Städte - Lebensräume und Wirtschaftsmotoren
 Österreichs

 

erstellt am
15. 02. 13
14.00 MEZ

ÖV in Städten 2005-2009: Ausgaben +26 Prozent, Einnahmen +13 Prozent
Linz (stadt) - Die Städte sind die Lebensräume und Wirtschaftsmotoren Österreichs schlechthin, alleine 45 Prozent aller ÖsterreicherInnen leben bereits in einer der 74 Städte mit 10.000 und mehr EinwohnerInnen. Das zunehmende Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung stellt die Städte dabei aber zunehmend vor Herausforderungen, bei deren Bewältigung sie allerdings besonders vom Bund mehr und mehr im Stich gelassen werden. In einer eigenen Konferenz hat sich deshalb der Städtebund mit der Thematik der Zukunft der urbanen Mobilität auseinandergesetzt.

Erkenntnis 1
Das Niveau der Personenmobilität wird anhaltend hoch bleiben, in den Städten sogar noch eher zunehmen. Der öffentliche Verkehr spielt dabei jetzt schon eine wichtige Rolle, der Ausbau ist aber unabdingbar.

Erkenntnis 2
Die Städte geraten bei der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs zusehends an ihre Grenzen. Alleine zwischen 2005 und 2010 hat sich die Belastung der Städte durch den Öffentlichen Verkehr von 129 Millionen Euro auf 202 Millionen Euro um mehr als die Hälfte erhöht. Verantwortlich dafür ist die Tatsache, dass die Einnahmen in diesem Zeitraum zwar um 13 Prozent, die Ausgaben aber um 26 Prozent gestiegen sind. Größte Herausforderung ist die Bewältigung des notwendigen Ausbaus und der Attraktivierung: alleine die Investitionsausgaben sind zwischen 2005 und 2009 um 110 Prozent gestiegen.

Linz geht diesen Städten als gutes Beispiel voran: mit 24 Prozent ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen der höchste unter den Städten (außer Wien). Das ist der Erfolg eines konsequenten, zielgerichteten Ausbaus: während das Straßennetz nur um 16 Prozent erweitert wurde, wurde das Streckennetz der LINZ LINIEN um 45 Prozent ausgebaut. 440 Millionen Euro wurden für diesen Ausbau und die Attraktivierung alleine seit dem Jahr 2000 aufgewendet. Projekte für weitere 460 Millionen Euro sind bereits teilweise im Endstadium der Planung.

Alleine können die Städte den notwendigen Ausbau aber nicht mehr bewältigen. Insbesondere der Bund ist gefordert, seine bisherige Praxis zu überdenken. So enden viele Mitfinanzierungen des Bundes für überregionale Projekte im öffentlichen Verkehr an den Stadtgrenzen, während die Städte oft über diese hinaus mitzahlen. Dabei würde durch einen konsequenteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs insbesondere in den Städten Österreich seine Klimaziele vermutlich eher erreichen können.

Deshalb fordert der Städtebund eine Gesamtstrategie für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Diese soll die Basis für einen langfristigen Rahmenplan sein, der den Städten Planungs- und Finanzierungssicherheit gibt. Unabdingbar wird dabei auch eine Reform des Finanzausgleichs sein, der die Rolle der Städte als Lebens- und Wirtschaftsballungszentren stärker berücksichtigt.

Linz: Lebensraum, Wirtschaftsmotor
Der Großraum Linz hat für Oberösterreich eine besondere Bedeutung: Auf elf Prozent der Fläche befinden sich 48 Prozent aller oberösterreichischen Arbeitsplätze. Linz kann sich daher zu Recht als der Wirtschaftsmotor von Oberösterreich bezeichnen. Zugleich leben alleine in der Stadt über 193.000 Menschen, für die Linz Lebensmittelpunkt ist. Das bedeutet besondere Herausforderungen für die Sicherung der Lebensqualität, die die Menschen hier vorfinden sollen. Herausforderungen, die die Stadt bislang gut gemeistert hat, denn immerhin wollen laut Erhebung des Landes mehr als die Hälfte aller Wohnungssuchenden in Oberösterreich in Linz wohnen.

KFZ-Bestand seit 1990: plus 27 Prozent in Linz, plus 58 Prozent in Oberösterreich Streckennetz LINZ AG LINIEN seit 1990: + 45 Prozent
Das alles hat natürlich Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen: rund 50 Prozent der vier Millionen Wege, die in Oberösterreich täglich (!) zurückgelegt werden, finden im Großraum Linz statt. Alleine das Straßennetz ist deshalb in den letzten 25 Jahren um rund 16 Prozent auf 613 Straßenkilometer angewachsen. Noch deutlicher ist allerdings der Kraftfahrzeugbestand gestiegen: seit 1990 ist die Zahl der alleine in Linz gemeldeten Kraftfahrzeuge (PKW und Kombi) von 76.397 um rund 27 Prozent auf 96.835 gestiegen, oberösterreichweit sind es sogar beinahe 58 Prozent mehr: 831.941 PKWs und Kombis im Jahr 2011 gegenüber 527.661 Fahrzeuge im Jahr 1990. Die geringere Zunahme des Kraftfahrzeugsbestands in der Stadt ist sicher auch auf das gut ausgebaute Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzuführen. Seit 1990 wurde kontinuierlich in den Ausbau der LINZ AG LINIEN investiert. Aus 131,6 Kilometer Streckennetz 1990 wurden bis ins Jahr 2010 190,3 Kilometer – ein Zuwachs um rund 45 Prozent. Linz weist deshalb auch österreichweit (ohne das nicht zu vergleichende Wien) mit 24 Prozent den höchsten Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehr aus. Das hat natürlich auch seinen Preis: alleine seit dem Jahr 2000 wurden rund 440 Millionen Euro in den Ausbau und die Attraktivierung des Öffentlichen Verkehrs investiert.

Anhaltend hohe Personenmobiltät ist Chance und Herausforderung für den öffentlichen Verkehr
Linz ist mit dieser Entwicklung natürlich nicht alleine. Die meisten größeren Städte, insbesondere die Landeshauptstädte, befinden sich in einer ähnlichen Situation. Der Österreichische Städtebund hat sich deshalb bei einer Konferenz Ende 2012 der Frage der Zukunft der urbanen Mobilität gewidmet. WIFO-Experte Stefan Schönfelder hielt in seinem Referat fest, dass das Niveau der Personenmobilität in den nächsten Jahren anhaltend hoch bleiben bzw. sogar noch steigen würde. Insbesondere in den größeren Städten, in denen die Zahl der EinwohnerInnen steigt und sich die Arbeitsplätze konzentrieren. Schönfelder sieht aufgrund der stetigen, teils wachsenden Nachfrage eine Chance für den Öffentlichen Personennahverkehr. Gleichzeitig seien die sich wandelnden Mobilitätsbedürfnisse auch eine zunehmende Herausforderung, der einerseits auf technologischer und andererseits auf organisatorischer Ebene begegnet werden müsse. Es ginge unter anderem besonders um Fragen der Zugänglichkeit, des Komforts, der „usability“ (~ Nutzerfreundlichkeit, leichte Gebräuchlichkeit) und um die Leistbarkeit des öffentlichen Personennahverkehrs.
Finanzschere 2005-2009: Einnahmen plus 13 Prozent, Ausgaben plus 26 Prozent

Laufende Ausgaben: plus 6 Prozent, Investitionskosten plus 110 Prozent
Gerade bei der Leistbarkeit stoßen allerdings die österreichischen Städte immer mehr an ihre Grenzen. Beispielsweise werden alleine für die in und um Linz geplanten Projekte zum weiteren Ausbau und zur Attraktivierung rund 460 Millionen Euro zu veranschlagen sein. Größter Posten dabei ist sicher die zweite Schienenachse (derzeit veranschlagter Kostenrahmen: rund 410 Mio. Euro), gefolgt von der Verlängerung der Straßenbahn nach Traun (41 Mio. Euro). Vergleichsweise gering zu Buche schlägt die Anbindung des Pichlinger Sees an das Straßenbahnnetz (rund 10 Mio. Euro). Ohne Mitfinanzierung durch das Land wären diese Projekte nicht umsetzbar. Was dabei auffällt, ist die mangelhafte Beteiligung des Bundes. Diese wirkt sich bei allen Städten (mit Ausnahme des wiederum nicht vergleichbaren Wiens) belastend aus. Das veranschaulichte bei der Städtebundkonferenz Martin Kroißenbrunner von der Stadt Graz auf Basis einer Studie des KDZ-Zentrums für Verwaltungsforschung, und eigener Berechnungen:

Kroißenbrunner legte dar, dass im Zeitraum 2005 bis 2009 die Ausgaben um 26 Prozent gestiegen seien, die Einnahmen hingegen nur um 13 Prozent. Im Detail betrachtet stelle sich dabei laut Kroißenbrunner allerdings heraus, dass die laufenden Ausgaben nur um sechs Prozent gestiegen seien, die einmaligen Ausgaben, also die Investitionskosten, aber um 110 Prozent!

Herausforderung: mangelnder Gesamtplan, Finanzierung
Schlussfolgerungen aus der Städtebundkonferenz: Es fehlt eine klare, übergeordnete Strategie zum Öffentlichen Personennahverkehr. „Insbesondere den Städten fehlt deshalb ein verlässlicher Rahmen für den so wichtigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs“, so der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Städtebundes, der Linzer Verkehrsreferent Vizebürgermeister Klaus Luger. „Wir haben keine Planungs- und vor allem keine Finanzierungssicherheit, jedem Projekt gehen mühsame Einzelverhandlungen mit dem jeweiligen Bundesland und meist Absagen seitens des Bundes voraus!“ Dabei sind es die Städte, die aufgrund ihrer zentralen Rolle als Lebens- und Wirtschaftsraum überdurchschnittlich zum Steueraufkommen in Österreich beitragen. Zugleich werden sie insbesondere vom Bund im Stich gelassen, wenn sie Maßnahmen setzen, die zur Verlagerung vom motorisierten Individualverkehr hin zum öffentlichen Verkehr führen. „Es stimmt schon, dass wir dieser Verlagerung selber am meisten bedürfen, wenn wir nicht im Autoverkehr ersticken wollen“, ist sich Luger bewusst. „Es stimmt aber auch, dass zum Beispiel Österreich als Ganzes seine Klimaziele nicht erreicht. Schon alleine deshalb sollte es ein Bundesinteresse an einer Stärkung des Öffentlichen Verkehrs insbesondere in den Städten mit dem größten Verkehrsaufkommen geben.“

Lösung: Rahmenplanung, Reform des Finanzausgleichs und der Transferzahlungen
Darum stellte der Städtebund auch zentrale Forderungen auf, deren Berechtigung sich gerade am Beispiel Linz deutlich darstellen lässt. „Hausaufgaben für die kommende Bundesregierung, bei deren Erarbeitung die Städte gerne helfen“, so Luger. „Das Ziel sollte es sein, den städtischen Ballungszentren als Lebensräume und Wirtschaftsmotoren des ganzen Landes im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen zu lassen. Lebensqualität und wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit lassen sich erhalten, wenn der öffentliche Verkehr noch stärker als bisher zum Rückgrat der Mobilität wird.“ Die Forderungen des Städtebundes lassen sich dabei im Wesentlichen zu zwei Punkten zusammenfassen:

1) Entwicklung einer Strategie für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für Österreich unter Einbeziehung der Städte
„Basis sind die energie-, umwelt- und verkehrspolitischen Zielsetzungen, die besonders die Weiterentwicklung und den Ausbau städtischer ÖPNV-Systeme notwendig machen“, so Luger. Als Beispiel nennt er die zweite Schienenachse durch Linz, die für den überregionalen Personennahverkehr unabdingbar ist und so zur CO2-Reduktion über Linz hinaus beiträgt. Oder aber auch die Straßenbahnverlängerung nach Traun: „Diese 4,3 km lange Strecke außerhalb von Linz wird ohne Bundesbeteiligung finanziert, obwohl sie dazu beiträgt, dass Österreich eher seine Klimaziele erreichen kann“, findet Luger.

2) Finanzierungs- und Strukturreform
Zur Umsetzung dieser Strategie braucht es Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Städte. Ähnlich dem ÖBB-Rahmenplan, der immerhin im Nationalrat beschlossen wird, braucht es für den gesamten öffentlichen Verkehr einen Rahmenplan. Die für die Abarbeitung dieses Plans notwendigen Mittel müssen unter Einbeziehung aller bestehenden Finanzierungsströme aufgebracht werden. „Dazu braucht es eine Reform des Finanzausgleichs, der die Städte als Aufgabenträger beim Öffentlichen Verkehr stärker berücksichtigt, und eine Entwirrung der Transferzahlungen“, erklärt Luger. So ist es nicht einzusehen, dass städtische Verkehrsgesellschaften bei überregionalen Projekten zur Kasse gebeten werden, während die Mitfinanzierung des Bundes an den Stadtgrenzen plötzlich endet.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at