeskundekenntnisse als Unterstützung und nicht als Hürde bei Einbürgerung: statt Auswendiglernerei und Jahreszahlabfrage beim Landes- und Staatsbürgerkundetest zum Beispiel Workshops über das politische und gesellschaftliche System Österreich‘s, was für Inklusion der zukünftigen BürgerInnen viel wichtiger ist als Zeilen von Landeshymnen auswendigzulernen
  • Überprüfung der Sprachkenntnisse: statt Einheitstests zurück zur jahrelang bewährten Regelung, bei der Einbürgerung "den Lebensumständen des Bewerbers entsprechende Deutschkenntnisse" zu verlangen, die im Einbürgerungsverfahren durch ein persönliches Gespräch mit Beamten/Beamtin "geprüft" werden. Schaffung von Sprachkursen, um Deutschlernen zu ermöglichen und zu fördern


Der Politikwissenschafter Bauböck verglich den Erwerb und Verlust von Staatsbürgerschaften in 36 Staaten. Daraus lässt sich schließen: In Österreich hat der Staat viel Macht über die Entscheidung ob jemand die Staatsbürgerschaft erhält, während das Individuum wenig Rechte hat. Die zehn Jahre Aufenthaltsdauer befinden sich an der Obergrenze und Unterbrechungen führen dazu, "dass die Uhr neu zu ticken beginnt. Österreich ist da sehr illiberal". Die Notwendigkeit einer Gesetzesreparatur erkennt Bauböck auch beim Abstammungsprinzip, das nicht gilt für uneheliche Kinder, deren Vater kein Österreicher ist. Auch seien die Einkommenskriterien im Europavergleich "sehr anspruchsvoll".

Angekündigte Änderungen für die Novelle wie etwa bei den Putativösterreichern seien lediglich "kleine Aspekte", so Bauböck: "Am Gesamtergebnis wird das nicht sehr viel ändern." Die Gesamtdarstellung im Europavergleich würde sich stark ändern, gäbe es mehr Toleranz bei der Doppelstaatsbürgerschaft oder bei einer kürzeren geforderten Aufenthaltsdauer.

     
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