Ausstellung "Verlorene Bilder, flüchtige Töne" 

 

erstellt am
24. 10. 12

Österreich | Oskar Werner: Im Hochhaus Herrengasse 6-8, Stiege 1
von 14.-25.11. 2012, täglich 12:00-19:00
Wien (viennale) - Zum 90. Geburtstag von Oskar Werner widmet das Filmarchiv Austria dem außergewöhnlichen Künstler eine Hommage an einem außergewöhnlichen Schauplatz. Im legendären Hochhaus, der einstigen Wohnadresse Werners, präsentieren wir erstmals rare Bilder und Töne aus dem Nachlass, darunter die wiederentdeckten Standfotos verschollener Oskar-Werner-Filme und seine kaum gezeigte einzige Regiearbeit "Ein gewisser Judas".

Oskar Werner, der große Charismatiker und einer der wenigen österreichischen Weltstars des Kinos, ein selbstzerstörerisches Genie, das schon zu Lebzeiten zum Mythos avancierte. Seit einiger Zeit hat das Filmarchiv Austria Gelegenheit, intensiven Einblick in den Nachlass des Ausnahmekünstlers zu nehmen. Zum 90. Geburtstag präsentieren wir erste Ergebnisse dieser spannenden Grabungsarbeiten - und verbinden die oft nur fragmentarisch erhaltenen Bild-, Ton und Schriftdokumente zu einer neuen Erzählung an einem spektakulären Schauplatz: Im Hochhaus in der Wiener Herrengasse, wo Oskar Werner in den Jahren seines künstlerischen Durchbruchs gelebt hat, treten flüchtige und verlorene, verschollen geglaubte und wiedergefundene Bilder und Töne in einen assoziativen Dialog - Geschichte lebt!

Nicht im Kino und nicht im Theater, auch nicht in einem der zahlreichen Hörfunkstudios spürt das Filmarchiv Austria dem Phänomen Oskar Werner nach. Eine große Retrospektive und eine umfassende Ausstellung mit der Präsentation des Nachlasses steht für 2013 zur Wiedereröffnung des Metro Kinos in Vorbereitung. Zum 90. Geburtstag Oskar Werners am 13. November 2012 legen wir allerdings eine neue Fährte, laden ein zu einer ungewöhnlichen Spurensuche, die in einen bislang verschlossenen und weitest gehend unbekannten Künstlerkosmos des Oskar Josef Bschließmayer führt.

Ein Foto im Nachlass war Ausgangspunkt für die Gestaltung einer Exkursion in einen entscheidenden, jedoch bisher wenig bekannten Zeit-Raum seiner Karriere. Es entstand 1946 und zeigt den damals 24-jährigen Oskar Werner, der eben seinen Künstlername auch offiziell registrieren ließ, mit seiner zweijährigen Tochter Eleonore in der erst kürzlich bezogenen Wohnung in der Herrengasse 6-8. An dieser noblen Adresse wurde 14 Jahre zuvor eines der spektakulärsten und skandalträchtigsten Gebäude Wiens errichtet - das so genannte Hochhaus, entworfen von Siegfried Theiss und und Hans Jaksch, heute ein herausragendes Monument der Moderne inmitten der Wiener City.

Zur Eröffnung 1932 war es nicht nur das höchste Wohngebäude der Stadt, sondern etablierte sich rasch zu einem bevorzugten Domizil für Künstler, Exzentriker und Nonkonformisten. Eine der ersten Bewohnerinnen war die große Burgtheater-Schauspielerin Elisabeth Kallina, die spätere Ehefrau Oskar Werners. Sie zog schon kurz nach der Eröffnung ins Hochhaus und wohnte dort bis in die 1990er-Jahre. 1941 besuchte Werner Elisabeth Kallina erstmals in ihrer Wohnung, hier nahm diese Liebe ihren Anfang. Auch die gemeinsame Tochter Eleonore war mit dem Haus lange verbunden und bewohnte bis in die 1960er-Jahre ein eigenes Apartment. Im 50 Meter hohen Gebäude logierten u.a. Curd Jürgens, Paula Wessely, Hans Jaray, Susi Nicoletti, oder auch Albin Skoda Käthe Gold, Cissy Kraner und Gusti Wolf. Durch die unmittelbare Nähe zum Burgtheater galt das Hochhaus vor allem bei Schauspielern als exquisite und schicke Adresse, wer hier eine Wohnung ergatterte, der hatte es in der Stadt zu etwas gebracht.

Oskar Werner lebte von 1945 bis in die 1950er-Jahre im Hochhaus, in jenen Jahren entfaltete er sein eindrucksvolles künstlerisches Spektrum, von ersten Burgtheater- Glanzleistungen über bemerkenswerte Hörspielinterpretationen bis zur intensiver werdenden Filmarbeit, die gegen Ende der Dekade, nach seinem Bruch mit dem Burgtheater, nach Hollywood führen sollte. Für die biografische und filmhistorische Forschung stellt diese Periode wie auch zuvor die Jahre des Weltkrieges ein weithin noch wenig abgesichertes Terrain dar. Fehlende Detailinformationen über sein Leben, etwa über die Ereignisse im Jahr 1945 mit der Desertion und Flucht nach Baden, trugen ebenso zur Legendenbildung bei, wie die vielfach nicht mehr erhaltenen Zeugnisse seines künstlerischen Schaffens der Frühzeit. Als verloren gelten etwa die zahlreichen Radioarbeiten und Hörspiele, wo Werner als Stimmkünstler offenbar schon in den Kriegsjahren für Furore sorgte: Ebenso verloren sind zwei Filme, die er in den späten 1940er- Jahren gedreht hat: "Ruf aus dem Äther" (Arbeitstitel: "Wunder unserer Tage"), ein Berg- und Schmuggler- film, produziert von G. W. Pabst, der hier ursprünglich auch die Regie übernehmen sollte, sowie "Ein Lächeln im Sturm" , eine in Tirol gedrehte österreichisch-französischen Gemeinschaftsproduktion.

Die Ausstellung "Verlorene Bilder, flüchtige Töne" wirft mit neu entdeckten Materialien aus dem Nachlass erste Schlaglichter auf das verschollene künstlerische Werk aus Oskar Werners "Hochhauszeit", eine sensationelle Sammlung von Standfotos zu den verschwundenen Filmproduktionen vermittelt Eindrücke und Assoziationen und befüllt diese Fehlstellen mit Bildern. In den obersten Etagen der Stiege 1, dem höchsten Gebäudeteil, präsentiert das Filmarchiv Austria erstmals diese Fotokollektion, Einzelbilder eröffnen fragmentarische Einblicke auf die einzige verschollene Nachkriegsarbeit des großen G. W. Pabst - in direkter Korrespondenz dazu bieten der erste, in einer ehemaligen Wohnungen situierte Ausstellungsraum atemberaubende Ausblicke auf die Stadt.

In einem weiteren Raum, der ebenso prominent wie unwirklich geradezu über der Skyline von Wien zu schweben scheint, vergegenwärtigt sich Oskar Werners Stimme in unbekannten Tondokumenten - großartige Belege seiner Rundfunkarbeit. Bei "Der verlorene Sohn" führte Oskar Werner auch Regie, das unnachahmliche Timbre seiner Stimme bahnt sich mühelos durch Schrammen und drop-outs der über 50 Jahre alten Aufnahmen und entfaltet im Hochhaus-Kontext eine nahezu magische Kraft.

In einem dritten Raum imaginiert die Ausstellung ein fiktives Wohnzimmer - mit originalen Einbaumöbeln aus der Gründerzeit des Hochhauses wird ein authentischer Raumentwurf inszeniert: Schreibtisch, Kästen und Einbauschränke bilden Kulisse und Depot für Versatzstücke aus Oskar Werners Wien-Biografie der "Hochhauszeit". Da ein Engagement-Vertrag für eine RAVAG-Aufzeichnung, dort ein Sprechtext für das Burgtheater, und irgendwo auf dem Schreibtisch erste Korrespondenzen mit Hollywood. Erinnerung und Vision - die Ausstellung "Verlorene Bilder, flüchtige Töne" arrangiert ihre Materialien in skizzenhaften, assoziativen Raum-Zeit-Collagen, das Vorläu- fige, das Fragmentarische, repräsentiert dabei auch den Status des großen Filmarchiv-Austria-Projektes zu Oskar Werner, das 2013 dort ankommen wird, von wo es vor 10 Jahren seinen Ausgang nahm - im Metro Kino.

Es kuratiert Raimund Fritz

 

 

 

Informationen: http://www.viennale.at

 

 

 

 

 

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