Verwaltungsgerichte in Ländern nehmen mit 1. Jänner 2014 ihre Arbeit auf   

erstellt am
14. 09. 12

Umfangreiche Rechtsanpassung notwendig – Verwaltungsgerichte = dezentrale Kompetenzzentren für den Rechtsschutz
Linz (lk) - Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurden auf Bundesebene die bundesverfassungsrechtlichen Grundlagen für die lange diskutierte und geforderte Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich geschaffen.

Die Novelle, die Anfang Juni bereits im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, geht im Wesentlichen auch auf eine Initiative Oberösterreichs in der Zeit der letzten Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz zurück. Oberösterreich hatte die Verhandlungsführung für die Länder in der Person des Landesamtsdirektors über, der Landtagsdirektor und Leiter des Verfassungsdienstes war zweimal im Verfassungsausschuss des Nationalrats als Experte geladen.

In zahlreichen Runden unter Beteiligung von Expertinnen und Experten konnte letztlich ein Gesamtpaket erreicht werden, das die in der Geschichte bisher wesentlichste Novelle der Bundesverfassung im Bereich des Rechtsschutzes enthält.

Die Bundesverfassung sieht - nach dem Modell "9 + 2" - die Weiterentwicklung der in den Ländern bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate in je ein Landesverwaltungsgericht für jedes Bundesland sowie zwei Verwaltungsgerichte des Bundes (für allgemeine Angelegenheiten und für Finanzen) vor.

Die Landesverwaltungsgerichte werden - ebenso wie die Verwaltungsgerichte des Bundes - mit 1. Jänner 2014 ihre Tätigkeit vollinhaltlich aufnehmen. Sie ersetzen mit diesem Zeitpunkt grundsätzlich alle derzeit noch bestehenden Berufungsinstanzen und Sonderbehörden und entscheiden (mit Ausnahme in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde, wo ein zweigliedriger Instanzenzug innerhalb der Gemeinde möglich bleibt, jedoch auch dann das Landesverwaltungsgericht statt der bisherigen Vorstellungsbehörde entscheidet) in Hinkunft unmittelbar nach der (erstinstanzlichen) Verwaltungsbehörde.

Diese bundesverfassungsgesetzlichen Änderungen bedingen eine Anpassung der Landesrechtsordnung im bisher nicht dagewesenen Umfang. Neben einem Oö. Landesverwaltungsgerichtsgesetz, das das bisherige Oö. Verwaltungssenatsgesetz 1990 ersetzen und die organisations- und dienstrechtlichen Rahmenbedingungen enthalten wird, sind eine Vielzahl von Landesgesetzen technisch an die geänderten Grundsätze und Verfahrensregelungen anzupassen.

Die entsprechenden Regierungsvorlagen werden derzeit erarbeitet und dem Oö. Landtag voraussichtlich noch im Jahr 2012 (Oö. Landesverwaltungsgerichtsgesetz) bzw. im ersten Halbjahr 2013 (Landesrechts-Anpassungsgesetz in der Form einer Sammelnovelle) vorgelegt werden.

Der amtierende Präsident und die bisherigen Mitglieder des UVS Oberösterreich werden mit grundsätzlich 1. Jänner 2014 in ihren Funktionen zu Richterinnen und Richtern des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich bestellt. Dies soll in der Form eine Übergangsgesetzes erfolgen, das dem Oö. Landtag bereits zugeleitet wurde. Damit ist für die betroffenen Personen die höchstmögliche Rechtssicherheit verbunden und können zügig die organisatorischen Vorarbeiten für einen reibungslosen Übergang getroffen werden.


Überblick über die Vorteile der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern
Vorteile für Bürger und Bürgerinnen:

· Stärkung des Wirtschaftsstandorts
Für den Wirtschaftsstandort ist ein gut funktionierendes unabhängiges Rechtssystem mit kurzer Verfahrensdauer, bei höchster Qualität der Entscheidungen von zentraler Bedeutung, da dies ein maßgebendes Kriterium für die Standortwahl von Betrieben ist.

· Verkürzung der Verfahrensdauer
Eine kurze Entscheidungsdauer, bedingt durch eine klar und effizient ausgestaltete Behördenstruktur, bedeutet nicht nur Rechtssicherheit sondern auch, dass ein Verfahren insgesamt kostengünstiger ist. Die Konzentration der Verfahren vor einer Rechtsmittelinstanz, die - soweit nicht der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde betroffen ist - als zweite und de facto letzte Instanz eingerichtet ist, trägt wesentlich zur Verkürzung der Verfahrensdauer bei.

· Verkürzung des Instanzenzugs
Die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bedeutet gerade nicht die Schaffung einer teuren zusätzliche Instanz. Vielmehr werden bisher bestehende Behörden zusammengefasst bzw. teilweise (jedenfalls 112!) aufgelöst und durch die Verwaltungsgerichte ersetzt. Dadurch wird in einigen Fällen auch der Instanzenzug verkürzt, ohne dass es dabei zu einem Rechtsschutzdefizit kommt.

· Höchste Qualität der Entscheidungen - Kompetenzzentrum
Eine Konzentration aller bisherigen Berufungsverfahren sichert auch höchste Qualität der Entscheidungen, da alle Verfahren in einem Sachbereich und dieser insgesamt mit allen "Problemfällen" überblickt werden kann. So kann auch auf allfällige höchstgerichtliche Entscheidungen und Änderungen der Rechtslage schneller und besser reagiert werden.

· Verstärkte Bürger- und Bürgerinnennähe
Eine klar strukturierte und effizient gestaltete Behördenstruktur liegt im Interesses eines verstärkten bürgerorientierten Verwaltungshandelns. Die Etablierung eines "one-stop-shop" - Prinzips auf der Rechtsmittelebene führt etwa dazu, dass für die Bürgerinnen und Bürger die Frage nach der Rechtsmittelbehördenzuständigkeit wesentlich vereinfacht wird und diese in den wichtigsten sie betreffenden Fällen immer eine einheitliche Ansprechstelle haben:
In erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörden als grundsätzliche Universalbehörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung, in zweiter Instanz das Landesverwaltungsgericht; damit müssen die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr nach Wien fahren, um zu einem Verwaltungsgericht zu kommen!

· Einheitliche Rechtsschutzinstanz
Für Rechtsschutzsuchende besteht mit den zukünftigen Verwaltungsgerichten eine einheitliche, klar strukturierte Ansprechstelle, für die ein einheitliches und transparentes Verfahrensrecht mit zumindest der Möglichkeit einer regelmäßigen öffentlichen mündlichen Verhandlung gilt.

· Verfahrenskonzentration
Die Einführung der Landesverwaltungsgerichte bringt den großen Vorteil, dass bei mehreren Verfahren betreffend eine Angelegenheit das Rechtsmittelverfahren konzentriert bei einer Instanz geführt werden kann. So können erforderliche mündliche Verhandlungen verbunden und für die Bürgerinnen und Bürger Zeit und Kosten gespart werden.

· Einheitlichkeit der Rechtsprechung
Durch die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit werden einheitliche und vorhersehbare Erledigungen sichergestellt, da die Verfahren gerichtsförmig, mit grundsätzlich einer mündlichen Verhandlung, also völlig transparent ablaufen und das Landesverwaltungsgericht unabhängig und nur dem Recht verpflichtet ist.

· Zeit- und Kostenersparnis
Einfachere, Synergien nutzende und damit kostengünstigere Verfahren sowie eine klar strukturierte und effizient gestaltete Behördenstruktur helfen Bürgerinnen und Bürgern Zeit und Kosten zu sparen.
Sonstige Vorteile:

· Kostensenkung durch bessere Strukturen und vereinheitlichte Verfahren
Eine Verwaltungsreform dahingehend, dass sämtliche Berufungsverfahren von einem Gericht zu führen sind, führt auch zu einer entsprechenden Kostensenkung für die Verwaltung, da Doppelgleisigkeiten vermieden und damit Ressourcen eingespart werden. Derzeit wird der öffentlich rechtliche Rechtsschutz von einer Vielzahl unterschiedlicher Behörden und Sonderbehörden des Bundes und der Länder (beispielsweise Landeshauptmann, Landesregierung, UVS, Landesgrundverkehrskommission, Disziplinaroberkommission etc) wahrgenommen. Durch die Reform können auf Bundes- und Landesebene jedenfalls 112 Sonderbehörden abgeschafft werden, womit deren organisatorischer Selbst-Administrationsaufwand wegfällt. Das bedeutet, dass die Einführung der Landesverwaltungsgerichte insbesondere nicht die Einrichtung einer völlig neuen Behörde bedingt, vielmehr werden bestehende Behörden fusioniert und neu strukturiert. Selbst bei Kostenneutralität der Umstrukturierung müssen die Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger betont werden. Durch den Entfall bisher bestehender Sonderbehörden entfallen auch die bislang deren Grundlage bildenden gesetzlichen Bestimmungen und bedürfen künftig keiner legistischen und selbstorganisatorischen Administration mehr. Eine Kostenersparnis ist insbesondere durch einfachere, Synergien nutzende und damit kostengünstigere Verfahren zu erwarten.

· Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs
Eine einheitliche Entscheidungspraxis von höchster Qualität durch die Landesverwaltungsgerichte sowie ein verstärktes Ablehnungsrecht durch den Verwaltungsgerichtshof führt zu einer dringend notwendigen Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.

· Schnelligkeit und Flexibilität durch Gerichtsorganisation
Die Landesverwaltungsgerichte zeichnen sich durch klare Verantwortlichkeiten und kurze Wege aus. Sie können als einheitliche und sehr flache Organisationen auch flexibler und schneller auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren. Diese Schnelligkeit und Flexibilität ist ein wesentliches Kriterium eines funktionierenden Rechtsschutzes.

· Einheitliche Organisation und einheitliches Verfahren
Diese Einheitlichkeit bringt auch für die Landesverwaltungsgerichte sowie für die Verwaltungsbehörden, die im Verfahren vor den Landesverwaltungsgerichten regelmäßig als "belangte Behörden" auftreten werden, Vorteile mit sich. So gibt es ein einheitliches und transparentes Verfahren sowie einheitliche und klare Strukturen.

· Teil der Gerichtsbarkeit wird Landessache
Mit den Landesverwaltungsgerichten bekommen die Länder - entsprechend den Grundsätzen eines "echten Föderalismus" erstmals einen Anteil an der Staatsgewalt Gerichtsbarkeit und können so auch in diesem Bereich Maßstäbe setzen.

· Rechtsstaatliche Notwendigkeit
Auch aus rechtsstaatlichen Überlegungen ist die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit begrüßenswert, da damit insbesondere der "Wildwuchs" an Sonderbehörden eingedämmt wird.

· EU-Konformität
Die Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit stellt die Europarechtskonformität des österreichischen Rechts insbesondere im Hinblick auf die Artikel 5, 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie Artikel 47 der EU-Grundrechte-Charta sicher, indem ein effektives Rechtsschutzsystem vor einem unabhängigen Gericht garantiert und die Verfahrensdauer gekürzt wird.
     
Informationen: http://    
     
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