Gestrickte Bauteile für den Leichtbau 

 

erstellt am
17. 12. 12

FFG-Projekt in Oberösterreich zeigt auf wie es geht
Linz (lk) - In einem Forschungsprojekt haben sieben oberösterreichische Unternehmen ein neues Herstellungsverfahren für faserverstärkte Kunststoff-Teile entwickelt. Das besondere daran: Erstmals werden mehrlagige Rundgestricke dafür eingesetzt. Der Prototyp einer weltweit einzigartigen Rundstrickmaschine ist in diesem zweieinhalbjährigen Projekt konstruiert worden und steht im Innviertel.

Der neu entwickelte Strickprozess kommt den Anforderungen der Industrie sehr nahe: Hoher Automatisierungsgrad und ressourcenschonender Materialeinsatz. Gerade der steigende Composite-Anteil in Flugzeugen macht es notwendig, Preforms - vorgefertigte Bauteile - vollautomatisch herzustellen. Anhand eines Demonstrator-Bauteils hat die Projektgruppe eindrucksvoll bewiesen, dass dies möglich ist. Der Bauteil wurde einem Flugzeugspant nachempfunden, einer ringförmigen Aussteifung eines Flugzeugrumpfes. Die dafür entwickelten Rundgestricke zeichnen sich durch ihre gute Drapierbarkeit aus. Sie ermöglichen die Darstellung komplexer Geometrien in besonders sparsamer Weise ohne Verschnitt.

Wachstumsmarkt Composites
Automobilhersteller investieren derzeit massiv in die Composite-Technologien. Die so hergestellten Faserverbundwerkstoffe bieten für Zulieferer als intelligente Halb- oder Fertigteile besonders gute Marktchancen. Auch im Maschinenbau, in dem derzeit noch klassische Metallkonstruktionen vorherrschen, sehen Composite-Experten großes Potenzial für diesen Werkstoff. "Dieses Projekt ist ein Schritt in die richtige Richtung, der sicherstellt, dass oberösterreichische Unternehmen künftig am "Composite-Boom" teilhaben werden", sagt Wirtschafts-Landesrat Viktor Sigl.

Gesamte Wertschöpfungskette in Oberösterreich
Am Projekt beteiligt waren der Faserhersteller ASA.TEC aus Ohsdorf, der Maschinenbauer Stranzinger und das Strickunternehmen Kobleder aus St. Martin im Innkreis, die Forschungseinrichtungen des TCKT und der FH OÖ in Wels und der Kunststoff-Cluster der Clusterland Oberösterreich GmbH, der sicherstellt, dass die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts in der Branche auch bekannt gemacht werden.

Wirtschafts-Landesrat Viktor SIGL
Mit Forschungskooperationen den
Wirtschaftsstandort Oberösterreich stärken

Branchen, wie Flugzeug- und Automobilbau nutzen die Vorteile der faserverstärkter Kunststoffe (auch Faserverbundwerkstoffe oder Composites). Das geringe Gewicht und die hohen mechanische Eigenschaften führten - auch aus Gründen der Ressourcen- und Umweltschonung - zu einem wahren Höhenflug dieser Werkstoffgruppe. Im Flugzeugbau stieg der Anteil der Composite Teile von 23 % im Airbus A380 auf über 50 % in der Boeing B787 und im Airbus A350. Im Automobilbau werden Karosserieteile und ganze Baugruppen in dieser Bauweise entwickelt. Auch im Maschinenbau, bei Sportgeräten und v.a. für Windkraftanlagen werden hoch beanspruchte Teile aus Faserverbundwerkstoffen gezielt eingesetzt.

Neuartiger Strickprozess
In diesem Forschungsprojekt wurde ein neues Herstellungsverfahren für diese faserverstärkten Kunststoffteile entwickelt. Das besondere daran: Erstmals werden dafür mehrlagige Rundgestricke eingesetzt. Der Prototyp einer weltweit einzigartigen Rundstrickmaschine ist in diesem Projekt vom Maschinenbauer Stranzinger im Innviertel entwickelt und konstruiert worden. Später wird die Maschine im Strickunternehmen Kobleder eingesetzt werden.

Zeit- und Wettbewerbsvorsprung für Projektpartner
Die sieben oberösterreichischen Kooperationspartner dieses FFG-Projekts bilden die gesamte Wertschöpfungskette von Composite Bauteilen ab. Jedes der Unternehmen wird das im Projektzeitraum gewonnene Know-how in seinem Betrieb vermarkten. Aber auch die Möglichkeit, auf Partner dieser Kooperation mit den jeweiligen spezifischen Kompetenzen zugreifen zu können, erleichtert es künftig ungemein, neue Zielmärkte zu erschließen und somit einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen.

DI Gernot Schaffler | Transfercenter für Kunststofftechnik (TCKT)
Neuer Herstellungsprozess

Ein zentrales Ziel in diesem Projekt war die Entwicklung eines kosteneffektiven und ressourcenschonenden Herstellungsprozesses für hochleistungsfähige Preforms auf Basis von Mehrlagenrundgestricken. Zwei Punkte standen im Vordergrund: Der Automatisierungsgrad sollte im Vergleich zum Prepreg-Prozess (einer gängigen Technologie zur Herstellung von faserverstärkten Kunststoffteilen mit 15-20 % Verschnitt) deutlich erhöht werden und der Verschnitt sollte durch konturnahe Produktion reduziert werden. Der Strickprozess kommt diesen Vorgaben sehr nahe.

Composite Prozessentwicklung und Charakterisierung
Die in diesem Projekt von der Firma ASA.TEC speziell entwickelten Basaltfasern wurden sowohl auf Materialebene, als auch später auf Proben- und Bauteilebene untersucht und verglichen. Aus den vom Strickunternehmen Kobleder hergestellten Gestricken hat das TCKT Probenkörper im VARI- bzw. RTM-Verfahren hergestellt. Der Herstellprozess mit den eingesetzten Rundgestricken wurde dazu angepasst und optimiert. Parallel stellte das TCKT auch Proben mit dem klassischen Prepreg-Prozess bzw. mit Geweben und Gelegen her und verglich diese. Im Prüflabor wurden die Proben mechanisch und permeativ charakterisiert. Die so gewonnenen Daten bildeten die Basis für die Berechnung und Bauteilauslegung eines Demonstrator-Bauteils, der einem Flugzeugspant nachempfunden wurde, durch das Technische Büro Billinger.

Das Transfercenter für Kunststofftechnik GmbH
Das Transfercenter für Kunststofftechnik (TCKT) in Wels wurde 2001 als Partner für anwendungsorientierte Forschung & Entwicklung in allen Bereichen der Kunststofftechnik gegründet. Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen Materialentwicklung und Compounding, naturfasergefüllte Polymere, Spritzgießsimulation, Composites und Leichtbau. http://www.tckt.at

DI Franz Stollberger | Kobleder GmbH
Rundstricktechnologie weiterentwickelt

Die Produktion von mehrlagigen Rundgestricken war vor dem Projekt nicht möglich, da es keine entsprechenden Strickmaschinen gab. Die Kombination des bekannten Rundstick-Know-hows mit dem Wissen über die Produktion ebener mehrlagiger Gestricke, galt es, in dem Projekt zu vereinen.

Drapierbarkeit besticht
Bereits 2003 hat die Fa. Kobleder gemeinsam mit der FACC und weiteren Partnern Mehrlagengestricke für Composites mit der Flachstricktechnologie entwickelt - damals zusammen mit der TU Dresden. 2009 entstand die Idee, dieses Wissen auf das Rundstricken zu transferieren. Der Vorteil hier ist die besonders gute Drapierbarkeit, keine Faserumlenkungen (winkelige Faserablage) und die so mögliche deutlich komplexere Geometrie.

Rundstrickmaschine-Prototyp gebaut
Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Stranzinger hat die Fa. Kobleder ein Maschinenkonzept entwickelt und einen Strickmaschinen-Prototyp kon-struiert. Die Fa. Stranzinger hat die Maschine produziert, der Aufbau und die Montage werden bei Kobleder durchgeführt. Auf der neuen Maschine können beispielsweise C-, I-, oder T-Profile hergestellt werden - ganz ohne Verschnitt.

Über die Kobleder GmbH
Die Fa. Kobleder wurde 1927 in St. Martin im Innkreis als Handstrickeinzelunternehmen gegründet. Bereits 1966 legte das Familienunternehmen mit der Entwicklung und Produktion von technischen Gestricken - zusätzlich zur Bekleidung - den Grundstein zur Absicherung des Standorts in Oberösterreich. Hochwertige technische Gestricke für Möbelindustrie und Schutztechnik zählen neben der Strickbekleidung heute zum Kerngeschäft. www.kobleder.at

Dr. Johann Kastner | Fachhochschule Wels
Zerstörungsfreie Charakterisierung

Neben der traditionellen mechanischen Charakterisierung wurde in diesem Projekt auch die Röntgen-Computertomographie eingesetzt um Informationen aus dem Inneren des Werkstoffes zerstörungsfrei zu erhalten.

Für optimale Herstellparameter
Die zerstörungsfreie Werkstoff- und Bauteilprüfung wird durch steigende Sicherheits- und Qualitätsvorgaben immer gefragter. Fehlstellen, die für mechanische Eigenschaften relevant waren, wurden mit dieser Methode im Projekt aufgezeigt. Poren, Risse und die Orientierung der Faserbündel lassen sich so darstellen. Auch der Faservolumenanteil kann damit zerstörungsfrei bestimmt werden. Wichtig für das Projekt: Die Herstellparameter ließen sich so optimieren.

Top-Ausstattung am Campus Wels
Die Fachhochschule Oberösterreich am Campus Wels setzte im Projekt seine zwei industriellen CT-Geräte ein, die von immer mehr Firmen genutzt werden. Daneben wurde zur Strukturanalyse bzw. Bruchanalyse ein Rasterelektronen-Mikroskop mit Röntgen-Mikrosonde eingesetzt.
Die Fachhochschule hat in diesem Projekt die bereits vorhandenen Composite-Erfahrungen erweitert und v.a. das Know-how in der zerstörungsfreien Analyse von Composite-Bauteilen intensiviert.

Die Fachhochschule OÖ Forschungs- und Entwicklungs GmbH
Am Standort Wels befindet sich die Fakultät für Technik und Umwelt, die sich u.a. auf die Mess- und Prüftechnik sowie auf die Werkstofftechnik konzentriert. Mit mehr als 300 laufenden F&E-Projekten und einem F&E-Umsatz von rund 12 Mio. Euro im Jahr 2011 ist die FH OÖ die führende FH Österreichs im Bereich F&E. www.fh-ooe.at
Facts and Figures

Projekttitel:
Knitted Fiber Reinforced Plastics - Mehrlagige Rundgestricke als Basis zur Herstellung von faserverstärkten Kunststoff-Bauteilen (KnittFRP)

Projektlaufzeit: 1. Juni 2010 bis 31. Dezember 2012

Projektkosten: 666.000 Euro
Bundesförderung: 396.000 Euro

Antragsteller: Transfercenter für Kunststofftechnik GmbH

Programmlinie: Das Programm COIN (Cooperation & Innovation) ist eine gemeinsame Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend (BMWFJ) und des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Das Programmmanagement für COIN ist in der FFG im Bereich Strukturprogramme angesiedelt.

Konsortialpartner mit Hauptaufgabenbereich:
ASA.TEC Asamer Basaltic Fibres GmbH: Faserherstellung
Stranzinger Metallbau: Bau der Strickmaschine
Kobleder GmbH: Strickunternehmen
Transfercenter für Kunststofftechnik GmbH: Verarbeitung der Strickmuster zu Composites und anschließende Prüfung
FH OÖ Forschungs- und Entwicklungs GmbH: Prüfung mittels Computertomographie
Dipl.-Ing. Billinger Wolfgang, Technisches Büro - Ingenieurbüro für Maschinenbau: Berechnung und Prozessauslegung für einen Demonstrator-Bauteil
Clusterland Oberösterreich GmbH/Kunststoff-Cluster: Dissemination

 

 

 

Informationen: http://clusterland.at/

 

 

 

 

 

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