Claudia Schmied plädiert für eine sozial gerechtere Schule   

erstellt am
04. 10. 12

Aktuelle Stunde zur Bildungspolitik im Bundesrat
Wien (pk) - "Etappenziele und nächste Schritte in der Bildungsreform" lautete der Titel einer Aktuellen Stunde mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied, mit der der Bundesrat seine 183. am 04.10. einleitete. Bundesrat Christian FÜLLER (S/St) eröffnete die Debatte, indem er die "Quantensprünge in der Bildungspolitik" auflistete, die die Unterrichtsministerin in den letzten Jahren teilweise gegen den Widerstand von Lehrergewerkschaft, Koalitionspartner und Bundesländern erreicht hat. Der Redner erinnerte an den Ausbau der Kinderbetreuung und an die Einführung der Neuen Mittelschule als Regelschule, worin er einen ersten Schritt zu einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen sieht. Dazu kommt die Reduzierung der Klassenhöchstzahl der SchülerInnen, der Ausbau von Sportförderung und Deutschkursen sowie von muttersprachlichem Unterricht, ein erweitertes Angebot an ganztägigen Schulformen, höhere Unterrichtsqualität durch Bildungsstandards, Lehre mit Matura, die Oberstufenreform, das kostenloses Nachholen von Bildungsabschlüssen und bessere Angebote in der Erwachsenenbildung nach dem Motto "Lebenslanges Lernen". Außerdem listete der Redner die Vorbereitung der "Matura Neu", Investitionen in modernere Klassen, in bessere Arbeitsplätze für Lehrer und in Sportanlagen für die SchülerInnen auf. - Die SPÖ unterstütze diesen Weg, betonte Bundesrat Füller und machte darauf aufmerksam, dass das Ziel der Sozialdemokraten, die Ganztagsschule einzuführen, auch von einzelnen ÖVP-Landeshauptleuten und bei ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon positiv beurteilt wird.

Bundesrat Franz WENGER (V/S) schloss sich den Ausführungen seines Vorredners an und meinte, das österreichische Bildungssystem biete gute Voraussetzungen für die weitere positive Entwicklung des Landes. Dies deshalb, "weil wir überwiegend engagierte und motivierte Lehrer haben". Die enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre stellten das Schulsystem allerdings vor neue Herausforderungen. Bei seiner Weiterentwicklung werde es auch in Zukunft wichtig sein, unterschiedliche Begabungen und Neigungen zu berücksichtigen und den SchülerInnen ein differenziertes Bildungsangebot zu bieten. Als besonderes Problem nannte Bundesrat Wenger die hohe Zahl von 10.000 jungen Menschen, die die Pflichtschule ohne Bildungsabschluss verlassen und daher ein hohes Risiko für Arbeitslosigkeit tragen.

Dass die Neue Mittelschule als Regelschule kommt, zugleich aber das Gymnasium in seiner Langform erhalten werde, besprach der Redner positiv, machte bei dieser Gelegenheit aber auch auf zusätzliche Kosten der Schulerhalter bei der Bereitstellung von mehr Klassenraum, größeren Konferenzzimmern und mehr Betreuungspersonal aufmerksam. Das Zusammenwirken von Bundes- und Landeslehrern in der Neuen Mittelschule bringe Vorteile mit sich, aber auch Probleme, etwa wegen der unterschiedlichen Entlohnung. Bundesrat Wenger drängte daher auf eine neues leistungsorientiertes Entlohnungsschema für Lehrer mit höheren Einstiegsgehältern und einer flacheren Lebenseinkommenskurve. In der Frage der Lehrerausbildung plädierte Wenger für eine Ausbildung auf Masterniveau, um den deutlich gestiegenen pädagogischen und didaktischen Anforderungen einer Wissensgesellschaft Rechnung zu tragen. "Bildungspolitik ist Chancenpolitik", die ÖVP unterstütze daher diesen Weg, schloss Wenger.

Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) setzte sich einmal mehr kritisch mit der Einführung der "Gesamtschule Neue Mittelschule" auseinander, bei der es aus ihrer Sicht lediglich darum gegangen sei, Türschilder auszutauschen, ohne auf grundlegende Schulprobleme einzugehen. Mühlwerth machte darauf aufmerksam, dass viele Schüler nicht sinnerfassend lesen könnten, aber dennoch ein sehr gut oder gut in Deutsch bekämen. 21 % der Volksschüler gelten als "Risikoschüler", mehr als 90 % von ihnen bekämen aber eine positive Note. Die Ursachen dafür ortete die Bundesrätin im Druck, der von Seiten der Direktoren und der Eltern auf die Lehrer ausgeübt werde, bessere Noten zu geben, als sie eigentlich wollten. Die Gesamtschule löse dieses Problem nicht, weder für Zuwandererkinder, die nicht Deutsch können, noch für österreichische Risikoschüler. Gefordert sei ein neues Lehrerdienstrecht mit Leistungsanreizen, mehr Arbeitszeit in der Schule - was gut ausgestattete Arbeitsplätze voraussetze -, eine sachgerechte Bewertung des Arbeitsaufwands der Lehrer in den einzelnen Fächern und eine neue Ferienregelung. Dabei hielt die Bundesrätin fest, dass die enormen körperlichen und psychischen Belastungen des Pädagogenberufs lange Ferien für die Lehrer rechtfertigen. "Wir sollten aber nur die besten Lehrer nehmen", sagte Mühlwerth und verlangte, diesen Lehrern die Möglichkeit zu geben, ihren Job so gut wie möglich zu machen. Bildung ist nicht Ausbildung nach Vorgabe der Wirtschaft, sagte die Rednerin grundsätzlich: Bildung setze Wissen, Disziplin, Leistungsbereitschaft und die Anerkennung von Autorität voraus. Auch sollten die LehrerInnen den Schülern Vorbild sein und sollten sie "fordern und fördern", verlangte die Bundesrätin.

Schmied: Lebenserwartung und Armut von Bildung abhängig
"Wer das soziale Gefälle verringern will, muss in Bildung investieren", dieses Zitat stellte Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED an die Spitze ihrer Ausführungen. Gerechtigkeit und Bildung hängen zusammen, sagte Schmied. Ob jemand arm bleibt oder reich wird und die Lebenserwartung der Menschen hänge von ihrer Bildung und Ausbildung ab. Ungelernte Arbeiter werden bei Rationalisierungsmaßnahmen als Erste entlassen und bleiben länger arbeitslos als Menschen mit guter Ausbildung. Daher bekannte sich die Ministerin dazu, seitens der öffentlichen Hand in Bildung zu investieren und diese Investitionen mit Qualität und Innovation zu verbinden. Ziel müsse es sein, Kindern gute Bildung und Ausbildung sowie ein gesundes Selbstbewusstsein zu vermitteln, "allen Kindern, die in Österreich leben, ungeachtet ihrer Herkunft", betonte die Ministerin an dieser Stelle. Denn die Bildung dieser Kinder wird in 15 Jahren darüber entscheiden, wie es um den Wohlstand, das soziale Klima und die demokratische Qualität des Landes bestellt sein wird. Bildungspotentiale zu nützen sei eine Frage der sozialen Verantwortung und der ökonomischen Vernunft gleichermaßen, sagte Schmied.

"Unser Bildungssystem ist ungerecht", stellte die Ministerin fest und unterbreitete Statistiken, die zeigen, dass Kinder von AkademikerInnen in weit höherem Ausmaß maturieren und Hochstudien absolvieren als Kinder von Eltern, die selbst nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Aufgabe des öffentlichen Schulsystems sei es, die Startchancen der Kinder verschiedener Herkunft auszugleichen.

In den letzten fünf Jahren wurden 49 Regierungsvorlagen ausgearbeitet und in enger Zusammenarbeit der Regierungsparteien viele bildungspolitische Neuerungen in die Wege geleitet, berichtete die Ressortleiterin und dankte den engagierten Lehrern, die in den Schulen, aktuell etwa in den Neuen Mittelschulen, dafür sorgen, dass dort vieles gelinge. Aktuelle schulpolitische Schwerpunkte sah Schmied bei der Umsetzung der Bildungsstandards unter Einbeziehung der Schulpartner und der Pädagogischen Hochschulen, in der Vorbereitung der Matura Neu, in der Kooperation mit dem Städtebund und den Bürgermeistern beim Ausbau der Ganztagesschulen, von denen man wisse, dass sie Betriebsansiedelungen in den jeweiligen Gemeinden erleichtern. Auch die Arbeit am neuen Dienst- und Besoldungsrecht, das den Lehrern attraktive Fachkarrieren anbieten und die Verantwortung der Direktoren klar definieren soll, sei maßgeblich. Es sei ihr wichtig, dass das neue Dienst- und Besoldungsrecht sozialpartnerschaftlich verhandelt und von den LehrerInnen mitgetragen werde.

In der LehrerInnenausbildung setzt Claudia Schmied auf die Pädagogischen Hochschulen als institutionelle Heimat für die PädagogInnen, die zugleich auf Augenhöhe mit den Universitäten kooperieren sollen. Generell gehe es darum, motivierten LehrerInnen den Rücken zu stärken und die Bildungsreform "in einer Kultur des Gelingens" an den Schulen umzusetzen, schloss Unterrichtsministerin Claudia Schmied.

Bundesrat Marco SCHREUDER (G/W) sah kein Problem darin, in der Bildungspolitik Etappenziele anzupeilen, sofern man wisse, wohin man wolle. Bei der ÖVP stelle sich aber die Frage, wohin sie in der Bildungspolitik gehe. Schreuder plädierte dafür, die unterschiedlichen Positionen der einzelnen Länder in der Bildungspolitik im Bundesrat deutlicher zu machen und bedauerte, dass die Hegemonie der ÖVP-Parteizentrale eine solche Debatte im Bundesrat verhindere. Schreuder selbst bekannte sich zum Ziel einer ganztägigen Gesamtschule, wobei es darum gehen müsse, sich an guten Modellen für eine Gesamtschule zu orientieren, er nannte Kanada und Finnland. Der FPÖ warf der Redner vor, zwar über schlechte Deutschkenntnisse bei Zuwandererkindern zu klagen, gleichzeitig aber die sprachliche Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund abzulehnen. Schreuders Credo in der Bildungspolitik lautet, dafür zu sorgen, dass Lernen in der Schule Spaß macht.

Bundesrat Johann SCHWEIGKOFLER (S/T) plädierte für den Einsatz von ausgebildeten PädagogInnen und Stützkräften bereits in den Kindergärten und schlug überdies kleinere Klassen an den Volksschulen vor. Mit Nachdruck bekannte er sich zur gemeinsamen Schule der 10- bis 14-jährigen, verwies auf die positiven Erfahrungen damit in Südtirol und begrüßte die Zustimmung von Landeshauptmann Platter, dieses Modell nun auch in Tirol einzuführen. Schweigkofler deponierte in seiner Wortmeldung weiters die Forderung nach Schaffung einer HTL im Bezirk Kitzbühel.

Bundesrätin Bettina RAUSCH (V/N) bekannte sich mit Nachdruck zur Vereinbarung der Bundesregierung, wonach die Neue Mittelschule kommen werde, das Gymnasium aber bleibe, und bezeichnete die Diskussion über die Strukturen im Bildungssystem als politisch überflüssig. Sie bedauerte, SPÖ und Grüne wollten das Gymnasium abschaffen, und betonte, mit der ÖVP "werde es das nicht geben". Wenn man gleiche Chancen für alle haben möchte, dann gehe es nicht ums Namenschild an der Schultür, sondern vielmehr um Modelle und Inhalte wie etwa die sprachliche Frühförderung, war Rausch überzeugt. Wichtig waren für die Rednerin aber auch eine Überarbeitung und Aktualisierung der Lehrpläne sowie die Einführung einer täglichen Bewegungseinheit an den Schulen.

Bundesrat Reinhard PISEC (F/W) beklagte Bildungsdefizite in der Bevölkerung und sieht das Bildungssystem auch aufgefordert, kulturelle Identität zu schaffen. Er kam in diesem Zusammenhang auf das bauliche Erbe Wiens zu sprechen, übte Kritik an der modernen Architektur in der Bundeshauptstadt und forderte verstärkte Aktivitäten zur Erhaltung der Bausubstanz aus der Zeit der Monarchie.

Bundesministerin Claudia SCHMIED bezeichnete in einem abschließenden Statement die Neue Mittelschule als Etappenziel, bekräftigte jedoch, ihr politisches Ziel bleibe die gemeinsame Schule der 10- bis 14-jährigen. Kritik, sie halte sich nicht an das Regierungsübereinkommen, wies die Ministerin zurück und unterstrich, sie bekenne sich zur Umsetzung des Mittelschulmodells, "aber Träume werde man ja noch haben dürfen"
     
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