Deklaration

 

erstellt am
19. 04. 13
14.00 MEZ

NGOs heben "Gesellschaftsklimabündnis" aus der Taufe
Prammer: Vielfalt ist gut für eine Gesellschaft
Wien (pk) - Aus Österreich ein Land zu machen, in dem Pluralismus geschätzt wird und in dem verschiedene Lebensentwürfe und Weltanschauungen geachtet werden. Das ist das langfristige Ziel des "Gesellschaftsklimabündnisses", das am 19.04. im Parlament offiziell aus der Taufe gehoben wurde. Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer stellten NGO-VertreterInnen eine im Austausch mit Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Verwaltung erarbeitete Deklaration vor und präsentierten erste konkrete Projekte. Unter anderem soll ein Modell für eine Betriebsvereinbarung gegen Diskriminierung und für gelebte Diversität entwickelt und ein jährlicher Gesellschaftsklima-Tag abgehalten werden.

Gestartet wurde die Initiative von der NGO-Plattform Netzwerk Rechte- Chancen-Vielfalt, der unter anderem Organisationen wie die Caritas Wien, die Volkshilfe, SOS-Mitmensch, ZARA, die österreichische Diakonie, das interkulturelle Zentrum "asylkoordination" und der Verein Integrationshaus angehören. Die NGO-VertreterInnen wollen mit dem "Gesellschaftsklimabündnis" Unternehmen und Organisationen bewegen, aktiv für eine pluralistische Gesellschaft einzutreten und jegliche Art von Diskriminierung und Ausgrenzung zu bekämpfen. In den vergangenen Jahren sei speziell die Frage der Migration zu einem politischen Reibungspunkt gemacht worden und habe sich negativ auf das Klima in Österreich ausgewirkt, Rassismus und Diskriminierung seien ein ernstzunehmendes Problem, heißt es seitens der InitiatorInnen.

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer wünschte dem Gesellschaftsklimabündnis in ihren Begrüßungsworten viel Erfolg. Eigentlich sollte ein solches Bündnis nicht notwendig sein, meinte sie, in der Realität zeige sich aber immer wieder, dass Vielfalt nicht geschätzt und nicht gelebt werde. Als aktuelles Beispiel nannte sie den Auszug mehrerer FPK-Abgeordneter aus dem Kärntner Landtag während einer zweisprachigen Rede einer Grünen Mandatarin, den sie als "defintiv absurd" wertete.

Man müsse allen gesellschaftlichen Gruppen genug Raum einräumen, unterstrich Prammer, auch MigrantInnen bräuchten einen entsprechenden Platz, um sich entfalten zu können. In der Frage des respektvollen Miteinanders geht es dabei ihrer Ansicht nach nicht nur um "Goodwill", Vielfalt sei auch gut für die Gesellschaft. Zu einer positiven demokratischen Entwicklung gehöre es auch, Breite zuzulassen und Meinungsvielfalt zu akzeptieren, so Prammer.

Auf die Hintergründe der Entstehung des Gesellschaftsklimabündnisses gingen Verena Fabris, Volkshilfe Österreich, und Herbert Langthaler, asylkoordination Österreich, ein. Fabris wies darauf hin, dass mittlerweile bereits eine Million Menschen in Österreich ohne österreichische Staatsbürgerschaft lebten. Österreich sei ein Land der Vielfalt, betonte sie, diese Vielfalt spiegle sich aber nicht in den Institutionen wieder. So gebe es etwa kaum VolksschullehrerInnen mit Migrationshintergrund.

Fabris und Langthaler klagten überdies darüber, dass, wenn es um MigrantInnen gehe, viel zu viel von Defiziten gesprochen werde. MigrantInnen seien aber risikofreudig, dynamisch und lernbereit, bekräftigte Langthaler. Das werde durch die "beschlagene Brille" allerdings nicht gesehen. Viele MigrantInnen würden nicht entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt. Das gesellschaftliche Klima in Österreich sei kalt, lautet Langthalers genereller Befund, in diesem Sinn ist für ihn das Gesellschaftsklimabündnis ein "Frostschutzmittel".

Unterstützt wurde die Gründung des Gesellschaftsklimabündnisses auch durch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die Wiener Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, wobei beide in ihren Grußworten auch auf die Verantwortung der Politik beim Aufbau einer inklusiven, diskriminierungsfreien Gesellschaft verwiesen.

Deklaration des Gesellschaftsklimabündnisses: Jeder verdient Respekt
In der Deklaration des Gesellschaftsklimabündnisses wird unter anderem festgehalten, dass Österreich ein Ein- und Auswanderungsland war, ist und auch bleiben soll. Jede Person verdiene grundsätzlich Respekt, die Würde eines Menschen sei unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Religion, Hautfarbe, Geschlecht, Bildung, Behinderung, Alter, Familienstand, sexueller Orientierung und Sprache zu wahren. Als Devise gilt, zuzuhören und zu diskutieren, statt abzuwerten und Vorurteile zu kultivieren. Niemand solle zurückgelassen, niemand vom Gemeinwesen alleine gelassen, niemand ausgeschlossen oder aufgrund bestimmter Merkmale benachteiligt werden.

Konkret wird in der Deklaration die Bedeutung von sozialer Sicherheit und Aufenthaltssicherheit für alle in Österreich lebenden Menschen hervorgehoben. Der Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft dürfe nicht vom sozialen und materiellen Status des Antragstellenden abhängig gemacht werden, heißt es etwa. Zudem wird darauf verwiesen, dass politische Teilhabe für die Zughörigkeit zu einer Gesellschaft wesentlich ist.

Wer die Deklaration unterzeichnet, verpflichtet sich unter anderem dazu, für ein gleichberechtigtes Zusammenleben aller in Österreich lebender Menschen und für den Abbau von Barrieren einzutreten sowie im eigenen Bereich Strukturen, Gewohnheiten, Praktiken und Denkweisen zu hinterfragen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Gleichzeitig soll die Öffentlichkeit über Aktivitäten und Fortschritte informiert werden. Zu den ersten, die heute ihre Unterschrift unter die Deklaration setzten, gehörten die Volkshilfe Österreich, SOS Mitmensch, der Presseclub Concordia, die Volkshochschule Wien und der Verein ZARA.

Charim: Pluralistische Gesellschaft ist ein unumkehrbares Faktum
Philosophisch untermauert wurde die Initiative durch einen Vortrag der Philosophin und Publizistin Isolde Charim, die über "Das Zeitalter der Singularitäten" referierte. Sie gab zu bedenken, dass die pluralistische Gesellschaft ein unumkehrbares Faktum sei und keine Rückkehrmöglichkeit in eine homogene Gesellschaft, in der es ein Weltbild gebe, das von allen geteilt werde, offen stehe.

Zur alten Vorstellung von Gleichheit, nämlich gleicher Teil eines Ganzen zu sein, ist Charim zufolge eine neue Vorstellung von Gleichheit hinzugekommen, nämlich die Vorstellung, in der jeweils eigenen Besonderheit respektiert zu werden. Die Herstellung eines politischen Raumes, in dem alle gleich sind, reiche nicht mehr, meinte sie, vielmehr wollen die Menschen als öffentliche Person einzigartig und verschieden sein können und in dieser Singularität anerkannt werden.

Diskriminierung bedeute vor diesem Hintergrund einen doppelten Ausschluss, unterstrich Charim. Zum einen einen Ausschluss aus der alten Gleichheit, zum anderen würde Diskriminierten aber auch die Anerkennung als singuläre Personen versagt, da sie automatisch einer Gruppe zugeschlagen werden. Generell betonte Charim, wenn man sich dem gesellschaftlichen Klima zuwende, müsse man auch Identitätsanliegen, Kränkungen, Hoffnungen und Glückserwartungen eine Bühne geben.

Erster "Gesellschaftsklimatag" am 25. April 2014
Erste konkrete Projekte des Gesellschaftsklimabündnisses wurden in einem Workshop erarbeitet. Demnach ist etwa eine verstärkte Zusammenarbeit mit Unternehmen geplant, die in die Verschiedenheit ihrer MitarbeiterInnen und ihrer KundInnen investieren. In Gemeinden und Bezirken will man die "Grätzelarbeit" verstärkt auf konkrete Lebenswelten fokussieren. Als Termin für den ersten "Gesellschaftsklimatag" wurde der 25. April 2014 festgelegt - an diesem "Tag der Normalität und der Barrierefreiheit aller" sollen auch jene Teile der österreichischen Wohnbevölkerung zu Wort kommen, die sonst kein Gehör finden.

An einer Podiumsdiskussion zum Thema "Warum braucht es ein Gesellschaftsbündnis?" nahmen neben Charim auch Nasila Bergangy- Dadgar (ÖAMTC), Andrea Eraslan-Weninger (Integrationshaus), Johannes Kopf (AMS), Walter Leiss (Österreichischer Gemeindebund), Mourad Mahidi (Bundesjugendvertretung) und der Autor und Migrationsforscher Mark Terkessidis teil. Moderiert wurde die Veranstaltung von Mari Steindl vom Interkulturellen Zentrum.


 

Heinisch-Hosek: Gründung des Gesellschaftsklimabündnisses ist ein wichtiger Schritt
Verbindung von NGOs mit der öffentlichen Hand und der Politik ist positiv und richtungsweisend
Wien (bpd) - "Es ist nicht nur notwendig, ein Gesellschaftsklimabündnis begründet zu haben, sondern auch darüber zu reden, was die Sozialstaaten in Europa ins Wanken gebracht hat", forderte Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek am 19.04. im Rahmen ihrer Grußworte anlässlich des feierlichen Gründungsaktes des Gesellschaftsklima- bündnisses im Parlament. "Die Idee, auf die Gräueltaten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu reagieren, bestand letztendlich darin, Sozialstaaten in Europa zu etablieren; dieser Prozess ist jedoch noch nicht an sein Ende gelangt. Wir müssen in unserem Land sorgsam mit den leisen Signalen von Gruppierungen umgehen, die es nicht ertragen können, dass Österreich vielfältig ist und immer ein Zuwanderungsland war. Das Zusammenleben verschiedener Kulturen wird so eng gesehen, dass oft Missgunst und Neid in den Vordergrund treten", so Heinisch-Hosek.

"Solchen Tendenzen ist entgegenzuwirken. Und das Gesellschaftsklimabündnis, initiiert vom 'Netzwerk Rechte-Chancen-Vielfalt', ist ein wichtiger Schritt. Positiv ist, dass sich nicht nur NGOs zusammenschließen und gesellschaftspolitisch aufstehen, sondern dass die Verbindung mit der öffentlichen Hand und der Politik gelingt. Die richtungsweisenden Botschaften sind hinauszutragen und dort, wo die Gesetze an ihre Grenzen stoßen, sind solche Gruppen und Meinungen für das Miteinander in der Gesellschaft sehr wichtig. Denn dadurch wird ein Prozess in Gang gesetzt, der sozialen Frieden absichern kann und aufzeigt, dass wir möglichst tolerant und respektvoll miteinander umgehen müssen", erläuterte Bundesministerin Heinisch-Hosek beim Festakt im Parlament.

"Was wir hier heute tun, ist richtig und wichtig. Denn die Akzeptanz der Diversität der Gesellschaft ist noch in weiter Ferne. Aber dennoch haben wir diese Ziele schon vor Augen. Hilfreich ist dabei der Druck, der seitens der NGOs und der Expertinnen und Experten auf die Politik ausgeübt wird. Ich freue mich sehr, dass ich heute am Beginn dieses Weges teilhaben konnte und dass dieser Startschuss in einem würdigen Rahmen stattfindet. Das Parlament fungiert dabei als ein Haus der Begegnung für alle, so unterschiedlich wir auch sein mögen", bedankte sich Bundesministerin Heinisch-Hosek bei all jenen, die am Gesellschaftsklimabündnis teilnehmen. "Machen wir Österreich noch ein weiteres Stück sozial gerechter und achten wir darauf, dass das, was erreicht wurde, nicht wieder zurückgedrängt werden kann", so Heinisch-Hosek abschließend.

 

 

 

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