Hayek Colloquium Obergurgl 2012    

erstellt am
14. 09. 12

Václav Klaus und Norbert Bolz eröffnen mit intellektuellem Schlagabtausch
Obergurgl (promedia) - Die Frage nach zeitgemäßer liberaler Politik bestimmte die Eröffnung des 2. Hayek Colloquiums in Obergurgl. Der tschechische Präsident Václav Klaus und Medienphilosoph Norbert Bolz aus Berlin lieferten sich gleich zu Beginn der Veranstaltung eine hochkarätige Diskussion zu diesem Thema. Im Rahmen des anschließenden Tirol-Empfangs erntete der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek mit seiner pointierten Tischrede zum Umgang mit der Wirtschaftskrise viel Applaus. Bis 15.09. diskutieren im Wintersportort Obergurgl führende Wirtschaftsexperten und Politiker aus ganz Europa aktuelle Fragestellungen.

Schon der Auftakt des Hayek Colloquiums Obergurgl 2012 sorgte unter den rund 100 Gästen für Furore. Niemand geringerer als der amtierende tschechische Staatspräsident Václav Klaus und der Berliner Medienphilosoph Norbert Bolz sorgten mit ihren Eröffnungsreden für jede Menge Diskussionsstoff. Klaus, seines Zeichens bekennender Hayek-Anhänger, erzählte von seinen ersten Berührungspunkten mit dem Werk Hayeks: „Meine Generation, die in unserem Land einen großen Teil ihres Lebens im Kommunismus erlebt hat, hat Hayek schon in den 1960ern kennen- und schätzen gelernt. Hayek wurde zu meiner Inspiration, vor allem als es zu den Umwälzungen in der CSSR Ende der 1980er-Jahre kam.“ Klaus nannte vor allem Hayeks Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ als das zu dieser Zeit wichtigste und einflussreichste Werk des österreichischen Nationalökonomen. Er selbst habe Hayek im August 1968 das einzige Mal persönlich gesehen. Warum der Nobelpreisträger in Österreich keinen höheren Stellenwert genieße, sei ihm schleierhaft. Der Präsident erzählte dazu eine bezeichnende Anekdote. Just einen Tag bevor im September 1989 der große Studentenprotest in Prag stattfand, war Klaus zu Gast an der Universität Linz: „Ich fragte dort nach Hayek. Die Antwort war enttäuschend: ‚Hayek ist in Österreich tot.‘ Ich sagte am selben Abend vor Publikum, wenn Hayek in Österreich tot ist, werden wir ihn in Prag wiederbeleben.“

Hayeks Thesen als Orientierungshilfe in Zeiten der Krise
Václav Klaus erklärte im Detail, wie die Lehren Hayeks in seiner Heimat dabei halfen, die Zeit der Transformation zu überstehen. Denn die Basis dieses Prozesses war die Liberalisierung der Wirtschaft: „Das war Hayek in Reinkultur. Wir haben so schnell wie möglich die Regeln und Institutionen der Marktwirtschaft eingeführt.“ Doch nicht nur in der Vergangenheit, gerade heute, in Zeiten der grassierenden Wirtschaftskrise nennt Klaus Hayeks Thesen als hilfreich: „Gesellschaftliche Turbulenzen haben immer Folgen, denn sie führen zu radikalen Veränderungen. Hier muss Hayek zu Hilfe kommen, der uns ganz klar gesagt hat, wohin der richtige Weg führt.“ Und diesen richtigen Weg erkennt Klaus in der freien Marktwirtschaft. Diesem bedingungslosen Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft widersprach jedoch der Medienphilosoph Norbert Bolz. Er führte den Begriff des „neuen Sozialen“ in die Diskussion ein und riet den versammelten Liberalen dringend, den Begriff des Sozialen vom Sozialismus zu emanzipieren: „Denn womit haben die Liberalen heute die meisten Probleme? Sie werden als kalt erachtet, als nicht sozial genug.“ Daher müssten sie, so Bolz, lernen, Begriffe wie „soziale Gerechtigkeit“ nicht per se abzulehnen, sondern mit eigenen Inhalten zu besetzen.

Klaus nennt Bolz „Neomarxisten“
Diese Kritik von Bolz kam nicht bei allen gut an. Obwohl sich Bolz selbst als überzeugter Liberaler bezeichnet erntete er für seine offenen Worte eine Schelte von Präsident Klaus, der Bolz‘ Thesen als „Neomarxismus“ bezeichnete: „Soziale Marktwirtschaft ist nicht mein Thema, ich bin für Marktwirtschaft ohne Adjektive.“ Bolz wiederum konterte und mahnte vom Präsidenten ein, sich nicht allein auf Theorien zu beziehen: „Die große Frage des 21. Jahrhunderts ist soziale Gerechtigkeit. Denker wie Hayek treffen in ihren Schriften den Punkt, aber rein auf Theorien in ihrer Reinform bezogen kann man keine Politik machen, noch nicht einmal Diskussionspolitik.“ Es folgte ein intensiver Ideologiestreit zwischen moderaten Liberalen und überzeugten Anhängern von Hayeks wirtschafts- und staatsliberalen Thesen.

Busek mit kritischem Rundumschlag
Zahlreiche Unternehmer, etwa Vertreter der Tiroler Adlerrunde, wie Fritz Unterberger, Erich Geisler und Klaus Mark, politische Mandatare, wie Landesrat Johannes Tratter und Landtagsabgeordneter Jakob Wolf, sowie namhafte Wirtschaftswissenschaftler aus dem Kreis der Hayek Gesellschaft Berlin, wie Gerd Habermann, Karen Horn, Gerhard Schwarz und Erich Weede, nutzten das Hayek Colloquium Obergurgl 2012 zum Gedankenaustausch. Der kontroverse Auftakt war ganz nach ihrem Geschmack und lieferte ausreichend Diskussionsstoff für den folgenden Tirol-Empfang. Dort legte der ehemalige Vizekanzler und nunmehrige Vorsitzende des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, Erhard Busek, mit seiner pointierten Tischrede zum Umgang mit der Wirtschaftskrise nach. Er forderte sowohl von der Politik als auch von der Wissenschaft mehr Ernsthaftigkeit und mahnte: „Lehre nicht mit Leere zu verwechseln, wie es selbst im akademischen Diskurs immer wieder passiert.“

Hayek Colloquium Obergurgl 2013 bereits gesichert
Die zweite Auflage des Hayek Colloquiums Obergurgl bietet noch bis einschließlich Samstag, den 15. September 2012, spannende Diskussionsveranstaltungen und Vorträge. Zugleich ist die dritte Auflage bereits gesichert, die von 12. bis 14. September 2013 wieder in Obergurgl stattfinden wird. Der Gastgeber und Initiator der Veranstaltung, Lukas Scheiber vom Hotel „Edelweiß & Gurgl“, in dem Friedrich August von Hayek mehr als 30 Jahre lang seine Sommerfrische verbracht hat, freut sich besonders darüber, dass ab dem kommenden Jahr eine inhaltliche Aufwertung passieren wird: „Die Universität Innsbruck und das Management Center Innsbruck haben bereits zugesagt, beim Hayek Colloquium Obergurgl 2013 als inhaltliche Impulsgeber in das Organisationskomitee einsteigen zu wollen.“ Somit ist die Wiederbelebung des Denkplatzes Obergurgl, an dem Hayek einige seiner maßgeblichen Thesen formuliert hat, gelungen.
     
Informationen: http://www.hayek.de/    
     
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