Eurozone: Zinsausblick 

 

erstellt am
14. 11. 12

Notenbank mit abwartender Haltung
Wien (rzb) - Im Juli und August fielen die Einzelindikationen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Industrie- und Bauproduktion, Einzelhandelsumsätze, etc.) oftmals besser aus als befürchtet. Im September schraubten die Industriebetriebe ihren Output aber erheblich zurück, sodass sich erste Hoffnungen auf eine Konjunkturstabilisierung wieder zerschlagen haben. Umfragen bei Unternehmen, die Entwicklung beim Auftragseingang sowie relevante Einzelinformationen (Kurzarbeit in der Autoindustrie) signalisieren zudem einen schwache Wirtschaftsentwicklung im gesamten Herbst. Im vierten Quartal sollte somit die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal deutlich zurückfallen. Erst im Verlauf des ersten Halbjahres 2013 dürfte sich die Eurozone aus der Rezession herausarbeiten und ein wohl nur moderater Aufschwung folgen. Der Ausblick ist mit erheblicher Unsicherheit verbunden. In Südeuropa schreitet zwar der Abbau der wirtschaftlichen Ungleichgewichte voran. Allerdings ist es schwer einzuschätzen, ab wann über Exporterfolge und Investitionsstätigkeit der Privatwirtschaft ein Aufschwung angestoßen wird. Zudem droht in der ersten Jahreshälfte 2013 ein globaler konjunktureller Dämpfer, sollte die US Fiskalpolitik schlagartig restriktiv gestaltet werden ("Fiscal Cliff").

Die Inflationsraten im Euroraum sind nach wie vor von steuerlichen Maßnahmen (z.B. Anhebungen von Mehrwertsteuersätzen) und dem starken Preisauftrieb bei Rohstoffen geprägt. Erstere trugen zuletzt rund 0,4 Prozentpunkte zum Preisauftrieb bei. Auch im Jahr 2013 ist mit Steueranhebungen zu rechnen, welche als Einmaleffekte die Inflation oben treiben. Energie- und Nahrungsmittelpreise machen sogar 0,9 Prozentpunkte des gesamten Preisauftriebs von zuletzt 2,5 % p.a. aus. Durch Zweitrundeneffekte könnten diese zu einer höheren Inflationsentwicklung über einen längeren Zeitraum führen. Allerdings erhöht die schwache Endnachfrage den Margendruck auf Unternehmen und in vielen Ländern ist der Lohnkostendruck gering. Somit rechnen wir mittelfristig mit einem Inflationsabbau, was bis Ende 2013 wieder zu Inflationsraten unter der 2 %-Marke führen sollte. Die Wortwahl auf der letzten Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank weist auf keine Änderung der Leitzinsen im Dezember hin. Zwar ist die Tür für eine spätere Senkung nach wie vor angelehnt, wir rechnen jedoch bis Ende 2013 mit unveränderten Leitzinsen. Zum ersten ist sich die Notenbank der anstehenden schwachen Wirtschaftsentwicklung bewusst und sollte von dieser nicht überrascht werden. Zweitens sind die Zinsen bereits auf ausgesprochen tiefen Niveaus (real negative Zinsen für private und öffentliche Kreditnehmer in den westund nordeuropäischen EUR Ländern). Zum dritten ist eine zusätzliche Konjunkturunterstützung (Bekämpfung von Kreditverknappung, Reduktion erhöhter Liquiditäts- oder Risikoprämien in den GIIPS) zielgerichteter mit den erweiterten geldpolitischen Maßnahmen zu erreichen. Immerhin zeigte sich EZB Chef Draghi zuletzt mit der seit der Ankündigung des neuen Staatsanleihekaufprogramms (OMT) erreichten Marktentwicklung zufrieden. Gleichzeitig verwies er darauf, dass nunmehr die Regierungen am Zuge sind, Reformen umzusetzen und Hilfsanträge zu stellen (Spanien), sodass die EZB aktiv werden kann.

Unsere Schätzungen zu den Euribor-Sätzen haben wir dennoch nach unten angepasst. Die hohe Überschussliquidität im Bankensystem, welche die kurzfristigen Geldmarktsätze weit unter die Leitzinsen drückt, wird zumindest bis zu Beginn des Jahres 2013 vorzufinden sein. Eine Analyse der Notenbankliquidität lässt auch für das kommende Jahr keinen substanziellen Abbau dieser Überschüsse vermuten. Zwar ist ab dem ersten Quartal 2013 eine vorzeitige Rückzahlung des ersten und zweiten Dreijahres-Refinanzierungsgeschäftes möglich. Doch während Banken aus den GIIPS im großen Stil diese Notenbankkredite (Gesamtvolumen rund EUR 1030 Mrd.) aufgenommen haben, stammen die ungenutzten Gelder (Ende Oktober: EZB-Einlagefazilität EUR 267 Mrd.; Übererfüllung der Mindestreserve EUR 431 Mrd.) vor allem von Banken Kerneuropas (Deutschland, Frankreich, Luxemburg, etc.). Liquiditätsaufnahme einerseits und Überschusshaltung andererseits erfolgt also bei unterschiedlichen Banken, was eine rasche freiwillige Rückführung der jeweils hohen Volumina wenig plausibel erscheinen lässt. Auch die längerfristigen Zinsen (Renditen deutscher Staatsanleihen, Swapsätze) werden von der generösen Versorgung des Bankensystems mit Notenbankliquidität nach unten gezogen. Zudem sorgt die hohe Ungewissheit zum wirtschaftlichen und politischen Werdegang der Eurozone für viel Unterstützung von risikoarmen Veranlagungen wie deutschen Staatsanleihen. Dennoch erwarten wir in den kommenden Monaten eine Niveauverlagerung der längerfristigen Zinsen bzw. Versteilerung der Zinskurve. Eine Einigung auf ein neu konzipiertes Hilfsprogramm für Griechenland sollte noch im November erzielt werden. Zudem erwarten wir, dass Spanien nicht nur unter den ESM Schutzschirm schlüpft, sondern die EZB auch aktiv am Anleihenmarkt zugunsten Madrids intervenieren wird. Dies nährt entsprechende Hoffnungen für andere Länder (Portugal, Italien). Deutsche Anleihen verlieren dann einen Teil ihres "Safe-Haven" Abschlags.

 

 

 

zurück