Wirtschaftskrise und Demokratie beherrschen Debatte zur Lage der Union   

erstellt am
13. 09. 12

Plenartagung Zukunft Europas/europäische Integration/Institutionen
Straßburg (europarl) - Nicht alle Abgeordneten stimmten Kommissionspräsident Barrosos Ausführungen zu. Sie begrüßten seinen Ruf nach einer stärkeren EU, hoben jedoch hervor, dass die sozialen Probleme mehr Aufmerksamkeit benötigten und seine Vorschläge für eine Föderation ambitionierter sein müssten. Die größten Fraktionen forderten einen soliden EU-Haushalt für mehr Investitionen und Wachstum. "Weniger EU" verlangten die Fraktionen am rechten Rand des Plenums.

Kommissionspräsident José-Manuel Barroso eröffnete die vier Stunden lange Debatte, in der er sich fast ausschließlich auf die Konsequenzen der Wirtschaftskrise und auf die Demokratie konzentrierte. Er unterstrich, dass es für die Länder Europas an der Zeit sei, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass sie ihre Probleme nicht mehr alleine bewältigen können, bevor er seine Vision für eine vertiefte Wirtschaftsunion gestützt auf eine politische Union in Form eines Bundes von Nationalstaaten darlegte.

Eine neue EU als Antwort auf die Krise
Die Auswirkungen der Krise für die Zukunft der EU und die Konsequenzen für die Bürger stellten einen Schwerpunkt in den Redebeiträgen der Abgeordneten dar.

Barrosos Konzept eines "Bundes von Nationalstaaten" wurde vom Vorsitzenden der Fraktion der Liberalen, Guy Verhofstadt, ebenso kritisch kommentiert wie vom Vorsitzenden der Fraktion der Grünen, Daniel Cohn-Bendit. "Diesen Bund gibt es bereits, es ist der europäische Rat. Wir brauchen eine Union auf Basis der Bürger", sagte Verhofstadt. "Ein europäischer öffentlicher Raum muss das Ziel sein", fügte Cohn-Bendit hinzu.

Der Fraktionsvorsitzende der EVP Joseph Daul betonte, dass es nötig sei, zum einzelnen Bürger vorzudringen. "Unsere Hauptaufgabe ist es, hinauszugehen, zu erklären und zu überzeugen, auch wenn das nicht leicht sein wird", sagte er.

Barroso erwiderte, dass die Kommission heute einen Legislativvorschlag vorlegen würde, um den europäischen Parteien zu helfen, "europäische Demokratie als Ergänzung nationaler Demokratie" zu fördern. Er fügte hinzu, dass nun die Zeit für wirklich grenzüberschreitende Parteien gekommen sei, die sich für die EU einsetzen würden. Er rief diese Parteien dazu auf, künftig jeweils einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vorzuschlagen.

Soziale Schutzmaßnahmen und Wachstum
Die Abgeordneten beriefen sich auf die Sorgen der Bürger und erinnerten Barroso an die Notwendigkeit, selbst angesichts der wachsenden Krise ein soziales Europa zu verteidigen.

"Es gibt eine Alternative zu Kürzungen, die vor allem zu Investitionen führen muss", sagte der Vorsitzende der S&D-Fraktion, Hannes Swoboda, der einen Sozialpakt forderte und später hinzufügte, seine Fraktion könne andernfalls die Kommission nicht unterstützen.

"Die Menschen heute wollen Solidarität. Die müssen wir liefern, bevor wir die Zukunft anpacken. Es ist nicht akzeptabel, dass wir eine Kultur der Bestrafung fördern", sagte Gabriele Zimmer, Vorsitzende der Fraktion der Vereinigten Linken.

Barroso beharrte darauf, dass die laufenden Reformen hart aber nötig seien, räumte jedoch ein, dass die Weiterentwicklung einer "sozialen Dimension Europas" entscheidend sei.

Ein breiter Konsens herrschte zwischen den Abgeordneten und dem Kommissionspräsidenten beim EU-Haushalt als Hauptinstrument für Investitionen und Wachstum. Deshalb bestanden die Abgeordneten auf einer ausreichenden Mittelausstattung, während Barroso anmerkte, dass die Verlierer eines kleinen EU-Haushalts die Mitgliedstaaten selbst seien.

Weniger, nicht mehr Europa
Die EFD- und EKR-Fraktionen kritisierten den Kommissionspräsidenten. "Wir sehen immer wieder nur den gleichen lahmen Vorstoß - mehr Europa anstelle eines besseren Europas", sagte der EKR-Vorsitzende Martin Callanan. Nigel Farage, Vorsitzender der EFD-Fraktion, verdammte Barrosos Projekt als "schleichend hervortretende Euro-Diktatur".
     
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