Tractatus 2012   

erstellt am
24. 09. 12

Der hochdotierte Essay-Preis des Philosophicum Lech ging an Philosoph Herbert Schnädelbach
Lech (pro media) - Im Rahmen des Philosophicum in Lech wurde am Abend des 21.09. der mit 25.000 Euro dotierte Essaypreis Tractatus an den deutschen Philosophen Herbert Schnädelbach verliehen. Die richtungsweisende Auszeichnung für philosophische Essayistik geht damit an einen der beschlagendsten deutschen Denker. Schnädelbach wurde für sein neues, ebenso profundes wie pointiertes, höchst lehrreiches Werk über den Kernbestand philosophischen Wissens – „Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann“ – ausgezeichnet.

Bereits zum vierten Mal wurde dieses Jahr der Tractatus im Rahmen des Philosophicum Lech verliehen. Dank eines privaten Sponsors ist er mit 25.000 Euro einer der höchstdotierten Buchpreise im deutschsprachigen Raum und einer der wenigen, die für philosophische Essayistik verliehen werden. Auf Anregung des Schriftstellers Michael Köhlmeier vom Verein Philosophicum Lech ins Leben gerufen, würdigt er herausragende Leistungen auf dem facettenreichen Felde der philosophischen Essayistik. „Die Auszeichnung soll verlässlich Auskunft über höchste Qualität in diesem Bereich geben und versteht sich als Beitrag zur Standortbestimmung in philosophisch und gesellschaftlich relevanten Diskursen“, so Konrad Paul Liessmann, wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech. Als richtungsweisend dürfen die prämierten Werke wie auch der Tractatus selbst verstanden werden.

Hochkarätige Jury wählte Preisträger aus
Die Nominierung der preiswürdigen Publikationen erfolgt durch eine prominent besetzte Jury, der die Philosophin Ursula Pia Jauch (CH), der Philosoph und Sachbuchautor Rüdiger Safranski (D) sowie seit 2012 der Kulturpublizist und Philosoph Franz Schuh (A) angehören. Letzterer war der erste Preisträger des Tractatus, es folgten 2010 der renommierte Philosophiehistoriker Kurt Flasch und im Vorjahr der streitbare Kulturphilosoph Norbert Bolz, deren Werke allein schon die Vielfalt der Textgattung wie auch die hohen Ansprüche des Essay-Preises unter Beweis stellen.

Philosophie verständlich aufbereiten
Zu den Kriterien der Jury zählen insbesondere die Originalität des Denkansatzes, Gelungenheit der sprachlichen Gestaltung und Relevanz des Themas. Der Preis zeichnet Werke aus, die philosophische Fragen ambitioniert und verständlich behandeln. Nach eingehender Diskussion wurde der Tractatus 2012 dem Philosophen Herbert Schnädelbach exemplarisch für seine Publikation „Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann“ verliehen. Schnädelbach, der bei Theodor W. Adorno promovierte und bis zu seiner Emeritierung 2002 als Professor für Philosophie an den Universitäten Frankfurt a. Main, Hamburg sowie zuletzt an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrte, legt mit dem prämierten Werk eine ebenso profunde wie ansprechende Abhandlung über den „Kernbestand wissenschaftlichen Wissens“ der Philosophie vor. Höchst gewinnbringend für interessierte Laien wie auch für Vertreter des Fachs.

„Großer seiner Disziplin, dem es nicht auf billige Popularität ankommt“
„Es gehört einiger Mut und Entschlossenheit dazu, nach Jahrzehnten der Lehrtätigkeit in der Philosophie, sich von der Frage herausfordern zu lassen, welches denn die fundamentalen Einsichten der Philosophie sind, hinter die man nicht zurückgehen sollte. Eine solche Bilanz legt Schnädelbach vor, klar und angenehm lesbar geschrieben“, betonte Rüdiger Safranski, der die Laudation auf den Preisträger hielt. Und er lobte ihn als „Großen seiner Disziplin, dem es nicht auf billige Popularität ankommt“. Schnädelbach selbst zeigte sich gerührt von der späten Ehrerbietung – der Tractatus ist der erste große Preis des renommierten Denkers: „Universal-Dilettanten wie ich einer bin, hätten heute keine Chance mehr. Man schreibt heute immer dickere Bücher über immer weniger. Die Philosophie droht zu amerikanisieren, sie verliert ihre Bedeutung.“ Er dankte zuallererst seiner Frau, die ihn immer wieder auf den Boden der Realität zurückhole, wenn er sich mit den hochtrabenden Fragen der Philosophie beschäftigt. Dass er die Auszeichnung ausgerechnet für sein jüngstes Buch erhielt, ist für Schnädelbach eine besondere Freude: „Es ehrt mich, für ein Buch ausgezeichnet zu werden, das trotz seines philosophischen Inhaltes als Essay geehrt wird. Essayistisch ist mein Buch vor allem in dem Sinn, dass es philosophische Lehrversuche behandelt.“

Mutiges und lehrreiches Werk
Schnädelbachs souveränes und lehrreiches Panorama, das in vierzehn Kapiteln exemplarisch den Erkenntnisstand zu den „großen Fragen“ philosophischer Reflexion – wie jene zu Wissen und Urteil, Denken und Sprechen, des Selbstbewusstseins oder der Vernunft – festhält, taugt als brillanter Grundkurs zur Philosophie und geht dennoch darüber hinaus. Selten gelang es, die historisch und sachlich weit verzweigte Thematisierung dieser Grundprobleme in der Philosophie als Wissenschaft derart bündig und schlüssig, analytisch exzellent und sprachlich überzeugend auf den Punkt zu bringen. Damit erweist der ehemalige Schüler Adornos, orientiert an der Analytischen Philosophie, der Fachdisziplin wie auch allen Philosophie-Interessierten einen nachhaltigen Dienst.

Prof. em. Dr. Herbert Schnädelbach
1936 in Altenburg/Thüringen geboren, studiert Herbert Schnädelbach ab 1955 Germanistik, Geschichte, Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie an der J.W.Goethe-Universität in Frankfurt a. Main. 1965 promoviert er bei Theodor W. Adorno über „Hegels Theorie der subjektiven Freiheit“ und ist bis 1969 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1970 habilitiert sich Schnädelbach mit der Schrift „Erfahrung, Begründung und Reflexion. Versuch über den Positivismus“ und wird schon im Folgejahr zum Professor und ersten Dekan des neugegründeten Fachbereichs Philosophie ernannt. 1978 wechselt er an die Universität Hamburg und übernimmt eine Professur mit Schwerpunkt Sozialphilosophie. Von 1988 bis 1990 ist der renommierte Wissenschaftler Präsident der „Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland“. 1993 wird Schnädelbach an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen, wo er maßgeblich am Neuaufbau des Instituts für Philosophie beteiligt ist und bis zu seiner Emeritierung 2002 einen Lehrstuhl für Theoretische Philosophie innehat.

Zu den Forschungsinteressen Herbert Schnädelbachs zählt insbesondere die Theorie der Rationalität, die Theoretische Philosophie des 20. Jahrhunderts sowie die Kritische Theorie. Seine breite, auch darüber hinausgehende Beschäftigung mit dem Fach bezeugen nicht zuletzt zahlreiche Publikationen, wie ein mehrbändiger Kommentar zu Hegels Gesamtwerk (Hrsg.) sowie zuletzt die Monographien „Kant. Grundwissen Philosophie“ (2005) und „Vernunft. Grundwissen Philosophie“ (2007) oder auch Sammlungen wie „Philosophie in der modernen Kultur. Vorträge und Abhandlungen“ (2000), „Analytische und postanalytische Philosophie. Vorträge und Abhandlungen 4“ (2004) sowie „Religion in der modernen Welt. Vorträge, Abhandlungen, Streitschriften“ (2009).

Neben den hochgeschätzten Fachpublikationen ist Herbert Schnädelbach auch durch die Teilnahme an gesellschaftlichen Debatten durch Zeitungsartikel und Interviews über die Fachwelt hinaus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Herbert Schnädelbach:
Was Philosophen wissen und was man von ihnen lernen kann
C.H. Beck Verlag, München 2012
ISBN- 978-3-406-63360-7
2. Aufl., gebunden, 237 Seiten, 19,95 EUR
(auch als E-Book lieferbar)
     
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