Das Elektronenmikroskop mit dem Extra-Dreh 

 

erstellt am
05. 11. 12

Wien (tu) - Vortex-Strahlen, die wie ein Wirbelsturm rotieren, bieten völlig neue Möglichkeiten für die Elektronenmikroskopie. An der TU Wien wurden eine Möglichkeit entdeckt, extrem intensive Vortexstrahlen zu erzeugen.

Elektronenmikroskope sind heute ein unverzichtbares Werkzeug, ganz besonders in der Materialwissenschaft. An der TU Wien wird an Elektronenstrahlen geforscht, die eine innere Rotation haben, ähnlich wie ein Wirbelsturm. Mit Hilfe dieser sogenannten „Vortex-Strahlen“ können nicht nur Objekte abgebildet, sondern auch materialspezifische Eigenschaften untersucht werden – mit einer Präzision im Nanometerbereich. Ein neuer Forschungsdurchbruch ermöglicht nun viel intensivere Vortexstrahlen als je zuvor.

Quanten-Tornado: Das Elektron als Welle
In einem Tornado drehen sich die einzelnen Luftteilchen zwar nicht unbedingt um die eigene Achse, aber der Luftsog insgesamt hat eine mächtige Rotation. Ganz ähnlich verhalten sich die rotierenden Elektronenstrahlen, die an der TU Wien hergestellt werden. Um sie zu verstehen, darf man sich die Elektronen nicht bloß als winzige Punkte oder Kügelchen vorstellen, denn die könnten sich höchstens um ihre eigene Achse drehen. Die Vortex-Strahlen hingegen lassen sich nur quantenphysikalisch erklären: Die Elektronen verhalten sich wie eine Welle, und diese Quanten-Welle kann rotieren, wie ein Tornado oder wie die Wasserströmung hinter einer Schiffsschraube.

„Nachdem der Vortex-Strahl einen Drehimpuls trägt, kann er auch Drehimpuls auf das Objekt übertragen, auf das er trifft“, erklärt Prof. Peter Schattschneider vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. Der Drehimpuls der Elektronen in einem Festkörper ist eng mit seinen magnetischen Eigenschaften verknüpft. Für die Materialwissenschaft ist es daher ein ungeheurer Vorteil, durch die neuartigen Elektronenstrahlen auch Aussagen über Drehimpuls-Zustände treffen zu können.

Strahlen drehen – mit Blenden und Masken
Peter Schattschneider und Michael Stöger-Pollach (USTEM, TU Wien) arbeiten gemeinsam mit einer Forschungsgruppe aus Antwerpen daran, möglichst intensive und sauber kontrollierbare Vortex-Strahlen in einem Transmissions-Elektronenmikroskop zu erzeugen. Bereits vor zwei Jahren gab es erste Erfolge: Damals wurde der Elektronenstrahl durch eine winzige gitterartige Maske hindurchgeschossen, wodurch er sich in drei Teilstrahlen aufspalten ließ: Einen rechtsdrehenden, einen linksdrehenden und einen Strahl ohne Rotation.

Nun wurde eine neue, noch viel mächtigere Methode entwickelt: Die Forscher verwenden eine Blende, die zur Hälfte von einer Siliziumnitrid-Schicht bedeckt wird. Diese Schicht ist so dünn, dass die Elektronen sie fast absorptionsfrei durchdringen können, aber geeignet phasenverschoben werden. „Nach Fokussierung durch eine speziell abgestimmte astigmatische Linse erhält man einen einzelnen Vortexstrahl“, erklärt Michael Stöger-Pollach.

Dieser Strahl ist um eine Größenordnung intensiver als die Vortex-Strahlen, die man bisher erzeugen konnte. „Erstens spalten wir den Strahl nicht in drei Teile auf, wie bei der Gittermaske, sondern der gesamte Elektronenstrom wird in Rotation versetzt. Zweitens hatte die Gittermaske den Nachteil, die Hälfte der Elektronen zu blockieren – die neue Spezialblende tut das nicht“, sagt Stöger-Pollach.

Durch die neue Technik lassen sich nun auch rechts- und linksdrehende Strahlen zuverlässig unterscheiden – das war bisher nur schwer möglich. Addiert man nun nämlich zu rechts- und linksdrehenden Strahlen jeweils einen bestimmten Drehimpuls hinzu, wird die Drehung des einen Strahls verstärkt, die des anderen Strahles nimmt ab.

Elektronenmikroskop mit Twist
Die neue Technologie wurde von dem Forschungsteam kürzlich im Fachjournal „Physical Review Letters“ präsentiert. In Zukunft soll die Methode für die Materialforschung eingesetzt werden. Besonders bei neu entwickelten Designer-Materialien stehen magnetische Eigenschaften oft im Zentrum der Aufmerksamkeit. „Ein Transmissions-Elektronenmikroskop mit Vortex-Strahlen ließe uns diese Eigenschaften nanometergenau untersuchen“, meint Peter Schattschneider.

Auch exotischere Anwendungen von Vortex-Strahlen sind denkbar: Im Prinzip kann man mit solchen drehimpulstragenden Strahlen Objekte in Rotation versetzen – etwa einzelne Moleküle. Vortex-Strahlen könnten daher auch neue Türen in der Nanotechnologie öffnen.

 

 

 

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