Suchtmittel

 

erstellt am
17. 04. 13
14.00 MEZ

 Mikl-Leitner: Substitutionstherapie bundesweit evaluieren
Klärung des Einsatzes von retardierten Morphinen ist dringend notwendig
Wien (bmi) - Die Substitutionstherapie wird von Innenministerin Mag.a Johanna Mikl-Leitner grundsätzlich befürwortet. Klärungsbedürftig ist für die Innenministerin aber der Einsatz von retardierten Morphinen. "Das Innenministerium ist sich der Verantwortung und Verpflichtung auf dem Gebiet der Prävention, auch beim Suchtmittelmissbrauch, voll und ganz bewusst", sagt Innenministerin Mag.a Johanna Mikl-Leitner. "Es kann aber nicht sein, dass diese Verantwortung nur auf den Schultern des Innenressorts lastet. Ich erwarte, dass sich auch die anderen zuständigen Stellen ihrer Verantwortung und Verpflichtung bewusst sind und diese auch wahrnehmen." Für Mikl-Leitner ist es begrüßenswert, dass nach eineinhalbjährigen Bemühungen des Innenministeriums endlich eine breite Diskussion mit dem Gesundheitsministerium zustande gekommen ist und es ein Expertengespräch von Vertretern beider Ministerien gab. Die Innenministerin bedauert aber, dass seitens des Gesundheitsministeriums kein Folgetermin in Aussicht gestellt wurde, obwohl ein breiter Diskurs über den Einsatz retardierter Morphine in der Substitutionstherapie dringend erforderlich ist.

Retardierte Morphine in den meisten europäischen Ländern nicht zugelassen
In den meisten europäischen Ländern, sind retardierte Morphine nicht zugelassen. Trotzdem gibt es in diesen Staaten bessere Therapieergebnisse als Österreich. Beispielweise liegt in Deutschland die Erfolgsquote bei 20 Prozent der Heroin-Süchtigen, in Österreich (je nach Statistik) nur bei 5 bis 10 Prozent. In Europa werden retardierte Morphine lediglich in Bulgarien, Slowenien und Österreich angewendet. Auch hier ist Österreich mit einer Anwendungsquote von 55 Prozent führend; in Bulgarien sind es 5 Prozent und in Slowenien 7 Prozent der Fälle.

Ost-Westgefälle bei der Abgabe von retardierten Morphinen
In Österreich wird die Abgabe von retardierten Morphinen unterschiedlich gehandhabt. In Vorarlberg werden retardierte Morphine in 16 Prozent der Fälle verabreicht, in Wien sind es 61 Prozent der Therapien diese zum Einsatz kommen. Vorarlberg ist bei den Drogentherapien auch erfolgreich, denn die Zahl der Heroinsüchtigen sinkt. Im Bericht zur Drogensituation 2012, der von der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegeben wurde, heißt es auf Seite 57: "Österreichweit stellt Morphin in Retardform (55 %) das am häufigsten verschriebene Substitutionsmittel dar, gefolgt von Methadon (21 %) und Buprenorphin (18 %). Auffällig ist, dass die Verschreibungs-praxis bundeslandspezifisch sehr unterschiedlich ist. Während beispielsweise in Vorarlberg nur bei 16 Prozent der Behandelten Morphin in Retardform zum Einsatz kommt, ist dies in Wien bei 61 Prozent der Behandelten der Fall."

"Für mich ergibt sich daraus eine ganz klare Frage: Wie kommt dieser überproportional hohe Unterschied beim Einsatz von retardierten Morphinen in der Substitutionsbehandlung zustande?", sagt Mikl-Leitner. "Die Ergebnisse der Drogentherapie in Vorarlberg sprechen eine klare Sprache. Aus diesem Grund ist es dringend erforderlich, die Substitutionstherapie in Österreich bundesweit zu evaluieren, um Klarheit über die Datenlage zu bekommen."

Schwarzmarkt für retardierte Morphine
Der überproportionale hohe Einsatz von retardierten Morphinen führt in Österreich zu einem regen Handel auf dem Schwarzmarkt. "Es handelt sich dabei um ein österreichisches Phänomen", betont die Innenministerin. "Das ist aber hausgemacht und in Europa einzigartig."

Bei ordnungsgemäßer Einnahme gibt retardiertes Morphin den Wirkstoff verteilt über den Tag an den Körper ab und bremst das Verlangen nach Opioiden. Wird diese Substanz aber missbräuchlich intravenös verabreicht, erhält der Konsument einen "Kick" ähnlich wie beim Heroinkonsum. Das macht retardierte Morphine gegenüber anderen Drogenersatzstoffen besonders "attraktiv" für Süchtige und dadurch entsteht auch ein Schwarzmarkt.

Die Aussage von Wiens Drogenkoordinator Michael Dressel, dass maximal 0,15 Prozent der in Wien verschriebenen Medikamente später von der Polizei sichergestellt wurden und dass es daher keine Überschwemmung des Marktes gibt, ist für den Direktor des Bundeskriminalamtes Franz Lang nicht nachvollziehbar. "Ermittlern des Landeskriminalamts Wien gelang es zum Beispiel, einem Substitolhändler das Handwerk zu legen, der in den vergangenen zwei Jahren mindestens 5.000 Stück Substitol verkauft hatte", sagt Lang. "Er hatte Abnehmer aus Niederösterreich, der Steiermark, dem Burgenland und Wien. 2.500 bis 3.300 festgestellte Delikte jährlich in diesem spezifischen Kriminalitätsfeld sind kein Anlass, die Augen in diesem Bereich zu verschließen."

Für Innenministerin Mag.a Johanna Mikl-Leitner ist es jedenfalls von besonderer Bedeutung, dass begleitend zur Substitution mehr psychosoziale Betreuung benötigt wird. Laut dem Suchtmediziner Dr. Reinhard Haller bekommen derzeit nur 10 Prozent der Substituierten eine solche Begleitung. Mikl-Leitner: "Es besteht also dringender Handlungsbedarf."


 

Oberhauser: Kein politisches Kleingeld auf Kosten Suchtkranker wechseln
Expertinnen und Experten bestätigen Wirksamkeit von Substitutionstherapie - Therapiefreiheit muss bleiben
Wien (sk) - SPÖ-Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser betont im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über Substitutionstherapie für Drogenkranke, dass Österreich in der Sucht- und Drogenpolitik sehr gut und breit aufgestellt ist und diese auch von den entsprechenden Expertinnen und Experten mitgetragen wird. Oberhauser, die selbst Ärztin ist, betont in Richtung Innenministerin Mikl-Leitner und ÖVP-Generalsekretär Rauch, dass "Drogentherapie Sache der Expertinnen und Experten, also der Ärztinnen und Ärzte, ist. Niemand würde einem Arzt oder einer Ärztin bei anderen Erkrankungen vorschreiben, mit welchen Mitteln er den oder die Kranke behandeln soll, und es ist hoffentlich parteiübergreifend unbestritten, dass auch Drogensucht eine Krankheit ist". Die Auswahl des geeigneten Behandlungsmittels müsse "die Ärztin, der Arzt als Expertin bzw. Experte treffen und nicht die Politik" lehnt Oberhauser klar ab, "politisches Kleingeld auf Kosten der Suchtkranken zu wechseln".

Die Themen Sucht- und Drogenpolitik werden laufend und in engem Kontakt mit der Ärztekammer im Bundesdrogenforum besprochen, das zweimal jährlich zusammentritt, um drogenpolitische Fragen zu erörtern. "Dazu gehört natürlich auch das Thema Substitutionstherapie", betont Oberhauser gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Auch der jährliche Drogenbericht informiert laufend über aktuelle Entwicklungen im Drogenbereich. "Wir haben das Feld Drogen und Süchte gut im Griff", stellt die SPÖ-Abgeordnete fest.

Die Ärztekammer spricht sich ebenso dafür aus, dass die Therapiefreiheit erhalten bleiben muss. Innenministerin Mikl-Leitner hat schon einmal vorgeschlagen, die Ersatztherapie für Drogenkranke streichen zu wollen und ist aufgrund breiten Protests wieder zurückgerudert. "Das ist gegen alle Empfehlungen von Expertinnen und Experten und würde Österreich in der Drogentherapie um Jahrzehnte zurückwerfen", kritisiert Oberhauser und plädiert an die Innenministerin, "die Behandlung von Suchtkranken jenen zu überlassen, die sich darin auskennen".

Die Kritik der ÖVP im Besonderen am Ersatzmittel retardierende Morphine ist für die SPÖ-Gesundheitssprecherin nicht nachvollziehbar, da Österreich mit dem Einsatz dieses Medikaments laut Expertinnen und Experten sogar Vorreiter ist. Derzeit diskutieren auch andere europäische Länder, retardierende Morphine einzusetzen. "Auch der Erfolg der Ersatztherapie gibt uns recht: Es gibt weniger Drogentote, HIV-Infektionen und Drogenkriminalität."


 

Jachimowicz: Ärztliche Therapiefreiheit muss bleiben
Höhere Lebenserwartung dank Substitution - Missbrauch im Promillebereich
Wien (öäk) - Drogensucht sei eine chronische Krankheit, daher müsse auch hier die Therapiefreiheit der Ärzteschaft erhalten bleiben. Dazu gehöre die Möglichkeit, der Situation des Patienten entsprechend zwischen verschiedenen Medikamenten wählen zu können. "Wir fordern die Politik auf, sich um Schwarzmarkt und Beschaffungskriminalität zu kümmern, während wir Ärzte unsere Patienten behandeln", betonte Norbert Jachimowicz, Referent für Substitutionsfragen in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), im Rahmen einer Pressekonferenz am 17.04.

Eine Substitutionsbehandlung verringere das Auftreten schwerwiegender Folgeerkrankungen, reduziere die Begleitkriminalität und fördere die berufliche sowie gesellschaftliche Integration, ergänzte Hans Haltmayer, Referent für Substitution und Drogentherapie der Ärztekammer für Wien. "Die Therapie lindert das Leid der Kranken und ihrer Angehörigen, die Sterblichkeitsrate konnte in zehn Jahren um zwei Drittel gesenkt werden", so Haltmayer.

In Österreich sind derzeit drei Substanzen zur Behandlung Suchtkranker zugelassen: Methadon, Buprenorphin und retardierte Morphine. Alle drei Substanzen können Entzugserscheinungen unterdrücken, wirken aber nicht bei allen Suchtkranken gleich und sind auch nicht beliebig austauschbar, erklärte Alfred Springer, Mitbegründer der Österreichischen Gesellschaft für arzneimittelgestützte Behandlung von Suchtkranken (ÖGABS). Dieser Umstand werde in der öffentlichen Diskussion ebenso ausgeklammert wie die Tatsache, dass nicht nur retardierte Morphine, sondern alle drei Substanzen missbräuchlich verwendet werden könnten. "Es ist niemandem damit gedient, eine Substanz herauszugreifen und zu dämonisieren", kritisierte Springer. Tatsächlich ist der Anteil von Substitutionsmitteln am Schwarzmarkt sehr gering: "Die im Rahmen von Anzeigen sichergestellten Kapseln und Tabletten machten zuletzt gerade einmal 0,14 Prozent der verschriebenen retardierten Morphine aus. Die pro Aufgriff sichergestellte Menge Heroin ist im Schnitt 100-mal größer", so der Wiener Drogenkoordinator Michael Dressel. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes werde in Wien gezielt gegen den Missbrauch von Substitutionsmitteln vorgegangen.

Die Diskussion sei zusätzlich durch die Behauptung angeheizt worden, der problematische Drogenkonsum Jugendlicher wäre in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. "Das ist nicht der Fall", räumte Alexander David, Drogenbeauftragter der Stadt Wien, mit diesem Vorurteil auf. Tatsächlich befänden sich etwa 2.900 Patienten über 40 Jahre in Substitutionstherapie, aber nur neun Jugendliche. "Die Behandlung ermöglicht den Betroffenen ein Überleben", so David.

Besondere Herausforderungen würden sich dann ergeben, wenn ein Patient von mehreren Substanzen abhängig sei, erklärte Jachimowicz. Mehrfachabhängigkeit könne zu massiven körperlichen und mentalen Schäden führen, die meisten Drogentoten seien in dieser Gruppe zu beklagen. "Für uns Ärzte ist es eine große Herausforderung, Mehrfachabhängige zu behandeln. Jeder Patient ist anders. Als Arzt muss es mir möglich sein, unter mehreren Substanzen die individuell passende auszuwählen", betonte Jachimowicz.

 

 

 

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