Töchterle: Archäologie erweckt alte Kulturen wieder
 zum Leben

 

erstellt am
19. 03. 13
14.00 MEZ

ÖAI-Direktorin Ladstätter informierte in gemeinsamem Pressegespräch über aktuelle Forschungsprojekte und bot Ausblick auf die Grabungssaison in Ephesos
Wien (bmwf) - "Die Archäologie erweckt alte Kulturen wieder zum Leben", so Wissenschafts- und Forschungsminister Dr. Karlheinz Töchterle bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Dr. Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) und Leiterin der Ephesos-Grabung. Die "Wissenschaftlerin des Jahres 2011" informierte über aktuelle Forschungsprojekte des ÖAI, insbesondere auch über die Schwerpunkte der heurigen Grabungskampagne in Ephesos. "Die Archäologie ist zweifellos eine unserer Stärken", betonte Töchterle, der sich im Vorjahr sowohl im Inland (Carnuntum) als auch Ausland (Ephesos) ein Bild der engagierten Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ÖAI gemacht hat.

"Von Seiten der Archäologie stehen für 2013 zwei Grabungsprojekte im Zentrum unserer Aktivitäten", bot Sabine Ladstätter einen Ausblick auf die Ephesos-Grabungskampagne: Einerseits die vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Ausgrabungen des Cukurici Höyük, eines prähistorischen Tells, dessen Besiedlung bis in die Phase der Sesshaftwerdung (der Jungsteinzeit) zurückgeht. Andererseits eine etwa 1500 m2 spätantike Residenz südlich der Marienkirche, von der bislang etwa ein Viertel ausgegraben werden konnte. Ausstattung und Erhaltungszustand des Monuments sind hervorragend und erlauben genaue Studien zur spätantiken Alltagskultur. In einem direkten Vergleich können Veränderungen der antiken Lebenswelt von der römischen Kaiserzeit (Hanghaus 2, 3. Jh.) bis in die mittelbyzantinische Zeit (7. Jh.) nachvollzogen werden. "Besonders interessant und bislang kaum erforscht ist zudem der Übergang von der spätantiken zur spätbyzantinischen Zeit und damit die Veränderung einer antiken Großstadt zu einem mittelalterlichen regionalen Zentrum", so Ladstätter.

Ein weiterer Schwerpunkt der Grabung Ephesos ist die Geoarchäologie, die in einem interdisziplinären Projekt zur Hafenlandschaft von Ephesos verstärkt Einsatz findet. Zur Anwendung kommen paläogeographische, geomorphologische, geophysikalische und geologische Methoden, aber auch traditionelle archäotopographische Analysen, um die komplexe Geschichte der Küstengeographie und damit verbunden der zahlreichen Häfen von Ephesos zu rekonstruieren. Zusammengefasst handelt es sich um eine einzigartige Hafenlandschaft, bestehend aus Häfen unterschiedlicher Zeitstellungen, Kanälen, Kai-und Pieranlagen und begleitenden Bauten (Leuchttürmen, etc.), die sich über mehrere Jahrtausende erstreckte.

Eine große Herausforderung bleibt laut der Grabungsleiterin die Sicherung des Monumentenbestandes. Eine Ruinenstätte wie Ephesos, die seit nunmehr 118 Jahren ausgegraben und von Touristenmassen besucht wird, braucht eine permanente Wartung und eine Sicherung der Substanz. Zu diesem Zweck wurde ein Konsolidierungsprogramm ins Leben gerufen, dass mit eigenen Arbeitern und ohne großen finanziellen Aufwand bewältigt werde kann. Nichts desto trotz ist hier die Unterstützung durch öffentliche und private Geldgeber gefordert.

Der Minister unterstrich den hohen Stellenwert der Interdisziplinarität, die die historischen Aussagemöglichkeiten verbreitert. In Ephesos sind bspw. neben der Archäologie und der Prähistorie folgende weitere Disziplinen beteiligt: Anthropologie, Archäobotanik, Archäozoologie, Architektur und Bauforschung, Biologie, Byzantinistik, Chemie, Epigraphik, Fotografie, Genetik, Geodäsie, Geologie, Geophysik, Numismatik, Paläogeographie, Restaurierung, Stadtplanung, Statik und Turkologie. Ein konkretes Beispiel ist ein neu entwickeltes Bodenradar der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), das - auf den Spuren der Wikinger - auch bereits in Gokstad (Norwegen) zum Einsatz gekommen ist und Archäologen wertvolle Informationen liefert (Auffindung und Kartierung des im Boden verborgenen archäologischen Erbes).

Ephesos hat in der Türkei nach dem Topkapi Serail in Istanbul die zweithöchste Besucheranzahl. Im Jahr 2012 besuchten erstmals mehr als 2 Millionen Menschen die antike Stadt, das Hanghaus 2 hatte über 150.000 Besucher/innen. Ein neuer Anziehungspunkt entsteht mit dem Großen Theater in Ephesos, das nach 17 Jahren Restaurierungsarbeiten wieder seine Pforten öffnet. Im Herbst 2012 fand bereits ein Konzert statt, für Mai 2013 ist die offizielle Eröffnung geplant. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ÖAI haben durch ihre Arbeit maßgeblich zur Restaurierung beigetragen - das Große Theater in Ephesos wird durch österreichisches Know-how wieder bespielbar.

Die Grabungskampagne Ephesos 2012 erstreckte sich über elf Monate (20. Jänner bis 8. Dezember). Die Restaurierungskampagne dauert 12 Monate, ganzjährig sind zwei Restauratoren vor Ort. Ephesos ist ein internationales Grabungsunternehmen: 161 Fachleute und Spezialisten aus 18 Ländern nahmen teil. Durchschnittlich 60 lokale Arbeiter/innen sind auf der Grabung während der Saison beschäftigt.

Das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) ist eine nachgeordnete Dienststelle des Wissenschafts- und Forschungsministeriums. Zweigstellen des ÖAI sind in Griechenland (Athen) und Ägypten (Kairo) eingerichtet. Das größte Grabungsunternehmen ist die Ephesos-Grabung in der Türkei. Das Budget des Wissenschafts- und Forschungsministeriums für das ÖAI beträgt heuer rund 3,5 Millionen Euro (inklusive Personalkosten). Hinzu kommen Drittmittel in ca. selber Höhe, die das ÖAI sehr erfolgreich einwirbt. Dazu trägt auch insbesondere ein ERC-Starting Grant bei, der 2010 an Dr. Barbara Horejs verliehen wurde (Prehistoric Anatolia: "Sesshafte bis protourbane Gesellschaften in Westanatolien"). Weiters die 2010 gegründete "Ephesos Foundation", der Verein "Gesellschaft der Freunde von Ephesos" sowie die Stiftungen "American Society of Ephesus" und "Kaplan Foundation".

 

 

 

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